Olpe. Colin Stamm aus Olpe fordert, dass die Interessen der Jugend in der Krise stärker beachtet werden. Was er selbst in der Politik dafür tun möchte:

Colin Stamm kandidiert für den Landtag mit gerade einmal 20 Jahren. „Sportlich“ oder „ambitioniert“ würde jetzt der ein oder andere sagen. Im Interview mit Ina Carolin Lisiewicz erzählt der FDP-Politiker aus Olpe, warum er gerade die Interessen der Jugend mehr in den Vordergrund rücken möchte und wie er sich gegenüber alteingesessenen Politikern im Landtag behaupten will.

Gefühlt geht es in der Krise momentan weniger um die jungen und mehr um die älteren Menschen. Was denken Sie?

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Colin Stamm: Ich glaube schon, dass das ein Problem ist. Nach einem Jahr Pandemie und fünf Monaten Lockdown fühlen sich die Jugendlichen in den Bedürfnissen, die neben den gesundheitlichen Aspekten eine Rolle spielen, vernachlässigt. Das sind Dinge, die über die reine physische Gesundheit hinausgehen, wie zum Beispiel die sozialen Kontakte und das Bildungswesen. Da werden viele Sachen vernachlässigt, die auch einen Teil zur Gesundheit beitragen, aber gerade in der Corona-Politik kein Gehör finden. Sie sind halt momentan eher zweitrangig.

Sollten die Interessen der jungen Leute mehr in den Vordergrund gerückt werden?

Die oberste Priorität muss natürlich gerade die gesundheitliche Lage haben. Ich glaube aber schon, dass die Interessen von Jugendlichen mehr in den Vordergrund gerückt werden sollten. Da bin ich dem Gedanken der FDP verpflichtet: Man muss den Bürgern mehr Eigenverantwortung zutrauen. Wenn wir uns anschauen, wo die Infektionen stattfinden, finde ich einige Maßnahmen wenig zielführend. Das ist eher symbolische Politik.

FDP-Landtagskandidat aus Olpe: Einige Corona-Maßnahmen eher „symbolische Politik“?

Welche Maßnahmen meinen Sie?

Zum Beispiel die Ausgangssperre. Wenn wir die Bewegungsfreiheit zwischen 21 und 5 Uhr einschränken, wird das, wenn überhaupt, zu einer Reduzierung der Infektionslage um etwa 13 Prozent führen. Das hat man berechnet. Nach fünf Monaten Lockdown befindet sich die Akzeptanz für weitere einschneidende Maßnahmen so langsam im Sinkflug. Gerade weil man in den vergangenen Monaten gesehen hat, dass nicht alle Maßnahmen erfolgversprechend waren.

Was bedeutet das für die Interessen der Jugend?

Ihre Interessen sind keine unmenschlichen Forderungen. Ihnen geht es um grundlegende Sachen, wie etwa soziale Kontakte, die auch im Grundgesetz verankert sind, aber gerade stark eingeschränkt werden. Jugendliche müssen mehr in den Fokus gerückt werden, wenn politische Entscheidungen getroffen werden.

Jugend und Corona: Depressionen und depressive Verstimmungen haben zugenommen

Was sind denn gerade die größten Sorgen der Jugend?

Erstmal alles, was mit Bildung zu tun hat. Es gibt viele junge Erwachsene, die gerade vor ihrem Abschluss stehen, und danach eine Ausbildung oder ein Studium anfangen wollen. Vielleicht wollen sie Pilot oder Schreiner werden. Wenn sie den Abschluss machen, besteht aber keine Garantie, dass sie ihre Wunschausbildung oder ihr Wunschstudium antreten können. Einfach, weil die wirtschaftliche Lage nicht gegeben ist.

Das ist nicht das einzige Problem...

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Ja. Abseits davon ist es für die psychische Lage natürlich kontraproduktiv, wenn die sozialen Kontakte reduziert werden. Die Anzahl an Kindern und jungen Erwachsenen, die mit Depressionen oder depressiven Verstimmungen behandelt werden müssen, hat extrem stark zugenommen. Es entsteht ein enormer sozialer Schaden, wenn man Jugendlichen jetzt die Zukunftsperspektiven verbaut. Sie nehmen später einen Platz in der Gesellschaft ein. Dafür müssen sie die Möglichkeit bekommen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und herausfinden können, wer sie sein wollen .

Sie sind als 20-Jähriger Teil dieser Generation. Was bedrückt Sie in der Krise am meisten?

Ich komme mit den Beschränkungen relativ gut zurecht. Ich konnte jedenfalls ein Semester im Präsenzunterricht erleben – damit bin ich einer der Glücklichen. Aber mir fehlen die Praxiseinheiten und die sozialen Kontakte. Normalerweise wäre das Lernen viel interaktiver und längerfristiger. Der Reiz, irgendetwas Neues zu lernen, stumpft in der Krise ab. Es wächst immer mehr der Zweifel, wofür man das überhaupt leistet, weil das klare Ziel, die Perspektive, fehlt.

Olpe: Student vermisst in Corona-Zeiten Freunde und Kommilitonen

Normalerweise würden Sie durch ihr Studium viel Zeit in der Universität verbringen. Jetzt ist alles nur per Distanzlehre möglich. Wie erleben Sie das?

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Es ist irgendwie schade, weil dadurch so viele persönliche Erfahrungen verloren gehen. Es sagen immer alle: „Das Studium ist die beste Zeit im Leben.“ Man geht feiern, trifft sich mit Kommilitonen. All das sind integrale Bestandteile des Studiums. Es geht ja nicht nur um die Wissensvermittlung, sondern auch um die soziale Entwicklung, Freundschaften und Interessensgemeinschaften fürs Leben. Die Interaktion über Online-Meetings ist nicht dasselbe wie persönliche Treffen. Der Antrieb, die Abwechslung, die Hobbys, die Aktivitäten, das Sich-Treffen-in-der-Stadt mit Freunden fehlen. All das ist für die eigene Entwicklung der Persönlichkeit so wichtig.

Sie kandidieren für die FDP als Landtagskandidat. Möchten Sie sich dort stärker für Ihre Generation bzw. die Jugend einsetzen?

Viele Ideen, die bei den Freien Demokraten politisch vorhanden sind, sind auch für die Jugend gedacht. Wir wollen das Morgen gestalten und uns nicht nur auf das Heute fokussieren. Den Fokus, den wir auf Zukunftsthemen, wie etwa die Digitalisierung, die Bildung und internationale Kooperationen gelegt haben, sind Aspekte, die vor allem auch die Jugend betreffen. Ich werde mich auf die jungen Menschen konzentrieren, die in das Berufsleben starten oder sich darauf vorbereiten. Und ich werde schauen, wie wir für sie eine gute Zukunftschance offenhalten können.

Colin Stamm: „Die Jugend ist dafür verantwortlich, wie wir unser Land weiterentwickeln“

Gehen wir einmal davon aus, dass Sie es 2022 schaffen, in den Landtag einzuziehen. Wie wollen Sie sich als 20-Jähriger gegenüber den gestandenen, älteren Politikern behaupten?

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Zu dem Zeitpunkt bin ich ja schon 21 (lacht). Natürlich werde ich dann mit vielen Politikern zu tun haben, die ein sehr konservatives Bild pflegen, wer Verantwortung in einer Gesellschaft übernehmen kann. Da herrscht oft das Bild: „Mit dem Alter kommt die Weisheit.“ Ich werde mich auf jeden Fall behaupten müssen. Allen Gegnern werde ich sagen: Gerade die Jugend ist dafür verantwortlich, wie wir unser Land weiterentwickeln. Wir müssen ein fester Bestandteil des politischen Entscheidungsprozesses sein.

Wurden Sie jemals dafür belächelt, dass Sie „in Ihrem Alter“ ein Landtagsmandat anstreben?

Von allen aus dem liberalen Lager der FDP wurde das sehr gut aufgenommen. Auch von meinen ehemaligen Mitschülern und Kommilitonen wurde ich definitiv nicht belächelt, sondern dafür beglückwünscht. Sie haben mir viel Erfolg gewünscht und ihre Unterstützung zugesagt. Das ist für mich ein Zeichen, dass das eine gute Entscheidung war, ist und sein wird. Ich habe keine Häme oder Spott erlebt. Ich kann auch gerade damit punkten, dass ich Medizinstudent bin und Gesundheit jetzt eine wichtige Rolle spielt.

Olpe: „Wir müssen schauen, wie wir uns auf weitere Pandemie-Ereignisse vorbereiten“

Sollten mehr junge Menschen in die Politik?

Ich bin ein Beispiel dafür, dass man auch als junge Person in der Politik viel bewirken kann. Wenn man Anliegen hat, die einem in der Politik nicht gefallen oder kein Gehör finden, kann man – wenn man sich politisch engagiert – andere von seiner Haltung überzeugen. Natürlich ist das mit viel Aufwand verbunden. Aber man bekommt auch ein breiteres Bild von der Gesellschaft, wenn man sich mit anderen austauscht. Jungen Menschen kommt in der Politik eine Schlüsselrolle zu. Auch als junge Persönlichkeit kann man dort viel bewirken.

Was wollen Sie als Landtagskandidat erreichen?

Ich möchte erreichen, dass die Schulen mit dem Zahn der Zeit mitgehen können und digital nicht hintenanstehen. Zukunftsentwicklung muss in der Schule beginnen. Weiterhin sollten die innovativen Ideen und Konzepte, die junge Erwachsene für Probleme entwickeln, relativ schnell über Unternehmen umgesetzt werden können. Und wir müssen schauen, dass wir das Gesundheitssystem stabilisieren und in ruhigere Fahrwasser bringen. Wir sollten konsequenter die Ausbildungswege und Arbeitsbedingungen für Fachkräfte, insbesondere Pflegefachkräfte, verbessern. Und wir müssen schauen, wie wir uns auf weitere Pandemieereignisse vorbereiten können.

Info: FDP-Landtagskandidat Colin Stamm studiert Medizin

>> Colin Stamm studiert Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er möchte Kardiologe werden.

>> Die Semesterferien verbringt er überwiegend in seinem Elternhaus in Olpe. Seit 2018 ist Colin Stamm Mitglied der FDP.

>> Er ist darüber hinaus Wettkampfschwimmer bei den Wasserflöhen Olpe, spielt gerne Badminton und fährt regelmäßig Rennrad.