Netphen. Die SPD fordert erneut den Verkauf der Tagesklinik, damit darin Wohnungen entstehen können. Oder den Einzug von Museum, Archiv und Bibliothek.
Das schnelle Ende kam kam mit Ansage: Die Debatte über den Haushalt, die sonst mehrere Stunden dauert, war nach nicht einmal zehn Minuten vorbei – das Publikum, das diesen dritten Live-Stream aus dem Ratssaal verfolgte, kam nicht auf seine Kosten.
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Alle Fraktionen – bis auf die UWG – wollten den Montag abwarten, an dem die Verwaltung die Fraktionsvorsitzenden „in kleiner Runde zu einigen Themen“ informieren will, wie Bürgermeister Paul Wagener ankündigte. Dabei wird es vor allem um die Pläne für ein Schulzentrum mit Gymnasium und Sekundarschule auf der Haardt gehen (wir berichteten). Die Fraktionen hätten Erläuterungsbedarf angemeldet, bevor über den Etat beschlossen werde, berichtete er Bürgermeister: „Dem kommen wir sehr gern nach.“
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„Ein bisschen komisch“ fand Wolfgang Decker (UWG) dieses Vorgehen, das er aber auch nicht mehr abwenden konnte. Kämmerer Hans-Georg Rosemann gab den Ratschlag mit, keine Anträge zu stellen, die in diesem Jahr Geld kosten, ohne dafür einen anderen, einzusparenden Posten zu nennen – sonst wird es auch nächsten Donnerstag nichts mit der Verabschiedung des Haushalts. Die ungehaltenen Haushaltsreden stehen bis dahin zur Lektüre bereit.
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Bürgermeister: „Großer Schwung“ für Digitalisierung
Bürgermeister Paul Wagener warnt den Rat davor, Anträge zu beschließen, die den Etat in die roten Zahlen treiben. Das dann erforderliche Genehmigungsverfahren würde Investitionen verzögern. „Wer den Haushalt jetzt mit Anträgen überfrachtet, zeigt damit nur sein eigenes Versäumnis in den vergangenen Haushaltsjahren auf.“ Wagener hebt den „großen Schwung nach vorn“ bei der Digitalisierung der Schulen hervor. „Dennoch sehe ich die Zunahme von Distanzunterricht sehr kritisch. Distanzunterricht dürfte das Bildungsgefälle eher verschärfen und soziale Ungleichheiten verstärken.“ Für die Innenstadtentwicklung nennt der Bürgermeister Post, Tagesklinik, ehemalige Rettungswache und das Gewerbegebiet An der Braas als Standorte mit „sehr guten Entwicklungsoptionen“. Den Rat lädt der Bürgermeister ein, „kooperativ, konsequent und konsensorientiert zusammenzuarbeiten“.
Anträge
Das sind die Schul-Anträge der SPD-Fraktion: 500.000 Euro für die Grundschule Hainchen, „höchste Priorität“ für die Grundschule Dreis-Tiefenbach, Sperrvermerke für Grundschule Netphen und Sekundarschule.
Die SPD beantragt, die Zahl der 100 städtischen Brücken zu reduzieren.
Für jede klimawirksame Maßnahme sollen die Beschlussvorlagen Auswirkungen auf das Klima darstellen, fordert die SPD.
Die Tagesklinik wird für Wohnzwecke verkauft, wenn in dem Gebäude nicht – so die SPD – „notwendige Angebote der Stadt zentralisiert werden können“.
Bei Wohnbauvorhaben, die die Stadt beeinflussen kann, fordert die SPD einen Wohnungsanteil von 30 Prozent für „bezahlbaren Wohnraum“.
Freie Grünflächen auf städtischen Friedhöfen sollen in Blühflächen umgewandelt werden, beantragen die Grünen. An Straßen, Wegrändern, Kreiseln und Verkehrsinseln sollen Blühstreifen oder -flächen angelegt werden.
In Einkaufszentren, an Freizeitanlagen und Bushaltestellen sollen Fahrradständer installiert werden; geprüft werden soll die Installation von Fahrradboxen an zentralen Bushaltestellen (Antrag der Grünen).
Für die Live-Übertragung von Ratssitzungen beantragt die FDP die Installation von Kameras im Ratssaal; dafür sollen 10.000 Euro bereitgestellt werden.
CDU: Neue Wege fürs Freizeitbad
Sebastian Zimmermann (CDU) rät, „uns in diesem Haushaltsjahr intensiver mit strategischen Überlegungen für die Zukunft zu beschäftigen“. Das bedeute, „dass wir ganz dringend die Strategien für den Freizeitpark benötigen, dass wir mit dem Plan für die Innenstadtentwicklung in Netphen weiterkommen müssen und dem Umbau und Neubau der Schullandschaft in Netphen weiterkommen“. Zimmermann spielt auch auf die Auseinandersetzung um die Eishalle an, für deren Sanierung die Stadt drei Millionen Euro Fördermittel hätte bekommen können, obwohl sie den Antrag bereits zurückgezogen hatte: „Es sollte uns nicht wieder passieren, dass wir Fördermittel ablehnen müssen oder gar nicht erst beantragen können, weil wir keinen Plan haben.“ Um eine langfristige Perspektive für Schwimmmöglichkeiten zu gewinnen, müsse die Stadt „den Mut aufbringen, die daraus folgenden Konsequenzen zu ziehen und den ein oder anderen neuen Weg zu beschreiten“.
SPD: Kreis lebt wie „Made im Speck"
Manfred Heinz (SPD) kritisiert den Beschluss des Kreistags über die Kreisumlage, der dazu führte, dass ein ursprünglich eingeplanter Überschuss von einer Dreiviertelmillion auf rund 6000 Euro zusammengeschmolzen ist: Der Kreis lebe „wie die Made im Speck“. Der Stadtverwaltung wirft Heinz vor, dem Ratsbeschluss für ein Schulzentrum auf der Haardt mit einer „finanzpolitischen Abschreckungsplanung“ entgegenzuarbeiten. Mit Anbauten an die Schulen, Ausgaben für Straßen und Klärwerk drohe sich die Stadt zu verschulden, „ohne einen zukunftsgerechten synergetischen Wurf zu wagen“. Nötig sei ein Konzept für den Freizeitpark – das Gelände der ehemaligen Eishalle müsse Verbindungsstück zwischen Bad und Bewegungspark werden. Den wiederum sieht Heinz als „Beispiel für eine missratene schwarz-gelbe Förderpolitik“: „Eine Begeisterung dafür ist in der Bevölkerung nicht wahrnehmbar.“ Manfred Heinz erinnert an die Forderung seiner Fraktion, die Tagesklinik um Wohnungen umzubauen. „Jetzt wird krampfhaft und phantasiereich nach Nutzungen gesucht. Warum versuchen wir es nicht mit den Themen Museum, Archiv, Kunst, Kultur, Bibliothek sowie dem Thema Gesundheit?“
Grüne: Blühstreifen und Fahrradboxen
Silvia Glomski (Grüne) fordert „neue, kreative und zukunftsfähige Ideen“. Klimaschutz bestehe nicht nur „aus ein paar Photovoltaik-Anlagen auf Schuldächern (wenn sie nicht gerade defekt sind) und an einem Klärwerk“. Im zuständigen Fachausschuss werde das Thema „eher als nette Begleiterscheinung für sanften Tourismus“ behandelt. „Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln erhalten und modernisieren“ müsse das Stadt das Freizeitbad . Es müsse „muss durch geeignete Maßnahmen zukünftig wieder zu einem echten Anziehungspunkt werden“. Es sei auch „an der Zeit einen genaueren Blick auf die Fahrradinfrastruktur innerhalb unserer Stadt zu werfen“ – der Hufeisenparkplatz im Einkaufszentrum müsse „schnellstmöglich“ autofrei gemacht werden.
FDP: Attraktive Innenstadt
Louis Roth (FDP) unterstreicht, wie SPD und Grüne, den Wunsch nach einem Neubau der Sekundarschule. „Mit einem Neubau könnte den Sekundarschülern ein fortschrittliches und erweiterungsfähiges Gebäude zur Verfügung gestellt werden, während die zwei Grundschulen in Netpher Stadtgebiet vereint werden könnten.“ Die Grundschüler blieben dann auch später zusammen, wenn sie eine der beiden, dann benachbarten weiterführenden Schulen auf der Haardt besuchen. Damit Menschen nicht vereinsamen, müssten Begegnungsstätten, Restaurants und eine attraktive Innenstadt „eine der höchsten Prioritäten“ haben. In diesen Bereichen bestehe „viel Verbesserungspotenzial“.
Die UWG-Fraktion hat keine Haushaltsrede zu Protokoll gegeben.
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