Siegen-Wittgenstein. Kultur Pur, Lyz, Apollo: Die Siegen-Wittgensteiner CDU-Kreistagsfraktion sieht zumindest Diskussionsbedarf über zukunftsfähige Konzepte.
Die CDU-Kreistagsfraktion will über die künftige Ausrichtung der Kulturpolitik in Siegen-Wittgenstein diskutieren. Kreisverwaltung und Kulturbüro haben ein Kulturelles Leitbild für Siegen-Wittgenstein vorgelegt, als „Bestandsaufnahme“, auf deren Basis man sich auf prägnante Punkte der kulturellen Arbeit im Kreis fokussieren könne, so Landrat Andreas Müller im Kulturausschuss. Der CDU ist das an manchen Punkten zu wenig.
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Konzept: Besonderheiten und Herausforderungen Siegen-Wittgensteins berücksichtigen
Das Leitbild beschreibt das, was im Kultursektor für Siegen-Wittgenstein wichtig ist: Chöre, Posaunenchöre, die Philharmonie, Kultur Pur, Museen, Freak Valley, PUSH, Archive, Jazz und Blues, das Vortex, das Lyz, Tollmut- oder Bruchwerk-Theater, zu dem die Menschen durch ihr Engagement oder als Besucher von Veranstaltungen Kontakt haben. „Kultur nicht nur im Hinblick auf ein familienfreundliches, lebenswertes Umfeld als obligatorisch zusehen, sondern auch im Wettbewerb der Regionen als ein unabdingbarer Standortfaktor.
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„Darüber hinaus ist Kulturarbeit in diesem Zusammenhang als wirtschaftspolitische Maßnahme zu verstehen, die der Erwartungshaltung der heimischen Unternehmen Rechnung trägt“, heißt es darin. Auf Basis der Kulturarbeit heute sollen Perspektiven aufgezeigt werden, die Besonderheiten und Herausforderungen der Region berücksichtigen und so attraktive kulturelle Angebote auch abseits der Ballungszentren weiter zu etablieren.
Orientierungsrahmen für künftige Kulturarbeit in Siegen-Wittgenstein
Als „Orientierungsrahmen für die künftige Kulturarbeit im Kreis“ bezeichnete Jochen Schreiber (SPD) das Leitbild. Und wählte eine nautische Metapher: Verglichen mit der Seefahrt gleiche es einer Seekarte, als Navigations- und Orientierungshilfe. Was fehle, seien Fahrwassertonnen, die eine genaue Navigation ermöglichen. „Wir sollten künftig als Tonnenleger unterwegs sein.“
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„Auf dieser Basis, des Ist-Zustandes können wir vertiefend gestalten“, meinte auch Rainer Danier (Grüne), gerade mit Blick auf junge Aktive, die man stärker einbinden solle. „Dieses Leitbild ist in keiner Form abgeschlossen“, sagte Winfried Schwarz (SPD) – man habe eine Basis, auf der man arbeiten könne. Die junge Theaterszene, Rock und Pop stärker in den Blick zu nehmen, betonte auch Michael Plügge (SPD). „Zum Leitbild zählen auch progressive Kulturformen.“
Kritik und Reaktionen
„Vielleicht ist das zu sehr eine Status-Quo-Betrachtung und zu wenig in die Zukunft gerichtet“, so Hermann-Josef Droege (CDU). Ganz offensichtlich hätten andere Akteure in näherer und auch weiterer Umgebung damit begonnen, Siegen-Wittgensteiner Konzepte, „die bei uns gute Tradition geworden sind“, zu kopieren.
Kritikpunkt: Mit Blick auf Biggesee-Open-Air Kultur Pur neu aufstellen?
Er nannte etwa das Biggesee-Open-Air am Sonderner Kopf, unter anderem mit Mark Forster und Silbermond, als Konkurrenz zu Kultur Pur. Problematisch für die öffentlichen Kassen seien in dem Zusammenhang auch die „exorbitanten Gagenentwicklungen“ bei vielen namhafteren Künstlern. Das Biggesee-Open-Air sei keine Kultur-Pur-Kopie, aber angesichts der ebenfalls kommunal getragenen Bautz-Festivals in Lüdenscheid oder dem Bergbeats-Festival Hohe Bracht in Lennestadt müsse man sich schon fragen, wo Kultur Pur künftig stehe, was man ändern und ausbauen könne, meinte Festivalgründer Wolfgang Suttner (CDU).
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Reaktion: Ein Event an der Bigge als Kultur-Pur-Kopie zu sehen, falle ihm schwer, entgegnete Landrat Müller. Mit Dietmar Harsveldt habe das Festival einen renditeorientierten Veranstalter, der zwar Künstler buche, die potenziell auch für Kultur Pur geeignet seien. „Kultur Pur hat aber einen ganz anderen Anspruch. Das kann man nicht an zwei, drei Topacts festmachen. Kultur Pur macht mehr aus. Wir haben viel mehr als nur einen Chart-Topact.“ Was private Veranstalter organisieren obliege nicht der Gestaltungskraft des Kreises Siegen-Wittgenstein. „Das ist eine ganz andere Liga“, meinte auch Holger Glasmachers. „Der Betreiber rechnet in Kategorien von bis zu 20.000 Menschen vor der Seebühne.“ Für Kultur Pur sei das nicht zu stemmen, „da wird Kultur Pur nicht hinkommen.“ Vielmehr sei man gut beraten, wenn an dem, was 30 Jahre gut funktioniert habe, nur am Detail gefeilt und das Rad nicht neu erfunden werde. „Die Leute werden emotional gepackt“, verwies er auf das Familienprogramm, „die Leute lieben dieses Festival.“
Kritikpunkt: Kulturhaus Lyz in Trägerschaft des Kreises Siegen-Wittgenstein?
Auch das Lyz gehöre zumindest einmal auf den Prüfstand gestellt, so Droeges Anregung: Nämlich ob es immer noch Aufgabe des Kreises sein müsse, das Kulturhaus zu unterhalten. „Seinerzeit gab es vergleichbare Spielstätten nicht.“ Sukzessive seien aber seither andere Angebote im Siegerland entwickelt worden. „Das Lyz in Zuständigkeit des Kreises sollten wir nach dieser langen Zeit zumindest diskutieren.“
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Reaktion: Natürlich müsse das Lyz ständig weiterentwickelt werden, sagte Andreas Müller. Aber der Ansatz, neben bekannteren „Programmsäulen“ lokalen Akteuren ein professionelles Umfeld zu bieten sei für das Kulturhaus elementar und dieser Ansatz nach wie vor wichtig in der Siegen-Wittgensteiner Kulturszene. Diesen Ansatz wolle er auch nicht in Frage stellen, sondern nur darüber diskutieren, ob das in Trägerschaft des Kreises passieren solle, so Droege.
Kritikpunkt: Apollo-Theater Siegen wirkt sich auf umliegende Kommunen aus
Dass seit Gründung des Apollos die Kommunen mit ihren Kulturveranstaltungen, etwa Tournee-Theatern, unter Druck geraten seien, mochte Holger Glasmachers, als Vorsitzender des Kulturrings zuständig für die Koordination zwischen Siegener Bürgertheater und den Umlandkommunen, so nicht stehen lassen. Droege hatte einen „deutlichen Rückgang der Abo-Zahlen in den Kommunen“ auch auf die starke Konkurrenzwirkung des Apollo zurückgeführt: „Die Städte und Gemeinden haben ihre Schwierigkeiten.“
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Reaktion: Das Apollo sei vertraglich festgelegt, sich jährlich mit dem Kulturring als Vertreter der Kommunen abzustimmen, um Programm-Dopplungen zu vermeiden, so Andreas Müller dazu. „Das Apollo macht keine Kleinkunst, kein Kabarett, keine Comedy und stimmt Tourneetheater mit anderen ab“, betonte Glasmachers. Die kommunalen Kulturgemeinden hätten das Vorgriffsrecht – müssten das aber auch tatsächlich dem Apollo mitteilen.
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