Siegen. Siegen wird für drei Tage zum großen Spielplatz: Das Urban Games Festival „playin’ siegen“ möchte Möglichkeiten aufzeigen. Jeder darf mitmachen.

Eine Innenstadt ist kein Spielplatz. Oder vielleicht doch? Oder sogar gerade? Das International Urban Games Festival „playin’ siegen“ möchte von Freitag, 13., bis Sonntag, 15. August beweisen, dass das ganz fantastisch funktioniert. Alle dürfen mitmachen, wenn auch – selbstverständlich – unter Corona-Voraussetzungen.

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Sinn und Zweck der Sache: „Wir versuchen, das Spielen unter pandemischen Bedingungen so gut wie möglich in den städtischen Raum zu bringen“, erklärt Marcus Rommel. Der 31-Jährige studiert den interdisziplinären Master „Medien und Gesellschaft“ mit den Schwerpunkten Medienwissenschaften und Sozio-Informatik an der Uni Siegen und gehört zum Planungsteam des Festivals. Veranstaltet wird es in Zusammenarbeit der Studentischen Spieleinitiative USK 57, des Vereins für Spielkultur Siegen und der „Games Coop“, einem Zusammenschluss von Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Uni Siegen, die sich schwerpunktmäßig mit Computerspielen auseinandersetzen.

Festival „playin’ siegen“: Spielerische Ablenkung nach Monaten in der Pandemie

Spielen ist für die Wissenschaft interessant, da die Vorstellung, es handele sich dabei um sinnlosen Zeitvertreib oder eine Beschäftigung lediglich für Kinder, seit langem schon als überholt gilt. Tatsächlich bringt es Menschen unabhängig von Alter oder Herkunft zusammen, schafft ein Miteinander, fördert den Dialog, hat viele Qualitäten, wie Marcus Rommel betont.

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Pandemiebedingt kommt in der 2021er Runde – playin’ Siegen gab es bereits 2015 und 2017, eine Auflage in kleinerem Rahmen auch 2019 – natürlich der Aspekt hinzu, dass Menschen nach den Lockdowns und den Sorgen, Einschränkungen und Ängsten der vergangenen fast anderthalb Jahre auch einen Wunsch nach Ablenkung verspüren. Das Grundkonzept geht darüber aber hinaus, weil es sowohl das Bild, das Menschen vom Spielen haben, als auch die Vorstellung der dafür geeigneten Orte und Rahmenbedingungen erweitern soll. Bei der Frage nach dem „Wo“ zum Beispiel sei es nach allgemeinem Verständnis üblich, zunächst einen Ort zu definieren oder zu schaffen, wie Marcus Rommel erläutert. Bei Brettspielen sei das etwa klassischerweise der Esstisch, der vorbereitet wird, im Freiraum seien es Spielplätze. „Wir bespielen die Stadt“, sagt der 31-Jährige. „Wir sagen: Der Spielplatz ist da, die Stadt bietet Raum, um zu spielen. Man kann sich den Ort angucken und ihn neu interpretieren, um so Spielkonzepte auszuprobieren und zu etablieren.“

„Playin’ Siegen“ soll den Stadtraum neu erfahrbar machen: auf spielerische Art

Im Prinzip greift ein solcher Ansatz eine kindliche Spielweise auf. Diese sei unmittelbarer, „weil das Kind einfach den Raum nutzt“, wie Marcus Rommel ausführt. Kinder neigen auch sehr dazu, beliebiges vorhandenes Material zum Spielen zu nutzen. Erwachsene tun sich da etwas schwerer, „gerade in Europa spielen wir sehr regelgeleitet“, sagt der Experte. Dagegen spräche auch gar nichts, vor allem sehr komplexe Spiele, erst recht Spiele im weiteren Sinne wie Sport, Musik oder Theater, erfordern oft ein ausgearbeitetes Regelwerk.

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Aber es gibt auch Alternativen – wenn Menschen bereit sind, offen zu sein und sich darauf einzulassen. Das Festival möchte solche anderen Wege aufzeigen und auch inspirieren, dabei die Chance eröffnen, den Stadtraum und seine Möglichkeiten neu zu sehen und zu erobern. Wobei es auch dabei Regeln gibt – nur die bleiben bei vielen Programmpunkten überschaubar und somit höchst zugänglich. Und bevor irgendjemand nun Auswüchse vermutet, die so viel Freigeist und Freiheit begünstigen könnten: Keine Angst, bei playin’ siegen werden keine Bäume umgenietet und auch sonst nichts kaputt gemacht!

Siegen: Urban Games Festival „playin’ siegen“ stand wegen Pandemie auf der Kippe

Escape Games, bei denen Teams gemeinsam Aufgaben lösen müssen, stehen auf dem Spielplan, Gedulds-, Action- und Brettspiele, Klassiker wie Go oder auch innovative Angebote wie die spielerische Erkundung digitaler Räume (mehr zum Programm gibt es hier). Passantinnen und Passanten werden mitunter sicherlich überrascht reagieren, aber eine gewisse – positive – Überraschung ist auch durchaus im Sinne der Akteurinnen und Akteure. „Wir wollen auch einfach mal schauen, was passiert“, sagt Marcus Rommel. Spielen in der Stadt, abseits von standardisierten Formen, „funktioniert auch außerhalb vom hochkulturellen Bereich. Es ist auch ein Versuch: Wir zeigen, dass es geht.“

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Lange war dabei gar nicht klar, ob das Festival überhaupt würde stattfinden können. Finanziert und getragen wird es von der Uni, erforderlich war dafür ein Antrag für „Qualitätsverbesserungsmittel (QVM) für studentische und interdisziplinäre (Lehr-)Projekte“, einen speziellen Topf der Uni Siegen. Der Antrag fällt aber noch in die Zeit vor der Pandemie. Nach deren Ausbruch sah es lange Zeit nicht gut aus. Das playin’-siegen-Team habe aber entschieden, „wir planen jetzt einfach, schlimmstenfalls müssen wir eben kurz vorher absagen“, sagt Marcus Rommel. Das sei schwierig gewesen, der Aufwand ist schließlich hoch, „wir haben mit der enormen Ungewissheit gelebt“.

Es sieht derzeit aber sehr sicher danach aus, dass es klappen wird – sofern nicht noch etwas höchst Unvorhergesehenes geschieht. Die völlige Spontaneität der ersten Festivaldurchgänge lässt sich zwar nicht an allen Stellen fortführen, weil für einige Angebote wegen der Corona-Regeln vorab feste Anmeldungen erforderlich sind. Vieles wird aber auch so noch kurzfristig offen sein, sofern die Pandemie-Vorgaben eingehalten werden können. Vor Ort nachfragen lohnt sich also, wenn man beim Gang durch die Stadt Lust bekommt und mitmachen möchte.

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