Siegen-Wittgenstein. In den letzten beiden Schuljahren ist auch in Siegen zu wenig für die Berufsorientierung getan worden. Defizite sollen aufgearbeitet werden.
Junge Menschen brauchen „Türöffner“ ins Berufsleben. Dass es immer noch für jeden „unversorgten“ Jugendlichen rechnerisch 1,7 offene Lehrstellen gibt, sei ein „nicht zu tragender Umstand“, sagt Holger Rüthing, Teamleiter der Berufsberatung bei der Arbeitsagentur Olpe.
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Die Defizite, mit denen Jugendliche „gerade 2021“ aus den Schulen entlassen worden sind, seien groß. Wegen der Pandemie seien bei ihnen schon die Berufspraktika in der 9. Klasse weggefallen. So fehlen die konkreten Vorstellungen von einem zukünftigen Beruf, und es fehlt auch der Anreiz, unter Pandemiebedingungen aktiv zu werden. „Viele haben sich für den vermeintlich leichteren Weg entschieden“, berichtet Holger Rüthing dem Wirtschaftsausschuss des Kreistags: Sie gehen weiter zur Schule und streben das Abitur an – oder sie machen gar nichts. „Wir haben Sorge, dass uns viele Jugendliche verloren gehen.“ Eine Reihe von ihnen benötigt nicht nur Unterstützung bei der Berufsorientierung, sondern auch sozialpädagogische Betreuung.
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Projekt mit 120 Plätzen
„Türöffner“ ist ein Projekt, das beim Berufsbildungszentrum (bbz) der IHK in Geisweid angesiedelt ist und zu dem weitere Bildungsträger und Kooperationspartner zugezogen werden sollen. In einem Zeitraum von sechs bis elf Monaten holen die teilnehmenden Jugendlichen Lern-Defizite auf und absolvieren eine Berufsorientierung in den sechs Feldern Metall- und Elektroberufe, Handwerks- und Bauberufe, kaufmännische Berufe, Lagerlogistik, Pflegeberufe und bei Bedarf Berufskraftfahrer.
Zugesagt wird den Jugendlichen eine „sichere Perspektive“: Sie bekommen einen Ausbildungsvertrag, die erworbene Einstiegsqualifikation kann auf die Ausbildungszeit angerechnet werden. „Die Wirtschaft ist von Anfang an mit im Boot“, sagt Holger Rüthing. Insgesamt 120 junge Menschen können teilnehmen. Sie werden am Ende auch entscheiden können, ob sie in dem gefundenen Berufsfeld eine betriebliche Ausbildung beginnen oder ein Studium anschließen wollen – in diesem Fall wird ein Studienplatz zugesagt. „Wir zielen nicht auf die schwachen, sondern auf die weniger orientierten Schüler ab“, betont der Berufsberater. Auf die „besondere Situation der letzten anderthalb Jahre“ müsse reagiert werden, „die Maßnahme ist dringend notwendig“.
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Kaum Praktika in Betrieben
Das sieht auch Jan Weigel (SPD) so, der aus der Praxis des eigenen Betriebes berichtet: „Wir haben in der letzten Zeit kaum Praktikanten gehabt, das fehlt.“ Weigel beobachtet auch, dass inzwischen 19- oder 20-Jährige „nicht daran denken, den Führerschein zu machen. Im Handwerk ist das eigentlich Grundvoraussetzung.“ „Jetzt spüren wir die Folgen der Corona-Pandemie“, bestätigt André Jung (CDU), „es macht Sinn, diese Generation zu unterstützen.“
Regine Stephan (AfD) kennt aus ihrer Berufspraxis als Lehrerin den Nutzen von Programmen wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“: „Jugendliche müssen sofort erfahrbaren Umgang mit der Berufswelt haben, damit sie nicht in irgendwelchen Aushilfsjobs stecken bleiben.“ Aber auch „Kein Abschluss ohne Anschluss“ habe zuletzt wegen Corona nicht stattfinden können, noch nicht einmal die Potenzialanalysen für Schüler, die am Anfang der Berufsorientierung in den Schulen steht, berichtet Wirtschaftsdezernent Arno Wied. „Zwei Schuljahre sind komplett weggefallen.“
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