Weidenau. Kreisklinikum Siegen plant grundlegende Neustrukturierung: Stationen dezentral organisieren, weite Wege vermeiden, Versorgung aufstocken.

Eine Klinik von Grund auf neu zu strukturieren, im laufenden Betrieb Teile abzureißen, neu zu bauen, Abteilungen zu verlagern – eine gewaltige, komplexe Aufgabe. Das Kreisklinikum Siegen will aber genau das tun und hat auch bereits konkrete Pläne gemeinsam mit der Tübinger Beratungsfirma „Teamplan“ entwickelt.

Die Gesellschafter haben dem Zukunftskonzept für die nächsten zehn Jahre zugestimmt. Das Kreisklinikum ist räumlich weitgehend beschränkt auf die Lage zwischen Ferndorf und Weidenauer Straße sowie Amalienstraße und Herrenfeldstraße. Im Lauf der Jahrzehnte wurde angebaut und erweitert, auf dem Areal stehen mehrere Gebäudeteile. Diese Art der baulichen Entwicklung ging einher mit dem Aufbau von entsprechenden Strukturen innerhalb der Klinik, sagt Geschäftsführer Ingo Fölsing, der die Pläne für das Krankenhaus mit Hendrik Röttger von Teamplan jetzt im Bauausschuss vorstellte: Die Wege sind weit, die Strukturen zentral. Das soll sich ändern.

Kreisklinikum Siegen setzt auf Nachhaltigkeit und Arbeitnehmerfreundlichkeit

Nachhaltigkeit soll mitgedacht werden in allen Projekten: Dach- und Fassadenbegrünung etwa, CO2-Reduktion, Photovoltaik.

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Arbeitnehmerfreundlichkeit spiele eine nicht zu unterschätzende Rolle, sagt Ingo Fölsing: Nicht nur Psychiater und Psychologen seien sehr schwer zu finden und zu halten – ein Klinikum mit Campus- oder Zentrencharakter, das weite Wege vermeide, trage erheblich zur Stärkung des Kreisklinikums als attraktives Arbeitsumfeld bei. „Wir haben sehr viele junge Beschäftigte“, sagt der Geschäftsführer, „die wollen, dass es vorangeht. Sie definieren sich auch über das, was ihr Krankenhaus medizinisch leisten kann.“ Dafür brauche es moderne Räume und Strukturen.

Im Kreisklinikum Siegen werden viele Betten weite Wege geschoben – unschön

Beispiel Bettenzentrale. Die befindet sich mitten im Klinikum; hier werden Betten gereinigt und aufbereitet „nach Standards aus den 90ern“, sagt Fölsing. Außerdem gibt es Umkleiden fürs Personal. Fachpersonal zu finden, ist ohnehin sehr schwer, sagt Hendrik Röttger – wenn die auch noch dazu eingesetzt werden, Betten durch das weitläufige Klinikum zu schieben und auf Aufzüge zu warten… Wände und Türen seien in entsprechendem Zustand, irgendwo werde immer gestrichen oder ausgebessert.

Der Erweiterungstrakt „Bauteil 21“ zur Weidenauer Straße hin: Ein „baulicher Befreiungsschlag“ für das Kreisklinikum Siegen.
Der Erweiterungstrakt „Bauteil 21“ zur Weidenauer Straße hin: Ein „baulicher Befreiungsschlag“ für das Kreisklinikum Siegen. © Kreisklinkum Siegen | Teamplan

Also: Dezentraler. Betten bleiben auf Station, werden dort gereinigt, nicht quer durchs Klinikum geschoben. Stationen wie Neurologie, Kardiologie, Urologie, heute oft übers Krankenhaus verteilt, werden räumlich zu Zentren zusammengelegt. Das Gebäude der Bettenzentrale soll umfunktioniert werden (ob durch Abriss oder Sanierung ist noch offen), künftig hier die aufgestockte Radiologie einziehen. „Unsere Großgeräte sind extrem übergenutzt“, sagt Fölsing – in einer Größenordnung, die man sonst von Universitätskliniken mit erheblich mehr Betten kenne.

Kreisklinikum Siegen plant Demenzstation und Flächen für die Universität Siegen

Beispiel „Bauteil 21“. Ein Neubau an prominenter Stelle zur Weidenauer Straße hin, eine der letzten freien Flächen auf dem Gelände. Als „baulichen Befreiungsschlag“ bezeichnet Hendrik Röttgen die Erweiterung, weil sie mehrere Problem des Kreisklinikums löse: Im Untergeschoss entstehe Platz für Technik, ins Erdgeschoss sollen Cafeteria und Verpflegung fürs Personal einziehen. Bisher sei beides schwer auffindbar im Haus, da eher peripher gelegen – künftig dann aber sehr präsent im Eingangsbereich.

Nah am Wasser gebaut

Der Hochwasserschutz macht der Kommunalpolitik Sorgen; gerade dass im Neubau „Bauteil 21“ die Technikräume im Untergeschoss untergebracht sind. „Das Gelände grenzt an die Sieg“ (eigentlich Ferndorf, Red.), sagte Bernd Mäckeler (Grüne). Das Marienkrankenhaus sei hunderte Meter vom Fluss entfernt und wäre trotzdem von einem starken Hochwasser noch betroffen. „Das wird mitgedacht“, sagte Ingo Fölsing dazu.

Im 1. Obergeschoss findet ambulantes Operieren statt, ein Mischbetrieb aus ambulant und stationär und laut Röttgen daher wirtschaftlicher. Ein Kernanliegen des Kreisklinikums ist die Demenzstation im 2. Obergeschoss, das der zunehmenden Lebenserwartung und damit einhergehend steigenden Zahlen demenziell Erkrankter Rechnung trägt. „Das treibt viele Krankenhäuser um“, sagt Röttgen. Im 3. und 4. Obergeschoss schließlich entsteht Fläche für die Kooperation mit der Uni Siegen, die einen Fokus legt auf Psychiatrie und Demenz.

Am Kreisklinikum Siegen gibt es viel zu wenig Parkplätze – Lehrerparkplatz nutzen?

Beispiel Parken. Es gibt auf dem Gelände kaum Platz. Mitarbeiterinnen, die weit vom Klinikum entfernt unter der HTS parken, begleitet ein Sicherheitsdienst nach Feierabend zu ihren Autos, „das erstattet keine Krankenkasse“, sagt Fölsing. Eine Lösung wäre ein weiteres Parkhaus auf dem Lehrer-Parkplatz des angrenzenden Fürst-Johann-Moritz- Gymnasiums. Die Reaktionen nach ersten Gespräche dazu seien eher verhalten gewesen, „es wird wahrscheinlich nicht kommen“, sagt Hendrik Röttgen. „Wir haben aber echte Not.“

Das neue Herzkatheterlabor auf der Rückseite des Kreisklinikums Siegen feiert im Herbst 2021 Richtfest.
Das neue Herzkatheterlabor auf der Rückseite des Kreisklinikums Siegen feiert im Herbst 2021 Richtfest. © Kreisklinkum Siegen | Teamplan

Beispiel Psychiatrie. Die ist aus den 90er Jahren und Klinikgebäude sind – so auch hier – nach 30 bis 35 Jahren „technisch abgängig“, wie es der Planer formuliert. Auch hier steht das Kreisklinikum vor der Frage, an Ort und Stelle zu sanieren oder abreißen und neu zu bauen. Gerade die Psychiatrie sei ein Nadelöhr für die Versorgung in der Region, es brauche mehr vollstätionäre Plätze und am besten auch eine Tagesklinik.

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