Meschede. . Im ersten Teil unseres Sommer-Interviews hat Bürgermeister Uli Hess seinen Politikern als Schulnote eine „Drei“ gegeben. Er wünscht sich insgesamt mehr Diskussionskultur in Meschede.
Nehmen wir Freienohl, die Diskussion um das Feuerwehrgerätehaus. Da hatten wir so einen Dialog, der durchaus kritisch für Sie ausfiel...
Gerade in Freienohl gab es immer den Dialog, durchaus kritisch, gar keine Frage...
...schätzen Sie das?
Ausdrücklich: Ich schätze das sehr wohl. Denn Politik ist nicht immer eine Veranstaltung, in der man es allen Recht machen kann. Besonders dann ist Geradlinigkeit gefragt.
Zum Umgang mit dem Bürger: Charakterisieren Sie doch einmal den Mescheder.
Den Mescheder? Die Menschen hier sind so vielfältig wie an allen anderen Orten auch. Was ich spüre, ist, dass manche Menschen sehr kritisch sind und oft Dinge im Voraus zu wissen glauben, die sich gerade erst in der Entwicklung befinden...
...dann ist der Mescheder weitsichtig?
...möglicherweise (lacht). Möglicherweise ist das aber auch ein Misstrauen, weil man sich manche Dinge einfach nicht vorstellen kann. Wenn die Dinge in der Realisierungsphase dann umgesetzt worden sind, finden sie aber in der Regel großen Zuspruch.
Was kommt nach den Regionale-Projekten? Gibt es eine Stadtentwicklung auch nach der Henne-Öffnung? Stichwort Leerstand an der Steinstraße.
Es gab eine Stadtentwicklung vor der Henne-Öffnung und es gibt sie auch danach. Stadtentwicklung ist ein komplexes Thema, ein immerwährender Prozess, der sich entwickelt wie eine Gesellschaft selbst. Nach dem Krieg kam der Wiederaufbau, dann die autogerechte Stadt, jetzt kommt die Feinarbeit. Für mich ist es wichtig, dass die Gesamtstadt gesehen wird. Die Bedürfnisse werden immer anders: Wir werden immer älter, aber leider immer weniger. Stadtplanung muss sich immer wieder neu nach den Bedürfnissen der Bürger ausrichten.
Meschede verliert weiter an Bevölkerung. Wie schlimm wird der demografische Wandel wirklich? Lässt sich zum Beispiel durch ein Bündnis für Familien gegensteuern?
Dieses Bündnis ist wichtig. Wir haben schon einiges Positives bewirken können. Ob wir den Rückgang der Bevölkerung stoppen können, das werden wir in den nächsten Jahren sehen. Aber wir müssen realistisch bleiben: Es wäre für uns schon ein Erfolg, die Bevölkerungszahl halten zu können. Wir müssen in der Politik wie in der Bevölkerung deutlich machen, welche Stärken eine kleinere Stadt im Grünen mit all ihren Potenzialen bei Arbeitsplätzen und in der Bildungslandschaft bedeutet. Jüngere Menschen finden all das hier - und das, im Unterschied zu den Ballungszentren, zu einem vertretbaren Preisniveau. Warum soll man das nicht propagieren?
Haben Sie eine Vision für Meschede, sagen wir 2050?
Wenn wir realistisch sind, ist es wenig wahrscheinlich, dass wir auf über 30 000 Einwohner kommen werden. Wir sind jetzt bei etwa 31 000. Aber wenn es uns gelingt, diese Zahl dann mit den kleineren Kommunen rundherum zu halten, dann hätten wir gute Arbeit geleistet.
Was tut die Stadt für Senioren? Ist an eine zentrale Anlaufstelle für Senioren gedacht?
Das wäre eine Möglichkeit. Das gehört zu dem Bündnis für Familie dazu, denn das ist ja generationsübergreifend zu sehen. Schon jetzt bringt sich der Seniorenbeirat um Manfred Breider sehr stark etwa beim Wohnprojekt im Rinschen Park ein. Vielleicht kann damit schon im nächsten Jahr begonnen werden. Wenn wir deutlich machen, wir gehen auf die Wünsche der Älteren auch ein, dann ist das für mich der richtige Ansatz. Der Bürger ist mündiger als früher. Deshalb wird mehr artikuliert und gefordert. Wenn man dann auch bereit ist, sich einzubringen, kann ich das nur begrüßen.
Wie wollen Sie die Stadt finanziell wieder flott machen?
Wir haben 2011 unser Zehn-Jahres-Programm beschlossen, um mit einer ganz konsequenten Haushaltsführung aus dem Nothaushalt herauszukommen. Es dürfen keine falschen Erwartungen geweckt werden - nur das Notwendige ist möglich. Aber das, was wir jetzt zukunftsgerichtet umsetzen um Kaufkraft zu binden - etwa bei den Regionale-Projekten oder dem Gewerbegebiet Enste-Nord, wird Früchte tragen. 2021 wird der Haushaltsausgleich erreicht sein.
Bitte nur einen Satz: Zum Stichwort Hertie.
Die Immobilie muss und wird reaktiviert werden.
Ein Satz zum Leerstand in der Stadt.
Der ist überschaubar bei der Geschäftsnutzung, definitiv.
Und das ehemalige Arbeitsamt?
Ein Thema, das mich ärgert. Da sieht man, wie eine Bundesanstalt für Immobilienmanagement mit solch kleineren Immobilien auf dem Land umgeht. Man hätte längst eine Lösung haben können. Die ist nur an den Preisvorstellungen gescheitert.
Kaufen Sie es doch auf...
So einfach ist das leider nicht. Wir sind ja im Gegenteil bemüht, uns von unserem Immobilienbestand zu trennen, uns nur noch auf das Notwendigste zu konzentrieren. Ziel müssen hier Privatinvestitionen sein. Sehen Sie doch auch die Hertie-Immobilie: Wir würden uns bei weitem nicht so da reinhängen, wenn nicht auch die Stadthalle davon betroffen wäre. Man muss auch die Grenzen einer Kommune sehen.
Ihre Meinung zu Martinrea-Honsel?
Martinrea wird Meschede als Standort halten. Es bleibt ein Produktionsstandort im Kontext des weltweiten Konzerns, nicht mehr und nicht weniger. Was wir bisher unter Honsel kannten, gehört der Vergangenheit an. Hier wird produziert im Konzernwettbewerb wie auch mit Mitbewerbern. Man wird auch zu der bekannten Qualität und eines Tages auch zur Ruhe in der Belegschaft zurückkehren.