Meschede. Drei Landschaftsarchitekten schauen von außen auf die Stadt und sehen mit professionellem Blick Vorzüge und Schwächen. Wir haben die Landschaftsarchitekten Lorenz Kehl (Büro Loidl/NRW) sowie Maria Pegelow und Rudolf Kaufmann (Büro Kubus/Wetzlar) befragt, wie sie Meschedes Qualitäten beurteilen.
Sie haben den professionellen Blick von außen und beschäftigen sich als Landschaftsarchitekten tagtäglich mit der Verschönerung von Innenstädten: Lorenz Kehl (Büro Loidl/NRW), Maria Pegelow und Rudolf Kaufmann (Büro Kubus/Wetzlar). Das Büro Kubus plant die Umgestaltung des Henneparks hinter dem Kreishaus, Lorenz Kehl war Ansprechpartner für die Umbauten am Winziger Platz. Beide Büros gewannen den zugehörigen Wettbewerb für den Umbau der Innenstadt.
Sie haben die Stadt bei verschiedenen Besuchen erlebt. Welchen Eindruck machte Meschede auf Sie?
Maria Pegelow: Einen relativ entspannten. All jene, denen ich bisher begegnet bin, waren sehr zuvorkommend, ohne Allüren und relativ offen. Die Stadt ist von ihrer Größe her überschaubar, aber sie bietet verschiedene Lebensqualitäten. In der Fußgängerzone war immer einiges los. Das ist in vielen Brandenburger Städten ähnlicher Größenordnung anders. Insgesamt wirken die Bewohner von Meschede meist fröhlich und irgendwie eins mit ihrer Stadt.
Auch interessant
Rudolf Kaufmann: Nach wie vor eine lebendige Stadt mit „sauerländischem“ Flair, geprägt von den umgebenden landschaftlichen Gegebenheiten. Speziell in der Innenstadt fehlte mir immer eine gewisse gestalterische Leitidee für die Begrünung mit Bezug auf die örtlichen Gegebenheiten; manches wirkt lieblos funktional. Aber einiges ändert sich ja nun.
Lorenz Kehl: Ich hatte auch grundsätzlich einen guten Eindruck. Aus stadtplanerischer Sicht jedoch fällt mir ein Investitionsstau im innerstädtischen Kern auf. Man gewinnt den Eindruck, dass die Stadt in der Vergangenheit vor allem dem Auto viel Platz eingeräumt hat und die Menschen dabei ein wenig zu kurz gekommen sind.
Herr Kehl, Ihr Büro hat auch Siegen geplant. Was sind die wichtigsten Unterschiede?
Kehl: Eigentlich gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, auch dort geht es darum, durch die Öffnung der Sieg die Attraktivität zu steigern.
Städte profitieren von Flüssen: Haben Sie Ähnliches schon in anderen Orten erlebt?
Kehl: Aktuell verlegen wir im Rahmen der Regionale 2010 in Bergisch Gladbach einen kleinen Fluss ganz neu durch die Innenstadt, der angrenzende Parkplatz wird zur Parklandschaft. Dort entstehen neue Baugebiete, die schon jetzt bei jungen Familie sehr beliebt sind.
Die Mescheder selbst sind die schärfsten Kritiker ihrer Stadt. „Nichts los, hässlich, provinziell, verbaut, unattraktive Innenstadt“, um nur ein paar Dinge zu nennen. Was haben Sie als hübsch und erhaltenswert erlebt?
Maria Pegelow: Die Tatsache, dass die Stadt von zwei Flüssen durchflossen wird, birgt ein großes Potenzial. Die Entscheidung, die Henne in der Stadt freizulegen, war eine hervorragende Idee. Das verbessert das Mikroklima nicht nur im ökologischen, sondern auch im „psychologischen“ Sinne: Ein Fluss - nein, sogar zwei Flüsse - durch die Stadt! So gibt es die Chance für viele markante Schnittstellen zwischen Stadt und Fluss. Das sorgt für Identität und Frische. Die umgebende Landschaft ist durch die Höhenunterschiede, Wälder, den Hennesee und die verschiedenen Blicke sehr reizvoll. Überall in der Stadt kann man die landschaftliche Umgebung spüren. Das ist etwas Besonderes.
Schwächen sind mangelndes Leitsystem - Leeres Hertie-Gebäude eine Hypothek
Sie sehen auf Meschede mit dem professionellen Blick von außen: Wo sehen Sie die Schwächen und Stärken der Stadt?
Maria Pegelow: Soweit ich das beurteilen kann... Stärken: der Optimismus, der zum Teil vielleicht auch durch die bevorstehende Regionale zustande kommt; die zwei Flüsse, die grüne Umgebung mit See; fußläufig ist alles schnell erreichbar. Schwächen sind ein mangelndes Leitsystem.
Rudolf Kaufmann: Die Stadtentwicklung in jüngerer Zeit gibt der Stadt sicherlich einen enormen Aufschwung. Stärken und Schwächen unterliegen ohnehin einem ständigen Wandel. Insofern sollte die Stadt bereit sein, den eingeschlagenen Weg weiterzuführen und den jeweiligen Wandlungen aktiv durch die Entwicklung interdisziplinärer städtebaulicher Leitbilder eine Prägung zu geben.
Lorenz Kehl: Die größte Stärke der Stadt ist sicherlich das Leben am Wasser, also an Ruhr, Henne und Hennesee. Aber auch, dass das Leben im Grünen stattfindet. Das leer stehende Hertie-Gebäude sehe ich als echte Hypothek. Ich halte es für ungemein wichtig, dass dort wieder Leben einzieht. Davon würde die ganze Stadt profitieren. Das muss man sich bewusst machen.
Welche Ecken würden Sie dringend noch mal angehen?
Maria Pegelow: Wie komme ich mit dem Zug in Meschede an? Wie komme ich zum Zentrum, zum Kloster oder zum Hennesee? Das ist ziemlich unklar. In diesem Zusammenhang eine übergeordnete Struktur im Sinne eines „Henneboulevards“ einzuführen, erscheint mir schon mal sehr sinnvoll. Der Fußgängerzone mangelt es eindeutig an einheitlicher Gestaltung. Es gibt hier viel zu viele Materialien, vieles wurde je nach Bedarf situativ zusammengestückelt. Und etwas mehr Grün wäre nicht schlecht.