Wilnsdorf. Der Kirchenkreis Siegen will übers Videoprojekt „Pfarrer*in im Siegerland“ theologischen Nachwuchs gewinnen. Dabei: Rebecca Schmidt, Wilnsdorf.

Privat zieht es Rebecca Schmidt nicht vor die Kamera. Als Pfarrerin der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf stellt sie sich dem aber, aus Überzeugung. Beim Videoprojekt „Pfarrer*in im Siegerland“ des Kirchenkreises Siegen macht sie Werbung dafür, den kirchlichen Dienst in der Region ins Auge zu fassen. „Ich kann guten Gewissens sagen: Kommt hierher!“

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Ein Imageproblem macht es schwierig, Pfarrstellen im Siegerland neu zu besetzen – und das umso mehr, je geburtenschwächer die nachrückenden Jahrgänge sind. Den Fachkräftemangel bekommen so ziemlich alle Regionen zu spüren, von Boom-Towns wie Berlin vielleicht einmal abgesehen. Und was die Wirtschaft umtreibt, macht auch vor den Kirchen nicht Halt. Die konkreten Schwierigkeiten ähneln denen, die Unternehmen oder Verwaltungen haben, frappierend, wie aus Rebecca Schmidts Einschätzung ersichtlich wird. Über das Siegerland, „gibt es nach wie vor bestimmte Vorstellungen: Man wäre weit weg von allem im Hinterland, man kann hier nichts machen. Das stimmt alles nicht. Aber die Entwicklung haben viele nicht mitbekommen.“

Pfarrer*in im Siegerland: Starke Ökumene, viel Austausch, engagierte Gemeinden

Außerdem kursiere bei Theologiestudentinnen und -studenten oft noch ein weiteres Bild: die Gegend sei „zu fromm, zu konservativ“, sagt die Wilnsdorfer Pfarrerin. Stehen lassen möchte sie das so nicht. „Viele Menschen hier haben einen sehr selbstbewussten Glauben und großes Wissen“, ordnet die 35-Jährige ein. Das sei aber per se gar nichts Schlechtes, weil es einen Austausch gebe: in den und zwischen den Gemeinden, in der Ökumene. Abstimmung sei nötig, ja, das sei herausfordernd – „aber auch sehr bereichernd“. Zu merken sei das gerade bei kontroversen Themen wie der Segnung schwuler und lesbischer Paare.

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Filmemacher Roman Knerr begleitet Rebecca Schmidt bei ihrer Arbeit. Es ist das dritte Video in dieser Reihe nach Thies Friederichs und Mirjam Klein von der evangelischen Kirchengemeinde Kreuztal. Rebecca Schmidt war Mitglied der Projektgruppe, ist darüber hinaus aber aufgrund ihres jungen Alters prädestiniert für eine der Hauptrollen. Es geht schließlich darum, junge Menschen, die den Pfarrberuf ergreifen möchten, auf die Möglichkeiten im Siegerland aufmerksam zu machen. Und natürlich starten viele ihre Suche nach Einsatz- und Lebensorten online.

Wilnsdorf: Filmemacher Roman Knerr begleitet Pfarrerin Rebecca Schmidt im Alltag

In größeren Städten sei es weit weniger kompliziert, Stellen zu besetzen, sagt Rebecca Schmidt. Im Ruhrgebiet etwa seien längst nicht solche Anstrengungen nötig wie im Siegerland, in Wittgenstein oder in Ostwestfalen-Lippe. Rebecca Schmidt war während ihrer Ausbildung unter anderem im Ruhrgebiet, „ich bin aber extra zurückgekommen“, sagt sie über das Siegerland. „Ich bin hier auch theologisch zu Hause.“ Aufgewachsen ist sie in Alchen, im Pfarrhaus. Ihr Vater war Pfarrer, „trotzdem wollte ich es eigentlich nie werden“. In der Abiturphase habe sie aber ein sehr persönliches Berufungserlebnis gehabt, schrieb sich danach für ein Lehramtsstudium mit Biologie, Deutsch und Religion ein und wechselte noch im ersten Semester zur Theologie.

Roman Knerr (links) filmt Pfarrerin Rebecca Schmidt aus Wilnsdorf  in ihrem Alltag: Im Video soll ein authentisches Bild vermittelt werden. 
Roman Knerr (links) filmt Pfarrerin Rebecca Schmidt aus Wilnsdorf in ihrem Alltag: Im Video soll ein authentisches Bild vermittelt werden.  © Privat

Das Video gründet auf einem Interview, in dem sie über ihren Hintergrund, ihre Arbeit und die Region spricht. Diese O-Töne sind auch unter die Bilder gelegt, die sie bei ihrer Arbeit zeigen, etwa im Repaircafé oder jüngst beim Pfingstgottesdienst unter freiem Himmel. Gestellt oder inszeniert ist nichts, „alles orientiert sich an meinem Terminkalender“. Die Interviewfragen hat sie sich im Vorfeld nicht geben lassen, ihre Antworten sollten spontan sein. Es geht im Projekt um Authentizität. Klar – das sagen immer alle. Aber in diesem Fall ist es echt, ist es spürbar. Das liegt auch an der Arbeitsweise von Roman Knerr. Der Filmemacher habe sich im Hintergrund gehalten, habe beobachtet, „er stand mit der Kamera nicht zwei Zentimeter vor meiner Nase“. Beim Gottesdienst, sagt Rebecca Schmidt, habe sie zeitweise vergessen, dass er überhaupt da war. „Er hat es mir sehr leicht gemacht. Ich habe einfach Gottesdienst gefeiert.“

Siegen-Wittgenstein: Kirche und Gemeindearbeit befinden sich im Wandel

Gemeindearbeit, auch das ist ein Thema, verändert sich derzeit sehr. Es gehe „ein bisschen weg vom Pfarrer oder der Pfarrerin als zentraler Figur“, sagt Rebecca Schmidt, hin zu interdisziplinären Teams, in denen Ehrenamtliche mehr Aufgaben übernehmen. Auch die Zusammenarbeit über Gemeinde- und Konfessionsgrenzen hinaus werde wichtiger. Das hängt mit dem Wandel in der Kirche allgemein zusammen, mit kleiner werdenden Gemeinden und dadurch erforderlichen Fusionen etwa. Gegenüber früheren Zeiten ändert sich Einiges, doch Rebecca Schmidt schreckt das nicht, im Gegenteil: Sie sieht die Chancen.

Früh vorsorgen

Das Siegerland wirkt polarisierend, ist Rebecca Schmidt überzeugt. „Es gibt wohl nur zwei Kategorien von Menschen hier: entweder, sie verlieben sich in die Region. Oder sie sind schnell wieder weg.“

Bei allen Bemühungen sei zu bedenken, dass der Vorlauf sehr lang sei. Wer heute ein Theologiestudium beginne, werde erst in knapp zehn Jahren eine Pfarrstelle antreten. Gerade deshalb ist es äußerst wichtig, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um Nachwuchs zu gewinnen.

„In meiner Ausbildung wurde ich ganz klar auf die Arbeit in Teams vorbereitet. Ich erlebe es auch als entlastend, dass ich Kollegen habe.“ In der Gemeinde Rödgen-Wilnsdorf ist das Pfarrer Christoph Otminghaus. Wichtig sei es, die Gemeinde bei allen Schritten mitzunehmen. Und wichtig sei es ebenso, neue Wege zu gehen, um Menschen von außerhalb die vielen Vorzüge, die eine Pfarrstelle im Siegerland hat, zu vermitteln. Das Video, das voraussichtlich Anfang Juli erscheint, soll dazu einen Beitrag leisten. Eine überzeugende Hauptperson hat es jedenfalls.

Die Videos gibt es auf kirchenkreis-siegen.de und auf dem YouTube-Kanal des Kirchenkreises.

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