Siegen. Entweder Gartenmarkt Kremer neben Ikea am Heidenberg – oder weiter nichts: Die Siegener Politik hat im Grunde keine Wahl. Das schmeckt ihr nicht.

Einmal mehr hat die Kommunalpolitik nicht wirklich eine Wahl: Wie bei der maroden Hufeisenbrücke steht sie bei der Brachfläche neben dem Ikea-Parkplatz quasi vor vollendeten Tatsachen. Entweder Garten-Center Kremer siedelt sich hier an – oder es geschieht nichts. Der schwedische Möbelgigant, dem die Fläche gehört, hat bereits signalisiert: Er hat kein Interesse daran, das Gelände um jeden Preis zu verkaufen. Der Stadtentwicklungsausschuss stimmte eher zähneknirschend für die Pläne.

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Gegen einen nachhaltigen Gartenmarkt hat grundsätzlich erstmal niemand etwas – zumal das fortgeschriebene Einzelhandelsentwicklungskonzept der Stadt genau in diesem Produktsegment Nachholbedarf bescheinigt und sich Garten-Center Kremer schon seit einiger Zeit um einen Standort in Siegen bemüht. „Die Firma passt in unsere Einzelhandelslandschaft“, befand Stadtbaurat Henrik Schumann, Kremer habe einen guten Ruf als Arbeitgeber und verfolge ein nachhaltiges Konzept. Knackpunkt an der Sache ist wie berichtet aber, dass die Fläche für gewerbliche Entwicklung im Bebauungsplan ausgewiesen ist – und nicht für den Handel. Siegen hat ein erkleckliches Defizit an Gewerbeflächen.

Siegener Grüne wollen sich Standortpolitik nicht von Ikea diktieren lassen

Faktisch ändert das aber nichts daran, dass Ikea die 15.000 Quadratmeter große Fläche gehört und nicht das geringste Interesse daran hat, dass sich Industrie direkt nebenan niederlässt. „Ikea braucht uns überhaupt nicht“, stellte Stadtbaurat Schumann klar; selbst an Garten-Center Kremer sei das Möbelunternehmen „nicht sonderlich interessiert“. Vielmehr habe Kremer Ikea immer wieder bearbeitet, bis man sich schließlich zur nun vorliegenden Lösung bereiterklärt habe. „Das ist ja nicht der erste Versuch, da etwas unterzubringen“, regelmäßig wolle jemand die Fläche erwerben oder nutzen. Ikea knüpft seine Zustimmung aber an dem Unternehmen verträgliche Nutzungen – Handel, keine Industrie.

Vor allem den Grünen stieß es sauer auf, dass Ikea in diesem Fall der Stadt ihre Standortpolitik vorgeben kann. „Es hat einen Beigeschmack, dass Ikea bestimmen kann, wie sich die Stadt entwickeln soll“, sagte Jürgen Schulz. Sicher, ein Gartenfachmarkt fehle, aber man hätte sich die Prüfung eines alternativen Standorts gewünscht. Daniela Stoker stellte grundsätzlich in Frage, dass ein Unternehmen eine Stadt zwingen könne, Standortpolitik in seinem Sinne zu machen – „das ist keine richtige Grundhaltung der stadtpolitischen Auseinandersetzung.“ Eine einheitliche Linie haben die Grünen bisher in dieser Frage nicht.

Siegen hat keine Verhandlungsposition gegenüber dem schwedischen Möbelgiganten

Angeregt wurde, ob man Ikea dazu bewegen könnte, den größeren Teil der Fläche für den Gartenmarkt zur Verfügung zu stellen und einen kleineren Teil für produzierendes Gewerbe abzutrennen. Das lehnt Ikea ab. „Wir sind nicht in irgendeiner Verhandlungsposition“, betonte Henrik Schumann: Als Stadt habe man keine Chance, Ikea sei ein weltweit agierender Konzern und entsprechend professionell aufgestellt, „die sind da schmerzfrei“. Thomas Runge, Leiter der städtischen Wirtschaftsförderung bekräftigte, dass Kremer die gesamte Fläche benötige, eine Aufteilung sei nicht möglich.

„Wir haben ein Defizit von 100 Hektar bei Gewerbegebieten, es ist unerträglich, dass wir ein Sahnestück hergeben“, empörte sich Egon Sündermann (UWG). Dabei sei es zweitrangig, ob Ikea das Grundstück andernfalls brach liegen lasse – was er nicht glaube.

Kein Gartenmarkt in zentraler Lage

Bevor entschieden wurde, dass auf dem Roland-Gelände am Lohgraben unter anderem die Freie Christliche Schule errichtet wird, war die Fläche als potenzieller Standort für Garten-Center Kremer im Gespräch. „Ein Gartenmarkt gehört nicht in die Innenstadt“, begründete der Stadtbaurat die Entscheidung dagegen; wenn man andere Bau- oder Gartenmärkte in der Region betrachte, gebe es dort ein hohes Verkehrsaufkommen, was die Infrastruktur in zentraler Siegener Lage wohl nicht verkraftet hätte.

„Wenn wir nein sagen, bleibt die Fläche leer“, sagte dagegen Angelika Flohren (SPD) – und es würde sehr schwer zu begründen sein, warum man ein Unternehmen, das seit Jahren einen hochwertigen Gartenfachmarkt nach Siegen bringen wolle, erneut ablehne (siehe Infobox). „Die Leute fahren jetzt immer nach Kreuztal.“ Die Diskussion sei akademisch, der Zug abgefahren. „Wir sollten vollziehen, was die Bürger wollen – und die wollten auch Ikea. Stellen Sie sich mal vor, Ikea wäre nicht nach Siegen gekommen.“ Kämmerer Wolfgang Cavelius merkte an: „Ich wäre froh, wir hätten noch drei Unternehmen wie Ikea in Siegen; wir hätten weniger Sorgen.“

Garten-Center Kremer woanders im Siegerland: Nachteile ohne Vorteil für Siegen

Der Sündenfall sei vor Jahren passiert, als die Stadt das Gelände auf dem Heidenberg erschlossen und dann einen Großteil an einen Einzelhändler – Ikea – verkauft hatte, erinnerte Silke Schneider (Linke). Mit den so geschaffenen Tatsachen müsse man sich nun arrangieren. „Ich verstehe diese Haltung nicht: Damals war es auch ein Gewerbegebiet und damals wurde trotzdem beschlossen, es an Ikea zu verkaufen.“

Wenn Kremer nicht nach Siegen, sondern beispielsweise nach Wilnsdorf komme, „hätten wir die Nachteile, aber nicht die Vorteile“, sagte Markus Nüchtern (FDP).

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Heute würden Grundstückskäufern Auflagen gemacht, etwa innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu bauen – man habe aus diesen „nicht so klugen Entscheidungen gelernt“, sagte Kenny Schulz (Volt). „Heute stehen da seit Jahren nur Autos und die Stadt bekommt keinen Cent.“