Kreuztal. Die Stadt Kreuztal kämpft um das Quartiersmanagement in der Erlersiedlung. Und fordert das Land zu einem Kurswechsel auf.

Angefangen hat alles in den frühen Jahren der Fritz-Erler-Siedlung: In einer Wohnung in einem Hochhaus am Eggersten Ring hat die AWO-Beratungsstelle das geleistet, was man heute „Quartiersmanagement“ nennt. 32 Jahre lang, bis 2006 das neue Stadtteilbüro übernahm, das heute zusammen mit dem Mehrgenerationenhaus in der Danziger Straße zentrale Anlaufstelle in der Siedlung ist. All das ist jetzt in Gefahr.

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Landesprogramm „Starke Quartiere – Starke Menschen“ ist vorbei

Stadträtin Edelgard Blümel hat Kommunalministerin Ina Scharrenbach einen dreiseitigen Brief geschickt, den sie selbst „Zwischenruf“ nennt: Darin begründet sie, warum Kreuztal – wie andere Städte in vergleichbarer Lage auch – „verlässlichen und niederschwelligen Landesförderung zur Bewältigung einer Daueraufgabe“ brauchen. Denn der bisherige Weg, die Finanzierung der Einrichtung über wechselnde Förderprogramme immer wieder neu zu begründen, scheint an seinem Ende anzugelangen: „Starke Quartiere – Starke Menschen“ ist Ende 2021 abgelaufen, 2022 wird noch mit Resten finanziert.

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Es zeichne sich „aktuell kein Förderprogramm ab, mit dem eine neue Förderperiode eingeläutet wird und eine verlässliche Förderung des Quartiersmanagements möglich ist“, heißt es in einer Vorlage für den Sozialausschuss, der darüber am Mittwoch, 4. Mai, berät.

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Für die nächsten zwei Jahre bezahlt die Stadt selbst

Für die Jahre 2023 und 2024 will sich die Stadt nun selbst helfen: Die Stadt übernimmt die Personalkosten der AWO, die in den letzten Jahren als „Unterauftragnehmerin“ der Stadt und Regionalplanung Dr. Jansen tätig war – das Kölner Unternehmen hatte seinerzeit die Ausschreibung für das Quartiersmanagement gewonnen. Dadurch verringern sich die Kosten für das Stadtteilbüro von 196.000 auf 160.000 Euro.

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Die Stadt übernimmt zusätzlich zu ihrem bisherigen Eigenanteil den wegfallenden Zuschuss aus den Stadterneuerungsmitteln in Höhe von 61.000 Euro. Unter dem Strich entsteht eine jährliche Mehrbelastung von 25.000 Euro. Danach hofft die Stadt auf ein neues Förderprojekt. Dazu wird wiederum ein „Handlungskonzept“ mit Investitionen entwickelt, das weiter von einem Quartiersmanagement begleitet werden könnte, Eine Bewilligung sei aber „nach derzeitigem Kenntnisstand nicht“, heißt es in der Vorlage.

Bekämpfung von Armut bleibt Daueraufgabe

Zufrieden ist die Sozialdezernentin damit nicht, ihr wäre die stetige, von baulichen Investitionen unabhängige Förderung wichtig. „Die Situation in der Stadtmitte hat sich allerdings nicht so verändert, dass auf das Quartiersmanagement verzichtet werden könnte; es ist eher das Gegenteil der Fall“, heißt es in der Vorlage für den Sozialausschuss, „durch die neuerliche Entwicklung mit den Kriegsvertriebenen aus der Ukraine spitzt sich die Situation nochmals zu.“ In dem Schreiben am Ministerin Scharrenbach macht Edelgard Blümel deutlich, dass auch nach den Investitionen in die Stadtmitte „insbesondere die Bekämpfung von Armut in ihren verschiedenen Dimensionen und die Ermöglichung der sozialen Teilhabe (...) eine Daueraufgabe“ bleibe.

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Stadträtin: Zentral gesteuerte Maßnahmen „verdampfen"

In Städten wie Kreuztal „verdampfen die Maßnahmen des Jugendamtes wie der Tropfen auf dem heißen Stein“, scheibt Stadträtin Blümel. Die vom Familienministerium auf Kreisebene betriebenen „Präventionsketten“ kämen in kleinen und mittleren Kommunen „leider nicht wirklich an“. Edelgard Blümel: „Wir in Kreuztal haben überwiegend kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem.“ Die Kommunen sollten direkten Zugang zu einem Quartiersmanagement bekommen, von dem aus alle sozialpolitischen Maßnahmen gesteuert werden. „Stadtentwicklungskonzepte, eine Sozialplanung oder Familienberichterstattung sind Hürden, die nicht zur Voraussetzung gemacht werden sollten.“

Auch Familienstützpunkt und Ankommenslotsinnen sind betroffen

Ihren Brief hat Edelgard Blümel auch an die Landtagsabgeordneten gesendet. „Manche haben noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung geschickt“, berichtet sie, geantwortet habe nur Johannes Remmel (Grüne). „Ich freue mich, dass zumindest eine Antwort aus dem Ministerium kam.“ In der Sache hat ihr „Zwischenruf“ allerdings nichts verändert. Und so geraten nach dem Quartiersmanagement auch weitere geförderte Projekte in den Überlebenskampf: Die Förderung für den Familienstützpunkt in der Grundschule an Dreslers Park ist schon ausgelaufen, die Ankommenslotsinnen für Menschen aus Südosteuropa werden nur noch bis Jahresende finanziert. Selbst wenn es dann weitergeht, wird die Personalsuche schwer, fürchtet die Stadträtin: „Wer setzt sich schon gern dauern auf einen wackligen Stuhl?“

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