Siegen. Der Borkenkäfer hat auch in den Wäldern in Siegen für Abholzungen gesorgt. Stadtförster Jan Marc Heitze bleibt trotzdem zuversichtlich.

Das Entsetzen, sagt Stadtförster Jan Marc Heitze, habe vor zweieinhalb Jahren aufgehört: „Als wir merkten, wir kriegen die Borkenkäferkalamität nicht in den Griff.“ Der extrem heiße Sommer 2018 war ein Problem, die nicht minder extremen Sommer 2019 und 2020 zeigten endgültig, dass der Klimawandel die Wälder auch im Siegerland nachhaltig verändern wird. Auf großen Flächen kam es zum Kahlschlag, riesige braune Flecken klafften überall in der Landschaft.

Vor zwei Jahren ließ sich unsere Redaktion am Hangstück nahe des Wanderparkplatzes oberhalb des Jung-Stilling-Krankenhauses von Jan Marc Heitze beispielhaft erklären, was in den Wäldern los ist. Was hat sich seitdem getan?

Siegen: Der Wald hat sich durch die Borkenkäferkalamität verändert

„Das Schöne ist: Die Flächen sind schnell wieder grün. Nur im ersten Jahr sieht es katastrophal aus“, sagt Jan Marc Heitze. Tatsächlich bietet sich auf dem Hang, der vom HTS-Abschnitt zwischen Siegen und der Dreisbach so prominent ins Auge sticht, längst nicht mehr das erschütternde Bild vom Sommer 2019. Natürlich: Die großen Bäume sind auf einem beachtlichen Stück weg. Aber alles sieht grün und gesund aus.

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Die Fichten, die hier wegen der Borkenkäferschäden im Herbst 2018 und im darauffolgenden Frühling abgeholzt werden mussten, hinterließen eine bis zu zehn Zentimeter hohe Schicht sogenanntes Nadelstreu, wie der Fachmann erklärt. Unter Sonneneinstrahlung wird dieses in Humus umgesetzt, es gedeihen Brennnesseln, Weideröschen, Fingerhut. „Typischer Schlagwuchs“, sagt Jan Marc Heitze. Und auch die Bäume kommen wieder, sogar ganz von alleine: Hainbuche, Buche, Wildkirsche, Traubeneiche, Lärche oder Bergahorn. Aber auch die Fichte.

Stadtförster Siegen: „Die Natur weiß noch gar nicht, dass der Klimawandel bevorsteht“

„Die Natur weiß noch gar nicht, dass der Klimawandel bevorsteht“, erläutert der Stadtförster, wieso ausgerechnet auch die Pflanze zurückkehrt, die mit dem Standort nicht (mehr) zurechtkam. Sie wird es auch zukünftig nicht, wie Jan Marc Heitze anmerkt. Selbst, wenn die Borkenkäferpopulation zurückgeht und die Insekten sich nicht mehr zu Tausenden auf die Fichte stürzen, „wird sie weiterhin Probleme mit Wasserstress haben“. Deutschlands Böden werden trockener, Baumarten, die damit besser umgehen können, werden sich durchsetzen. Einen Grund, die vereinzelt nachwachsenden Fichten auszumerzen, gibt es dennoch nicht. „Wir nehmen die mit“, sagt der Stadtförster.

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Monokulturen, so viel steht spätestens seit dem großen Fichtensterben der vergangenen Jahre fest, wird es nicht mehr geben. Die Fichte ist als Bauholz beliebt: Bis die Borkenkäferbestände in Folge der Hitze aus dem Ruder liefen, war die Pflege einfach, das rasche Wachstum brachte schneller Gewinne als bei anderen Arten.

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Dauert es bei der Fichte 80 bis 90 Jahre bis zur Nutzung, ist beispielsweise bei der Eiche von 200 Jahre auszugehen; als Papier- oder Zaunholz verspricht die Fichte sogar schon nach 25 Jahren lukrative Erträge. Die Idee, großflächig gezielt nur Fichten zu kultivieren, lag aus wirtschaftlichen Erwägungen also nahe. Dass Schädlinge wie „Buchdrucker“ und „Kupferstecher“ – auf Fichte spezialisierte Borkenkäferarten – damit einst ganze Landstriche verwüsten können würden, hatte damals kaum jemand als realistisches Szenario auf dem Schirm.

Stadtförster Siegen: „Die Natur kommt mit Katastrophen klar“

Eigentlich, sagt Jan Marc Heitze, wäre in Mitteleuropa Buchenwald typisch, wenn der Mensch nicht eingegriffen hätte. Da die Buche ein dichtes Dach bildet, durch das nur wenig Licht bis zum Boden dringt, würde dies für eine gewissen Artenarmut sorgen – wenn nicht an „Sonderstandorten“ mit speziellen Bedingungen andere Bäume sprießen würden. Und „es gibt recht viele Sonderstandorte“, so dass die Artenvielfalt gesichert wäre.

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Würde der Mensch den Dingen einfach ihren Lauf lassen, würden sie ihren Lauf auch tatsächlich irgendwie nehmen. „Die Natur kommt mit Katastrophen klar“, betont Jan Marc Heitze. Problematisch sei die Lage eher für den Menschen, der vom Wald einen wirtschaftlichen Nutzen oder einen Erholungswert haben möchte. Die Natur hat Zeit. Und sie hat, anders als der Mensch, keine Prognosen über den Klimawandel und seine Auswirkungen vorliegen. Folglich wächst der Wald nicht so nach, wie es für die in 50 Jahren vermutlich geltenden Bedingungen passend wäre – sondern so wie bisher. Folglich können Eingriffe notwendig werden.

Wald in Siegen: Ab Herbst werden Traubeneichen und Wildkirschen gepflanzt

Welche das sind, ist von Fläche zu Fläche unterschiedlich, wie der Stadtförster erklärt. Ab Herbst werden vielerorts Traubeneichen und Wildkirschen gepflanzt. Wichtig sei es auch, „Konkurrenzflora“ im Blick zu behalten. Brombeersträucher etwa können andere Pflanzen überwuchern und so das Durchkommen von Bäumen verhindern. Fachleute müssen jeweils vor Ort die Lage einschätzen und die erforderlichen Maßnahmen einleiten. „Die Pflege der Kulturen kostet Zeit.“ Und sie kommt zu den übrigen Aufgaben der zuständigen städtischen Abteilungen hinzu, so dass externe Dienstleister zur Unterstützung hingenommen werden müssen.

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Es kommt viel Arbeit auf Jan Marc Heitze und sein Team zu. Sorge hat er nicht. „Aber Respekt vor der Größe der Aufgabe.“

Info: Borkenkäfer zwischen Holz und Rinde

Borkenkäfer nisten sich im „Kambium“ der Fichte ein – zwischen Holz und Rinde. Sie unterbinden damit die Nährstoffversorgung, der Baum stirbt ab.

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Durch sogenanntes Ausharzen kann sich die Fichte eigentlich zur Wehr setzen. Solange die Anzahl der Borkenkäfer im Rahmen bleibt, funktioniert das. Fallen sie jedoch zu Millionen in einer Fichtenpopulation ein, hilft der Schutzmechanismus nicht mehr.

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