Siegen. In der Corona-Pandemie setzt die Uni Siegen auf digitale Lehre. Einige Studierende mögen das, doch nicht alle kommen mit Online-Formaten zurecht.
Digitale Lehre kommt einigen Studierenden entgegen, wird aber über die Pandemie hinaus nicht zum Standardmodell der Uni Siegen werden. „Einen Ersatz von Präsenzlehre durch digitale Lehre wird es nicht geben“, betont Prof. Alexandra Nonnenmacher, Prorektorin für Bildung, im Gespräch mit dieser Zeitung. Digitale Formate und Angebote werden in Zukunft aber zum Studium dazugehören. Wie diese aussehen können, will die Uni Siegen im Projekt „Digitalität menschlich gestalten“ erarbeiten. Pressesprecher André Zeppenfeld unterstreicht ein „klares Bekenntnis zur Präsenzlehre“.
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Mit digitaler Lehre haben die Studierenden wegen der Corona-Problematik seit mittlerweile zwei Jahren eingehende Erfahrungen. Wie sie dazu stehen, darüber gibt eine Befragung Auskunft, die die Uni vor Beginn des Wintersemesters 2021/22 vornahm und an der sich rund 4000 Studentinnen und Studenten beteiligten – also etwa ein Viertel der Studierendenschaft. Primär ging es zwar darum, die Impfquote zu ermitteln, um so für das folgende Semester planen zu können. Darüber hinaus gab es aber auch Fragen zum Thema „Lehren aus der digitalen Lehre“.
Universität Siegen: Digitale Lehre funktioniert in den Fächern unterschiedlich gut
„Es gibt einen Anteil, der sich mit digitaler Lehre arrangiert hat und die Vorteile schätzt“, sagt Alexandra Nonnenmacher. Diese Präferenz sei an manchen Fakultäten stärker ausgeprägt als an anderen. „Ich möchte das nicht zu stark vereinfachen“, sagt die Prorektorin. Doch tendenziell gilt, je stärker ein Fach durch „diskursives Lernen“ definiert sei – Diskussionen mit Lehrenden, Kommilitoninnen und Kommilitonen und direkten Austausch – um so höher sei das Bedürfnis nach Präsenz. Dies sei beispielsweise in den Kulturwissenschaften zu beobachten. In sehr vorlesungsintensiven Bereichen – etwa Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsrecht oder Ingenieurwesen (sofern es sich bei letzterem nicht um Werkstatt- oder Laborveranstaltungen handele) – sei das Interesse an digitalen Formaten deutlich ausgeprägter.
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Die Vorliebe für digitale Angebote hat verschiedene Gründe. Im Feld für eigene Kommentare und Anmerkungen hätten sich bei der Befragung viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer geäußert, mitunter recht umfangreich, wie Alexandra Nonnenmacher berichtet. Viele hätten die Option gelobt, Vorlesungen nicht live und vor Ort verfolgen zu müssen, sondern sie zu einem späteren Zeitpunkt in der Aufzeichnung anschauen zu können – inklusive der Möglichkeit, diese Videos gezielt für Prüfungsvorbereitungen nutzen zu können. Auch die Tatsache, dass keine Ablenkungen durch Störungen im Hörsaal bestehen würden – falls der Vordermann sich beispielsweise in Zimmerlautstärke mit seinem Sitznachbarn unterhält – kam bei vielen Befragten gut an.
Uni Siegen: Online-Studium oder lernen in Präsenz? Es ist auch eine Typfrage
Es scheint aber auch eine Typfrage zu sein. Die Digitalformate gestatten eine sehr fokussierte Arbeitsweise und kommen damit, wie Alexandra Nonnenmacher es formuliert, gerade Studierenden entgegen, „die eher ergebnis- oder prüfungsorientiert sind“. Natürlich sei generell davon auszugehen, dass Menschen sich mit dem Ziel eines Abschlusses an einer Universität immatrikulieren. Aus den Antworten im Zuge der Befragung und aus Gesprächen mit dem Asta sei aber ersichtlich geworden, „dass die, die sich zunächst nur einschreiben, weil sie nichts Besseres für sich wussten, Motivationsprobleme kriegen, wenn das Campusleben fehlt“.
Viel Flexibilität
Digitale Lehre ermögliche Studierenden viel Flexibilität, sagt Prorektorin Prof. Alexandra Nonnenmacher: Pendelstrecken würden entfallen, die Vereinbarkeit von Familie und Studium sei höher. „Flexibilität soll aber nicht zur Beliebigkeit werden.“
Die Nutzung digitaler Lehre dürfe nicht an (finanzieller) Ausstattung scheitern. Studierende dürften nicht aufgrund alter PCs, schlechter Internetanbindungen oder ihrer Wohnsituation ausgeschlossen sein – etwa, weil sie in ihrem Elternhaus oder ihrer WG keinen geeigneten Raum zum Lernen hätten.
Bei einer eher pragmatischen Entscheidung für ein Studium mag dieses fehlende Campusleben zu verschmerzen sein; viel größer ist aber die Gruppe derjenigen, die zwischen den beiden Extremen – Abschlussfokussierung hier, Unschlüssigkeit dort – stehen. „Ein Teil der Studierenden hat im ersten oder zweiten Semester noch nicht diese Zielorientierung, entwickelt sie aber im Laufe der Zeit“, erläutert Alexandra Nonnenmacher. „Viele machen einen Sprung in der Persönlichkeitsentwicklung. Mit rein digitaler Lehre würden wir Studierende verlieren, die irgendwann Schub aufgenommen hätten. Es benötigt einfach zwei oder drei Semester, um sich fachlich für einen Schwerpunkt zu entscheiden, aber auch, um sich selbst zu entwickeln.“
Studium in Siegen: Nicht nur der reine Stoff zählt – sondern auch die Begegnungen
„Uni ist mehr als das reine Studium“, wirft Uni-Sprecher André Zeppenfeld mit Verweis auf eine Maxime von Rektor Prof. Holger Burckhart ein. Es gehe nicht um gängige Studentenleben-Klischees von Partys und Kaffeetrinken im Bistro, sondern um das Lernen wichtiger Aspekte über den unmittelbaren Stoff hinaus. Alexandra Nonnenmacher nennt etwa Gespräche mit Lehrenden in und abseits der Veranstaltungen, auch den direkten Austausch mit anderen Studierenden, „das zufällige Zusammentreffen“, aus dem sich so viel ergäbe.
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Hinzu komme, dass bei rein digitaler Lehre die zumeist jungen Leute „im früheren häuslichen Kontext“ bleiben, im Zweifel in ihren alten Kinderzimmern, anstatt die neuen Impulse eines Uni-Alltags aufzunehmen. Die Fachschaftsräte hätten einiges auf die Beine gestellt, um solche Lücken in der Pandemie zu füllen. Unter anderem seien Facebook-Gruppen gebildet oder gemeinsames Kaffeetrinken per Zoom-Konferenz angeboten worden. „Aber wir können die realen Erfahrungen nur teilweise ersetzen“, sagt Alexandra Nonnenmacher.
Uni Siegen: Digital oder in Präsenz? Wünsche der Studierenden für Studium der Zukunft
Viele Studierende hätten sich in der Befragung für die Zukunft eine Mischung aus Präsenz- und Digitallehre gewünscht, erläutert die Prorektorin. Manche hätten auch eine Doppelung der Angebote vorgeschlagen: Also Präsenzveranstaltungen, die zeitgleich online übertragen werden. „Doch das kann niemand leisten“, sagt die Expertin. Auch die Lehrenden hätten sich erst mit der Lage arrangieren müssen, „gerade im ersten Semester in der Pandemie waren alle ordentlich gefordert“. Manche hätten sich damit schwerer getan als andere, „viele haben die digitale Lehre aber auch für sich entdeckt“. Diese könne fraglos „unglaubliche Vorteile“ bieten, etwa im Hinblick auf Prüfungsvorbereitungen.
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Um die Potenziale soll es nun im Projekt „Digitalität menschlich gestalten“ gehen. Binnen drei Jahren werde „die Grundlagenarbeit, die immer mühsam ist, geliefert“, sagt Alexandra Nonnenmacher. Viele Lehrende hätten ihre eigenen Ansätze und Formate entwickelt. Diese sollen nun systematisch erfasst werden, um einen genauen Überblick zu bekommen, was an der Uni Siegen bereits läuft und welche Konzepte gut funktionieren. Kolleginnen und Kollegen, die auf Anhieb sehr gut oder auch etwas schwieriger ins Thema finden, sollen passgenaue Unterstützungs- und Coachingangebote erhalten. „Das Projekt ist explizit studierendenzentriert“, hebt die Prorektorin hervor. Im Mittelpunkt steht also immer die Frage, was bei den Nutzerinnen und Nutzern tatsächlich gut und konstruktiv ankommt.
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Digitale Formate, das zeichne sich angesichts der bisherigen Erfahrungen ab, werden künftig unterstützend zum Einsatz kommen. Als Beispiel nennt Alexandra Nonnenmacher eine aufgezeichnete Vorlesung, zu der es eine Übung in Präsenz gibt. Nicht zu unterschätzen ist nämlich ein banaler, aber gewichtiger Punkt: Bei einer Aufzeichnung können die Zuhörerinnen und Zuhörer keine Nachfragen stellen.
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