Siegen-Wittgenstein. Wenn 2020 nicht sehr trocken wird, sieht das Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein gute Chancen, Borkenkäfer mit Fallen gründlich zu dezimieren.
Die nächste Schlacht gegen den Borkenkäfer steht an. Ausgang: Ungewiss. „Wir versuchen, jetzt den ersten Angriff abzuwehren. Ob es uns gelingt, wissen wir nicht“, sagt Manfred Gertz vom Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein. Die Zeichen stehen aber nicht schlecht – wenn es nicht wieder so lange trocken bleibt.
Die bisherigen Schritte gegen den Borkenkäfer in Siegen-Wittgensteiner Wäldern
„Wir haben ein Paket geschnürt“, sagt Forstdirektor Manfred Gertz. Seit Beginn der Borkenkäferkalamität vor etwa anderthalb Jahren habe das Regionalforstamt eine Reihe von Maßnahmen ergriffen.
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Zuerst wurden Trockenlager aufgebaut. Die sind bereits wieder voll: Mehr als 13.000 Festmeter Schadholz lagern hier. Holz, das im Staatswald nicht abgefahren werden konnte, wurde mit Maschineneinsatz entrindet und dem Borkenkäfer so sein bevorzugter Lebensraum genommen. Minderwertigeres Industrieholz wurde in älteren Beständen unter Folie gelegt.
Die Borkenkäfer-Fallen des Regionalforstamts Siegen-Wittgenstein
Nächster Schachzug der Käferbekämpfer: Ein mit Insektengift kontaminiertes Netz ist über ein Dreibein gespannt, in der Mitte hängt ein Lockstoff für die Borkenkäfer – der diese Insekten gezielt anzieht. Und nur diese. Ihnen wird signalisiert: Hier gibt es etwas zu fressen. Kranke Bäume senden entsprechende Botenstoffe aus – und Käfer attackieren zuerst die Bäume, die sich nicht mehr gut zur Wehr setzen können. Der Borkenkäfer ist von Natur aus faul – „er sucht den nächstgelegenen Fraßort“, sagt Manfred Gertz. Etwa 500 Meter fliegt der Schädling auf Futtersuche. Diese Radien rund um Befallsnester sind nun mit Fallen bestückt.
„Wir möchten den ersten Schwarmflug abgreifen“, erklärt Manfred Gertz. Je nach Witterung bildet der Borkenkäfer im Jahresverlauf mehrere Generationen aus – die Zahl der Tiere steigt exponentiell. Die Förster setzen alles daran, die erste Generation, die jetzt losfliegt, so stark wie möglich zu dezimieren. „Mehr als 80 Prozent der Käfer haben unter der Rinde überwintert, nur 20 im Boden“, erklärt der Forstdirektor. Durch die bisherigen Maßnahmen wurde der Großteil unschädlich gemacht; der Teil, der noch im Boden sitzt, soll gezielt angelockt und eliminiert werden. Weniger als 200 Borkenkäfer schafft ein Baum auch ohne Hilfe.
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Erste Ergebnisse stimmen verhalten hoffnungsvoll. Vergangenes Jahr wurden bereits TriNet-Fallen aufgestellt, mit sehr guten Fangerfolgen, sagt Gertz. Bei 116 Fallen an 22 Standorten habe es an 18 Stellen keinen Borkenkäfer-Neubefall gegeben – „ein durchschlagender Erfolg, das hat besser als alles andere funktioniert“, sagt Gertz. Nun sind im gesamten Staatswald und teils auch in Privatbeständen insgesamt 300 Fallen aufgestellt.
Die Maßnahme ist mit den Naturschutzbehörden abgestimmt: Denn um die Fallen auch in Naturschutzgebieten aufzustellen, bedurfte es einer Ausnahmegenehmigung. Weil aber nur der Borkenkäfer dezimiert wird und für andere Tiere kaum Gefahren lauern, sei das möglich – und besser als großflächig Pflanzenschutzmittel zu sprühen. Es gibt zwar Beifang, andere Insekten, aber mit rund 1 Prozent zum Glück sehr wenig. „Von den Netzen geht keine Gefahr aus“, beruhigt Gertz, das Gift werde mit der Zeit ausgewaschen oder verdunste. Die Fallen sind ausgebracht und werden nach sechs bis acht Wochen wieder eingesammelt.
Die Aussichten für den Siegen-Wittgensteiner Wald
Der Falleneinsatz allein reicht nicht, um den Borkenkäfer wirksam bekämpfen zu können – es braucht genug Regen. Denn Bäume können den Plagegeist gut selbst loswerden – wenn es genug Wasser gibt. Dann werden die Fraßgänge des Käfers mit Harz geflutet – wenn genug Wasserdruck da ist. Das war in den vergangenen Jahren nicht der Fall, „die stärksten Befallsherde waren da, wo es wenig Niederschlag gab“, sagt Gertz.
Folgen des Weltkriegs
Die Fallen sind im Staatswald konzentriert auf die Stellen, wo der Waldumbau hin zu Bergmischwald begonnen hat. Denn: Buchen etwa werden meist unter Fichten gepflanzt, weil sie auf Freiflächen nur schlecht wachsen, erklärt Forstexperte Manfred Gertz. Sterben Fichten ab, fehlt den Buchen der Schatten und sie kommen nicht mehr hoch. Die Fallen stehen nun schwerpunktmäßig da, wo die Fichten noch gebraucht werden, um den Buchen aus der Kinderstube herauszuhelfen.
Die Fichtenbestände der Region sind Folgen der sogenannten „Reparationshiebe“ der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg: Nachdem Deutschland den Siegermächten große Mengen Holz abtreten musste, wurde aus Angst vor Holzmangel mit der schnellwachsenden Fichte aufgeforstet. „Diese Bäume sind jetzt in einem Alter, in dem sie ein ideales Fraßangebot an den Borkenkäfer darstellen“, sagt Gertz. „Das gab es vor dem Krieg nicht.“
Bislang gab es 2020 viel Regen, auch wenn es oberflächlich wieder trocken ist: Der Boden ist vollgesogen. Nach den starken Regenfällen kürzlich habe man 97 Prozent Wassersättigung im Oberboden gehabt. „Die Fichten gehen besser ins Rennen als 2019, wir hoffen auf bessere Startbedingungen.“ Wie sich das im Lauf des Jahres entwickelt, hänge vom Wetter ab. Denn der Grundwasseranschluss der Bäume durch Kapillare sei noch nicht wiederhergestellt, „es braucht mehrere Jahre, bis sich das regeneriert hat“, sagt der Forstexperte – erst recht nach zwei Trockenjahren.“
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