Siegen. Zeit drängt: Die Hufeisenbrücke am Siegener Bahnhof ist sanierungsbedürftig. Entscheidung für das kleinste Übel: Neubau oder teurerer Busverkehr?

Die Politik tut sich noch schwer mit einer Entscheidung zur Hufeisenbrücke. Wie berichtet ist das Bauwerk, das ZOB und Busbereitstellungsplatz in zentraler Innenstadtlage verbindet, baufällig; die Zeit drängt. Zumindest die Ratsmehrheit der Kooperation CDU-SPD fühlt sich nicht ausreichend informiert, um zum aktuellen Zeitpunkt eine Grundsatzentscheidung zu treffen: Abreißen und neu bauen – oder nur eine Brücke für Fuß- und Radverkehr errichten?

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Man müsse sich hier für das kleinste Übel entscheiden, weshalb man den Prozess kritisch begleiten wolle, sagte Henner Klaas (CDU) im Stadtentwicklungsausschuss. Vor allem beim Geld hat die Politik offensichtlich Bauchschmerzen: Unter 22 Millionen Euro wird eine neue Hufeisenbrücke wohl kaum zu haben sein. Daher wolle er die „etwas provokante“ Grundsatzfrage stellen, ob man eine so teure Lösung für eine Brücke brauche, auf der halt auch Busse fahren können. Klaas forderte ein „Worst-Case-Szenario“: Was wäre, wenn man auf die Hufseisenbrücke verzichtet? Einen Teil der Antwort hat die Verwaltung in ihrer Vorlage gegeben: Eine reine Fuß-Rad-Brücke würde weniger als die Hälfte kosten, aber Kosten und Aufwand für den Busverkehr erheblich erhöhen – wohl auf mehr als 22 Millionen.

Die Siegener Politik fühlt sich zur Hufeisenbrücke noch nicht gut genug informiert

CDU und SPD wollen bis zur finalen Entscheidung weitere Informationen: Ob etwa die Kostenschätzung sicher sei oder ob es teurer werde; wie sich der ÖPNV in den kommenden 80 Jahren entwickeln werde weil womöglich künftig Menschen mit anderen Technologien befördert werden, ob man dann noch einen Busbereitstellungsplatz brauche und ob man den überhaupt brauche – „Busse sollen fahren, nicht stehen“, so Klaas. Womöglich entwickle sich der motorisierte Individualverkehr ja so, dass die Straßen leerer seien und die Busse auf autofreieren Straßen den großen Bogen fahren könnten, ergänzte Angelika Flohren (SPD): „Es sind noch viele Fragen offen, belehren Sie uns eines besseren und Sie bekommen Ihre Brückenvariante.“

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Die Busse statt über die Brücke vom Bereitstellungsplatz zum ZOB einen weiten Bogen fahren zu lassen (siehe Box), sei unrealistisch und unverhältnismäßig, sagte Markus Nüchtern (FDP). „Der ÖPNV muss fahren können, dafür braucht es die Hufeisenbrücke“, pflichtete Silke Schneider (Linke) bei – womöglich auch als Notfallumfahrung, falls der Wellersbergtunnel als Hauptroute für Autos einmal gesperrt werden müsse. Die Linien aus Richtung Freudenberg am Busbereitstellungsplatz enden zu lassen, bedeute erhebliche Qualitätseinbußen für Fahrgäste, weil viele ihre Anschlüsse am ZOB auf der anderen Seite der Schienen verpassen könnten. Und Fahrer müssten nun einmal Pause machen und zur Toilette gehen können.

Die Planer: Den Siegener Verkehr in 80 Jahren kann niemand vorhersagen

Kosten: Die Genauigkeit einer solchen Schätzung mit dem Ziel, Varianten zu vergleichen, liege bei plus minus 40 Prozent, so Thomas Griese, Abteilung Straße und Verkehr. „Wer etwas Genaueres will, muss in der Planung für jede Variante vertieft weiterarbeiten“. Bei einer Grundsatzentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt würden genauere Zahlen nicht möglich sein. Stadtbaurat Henrik Schumann ergänzte: Würde jede Variante bis ins Detail – inklusive Kosten – geplant, „wir müssten so viel Geld für Planung ausgeben, dass sie am Ende die Baukosten übersteigen könnten.“ Mit solchen Unschärfen müsse man bei solchen Projekten leben.

Billigere Brücke – teurerer ÖPNV

Busbereitstellungsplatz und ZOB bilden eine Betriebseinheit: Weil am Busbahnhof nicht genug Flächen sind, um die Fahrzeuge während der Pausen abzustellen, wurden diese auf der anderen Seite der Gleise geschaffen.

Fiele die Brücke ersatzlos weg, müssten für Busse erhebliche Umwege in Kauf genommen werden, etwa über die Achenbacher Straße. Laut Kämmerer Wolfgang Cavelius rechneten die Verkehrsbetriebe und der Zweckverband Personennahverkehr Westfalen Süd, VWS und ZWS, mit 1 Euro je zusätzlich gefahrenem Kilometer, plus Personalkosten.

Zeit: „Wenn ich Ihnen sagen könnte, was in 80 Jahren ist, wäre mein Marktwert als Stadtbaurat ziemlich hoch“, sagte Henrik Schumann. Man müsse eine Entscheidung auf dem Wissensstand von 2021 treffen. Wenn man Sinn oder Kosten oder künftige Entwicklung mit Blick auf die Lage in 80 Jahren anschauen wolle, müsse man viele Projekte zur Disposition stellen, merkte Egon Sündermann (UWG) an. Im Übrigen sei der Zeitraum 80 Jahre in der Vorlage genannt, weil eine neue Brücke so lange halten werde, nicht wegen Überlegungen zum Mobilitätswandel, ergänzte Thomas Griese.

Von der Hufeisenbrücke Siegen darf kein Stück Beton auf die Bahngleise fallen

Worst Case: Stadtbaurat Schumann mahnte, dass die Politik sich keine Hoffnung machen dürfe, die Entscheidung verzögern zu können: Von der Hufeisenbrücke dürfe kein Stück Beton auf die Gleise fallen. Bei einer Brücke über die Sieg könne man das vielleicht verschmerzen – hier nicht. Die Frage, wie lange die Brücke noch halten werde, gleiche dem Blick in die Glaskugel, „je länger sie bleibt, wie sie ist, desto schlechter wird sie und die Gefahr steigt“, sagte Thomas Griese. Wenn die Stadt es zu weit treibe, laufe man Gefahr, dass die Deutsche Bahn den Zugbetrieb einstellt, mit der Folge Schienenersatzverkehr über Monate und länger. „Wir wollen das nicht hinauszögern, aber bei einer so gravierenden Maßnahme wissen, dass die Kosten sich nicht erheblich ausweiten werden“, so Angelika Flohren.

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Busse: Eine Variante ohne Busse gebe es nicht zum Nulltarif, betonte Schumann. Würden die Linien nicht am ZOB starten und enden, müssten sie das woanders tun – und weil das Fahrpersonal dort Pausen macht, müsste sich die Stadt etwa an den Kosten für die entsprechenden Gebäude beteiligen. Ohne den Bereitstellungsplatz müsste der ZOB größer werden, der aber mit dem Bau der City-Galerie seinerzeit geschrumpft worden sei, so Griese. Mit dem Platz habe man viel Infrastruktur an einem Punkt – gäbe es sogenannte „Durchmesserlinien“, die eben den ZOB als eine von vielen Stationen durchqueren und nicht dort starten und enden, bräuchte es an den Enden der Linien Stellflächen und Sozialgebäude.