Meschede. Scharlach-Erkrankungen in Sauerland: Gerade Kinder sind betroffen. Das Antibiotikum Penicillin ist jedoch Mangelware in den Apotheken.
Fieber, rote Wangen, Erdbeerzunge, Halsschmerzen - viele Kinder im Hochsauerlandkreis sind aktuell an Scharlach erkrankt. Vor allem Kindergartenkinder sind von der Infektionskrankheit, die sich über Tröpfchen-Infektionen überträgt, betroffen. Auch in Meschede gibt es einige Fälle. In den Arztpraxen werden täglich Abstriche gemacht.
39 Fälle im HSK
Die Zahlen: Schulen und Kindergärten im HSK haben im Januar 39 Scharlachfälle an das Gesundheitsamt gemeldet, 16 davon in Meschede. Eine Meldepflicht für Ärzte, Labore oder Krankenhäuser gibt es bei dieser Krankheit nicht, weshalb die tatsächliche Fallzahl höher liegen kann.
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Behandelt wird die Infektion, die durch A-Streptokokken ausgelöst wird, mit dem Antibiotikum Penicillin. Doch hier gibt es einen bundesweiten Engpass. „Wir haben aktuell noch Restbestände auf Lager, können aber keinen Nachschub bestellen“, erklärt beispielsweise Rudolf Wilmers von der Gartenstadt-Apotheke am Lanfertsweg.
Am ehesten ist laut Kreisgesundheitsamt noch die Arznei „Infectocillinsaft 300 I.E./5 ml“ lieferbar. „Bestellungen über die Großhändler sind zurzeit nicht möglich. Alternativ sind vereinzelt noch Tabletten lieferbar, die gegebenenfalls bei älteren Kindern genutzt werden könnten“, erklärt Martin Reuther, Pressesprecher des Hochsauerlandkreises.
Auch in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums Hochsauerland ist der Antibiotika-Engpass zu spüren. „In der stationären Versorgung greifen wir aber in der Regel auf Medikamente zurück, die intravenös verabreicht werden. Daher können wir den Engpass bisher kompensieren“, sagt Dr. med. Jila Schauerte, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Hochsauerland.
Vier Apotheken abgefahren
Eltern aus Meschede berichten, dass sie teilweise bis zu vier Apotheken in Meschede und Bestwig anfahren mussten, um das verschriebene Medikament zu erhalten. Am Wochenende wurden die Wege dann noch weiter. Eltern, deren Kinder beispielsweise am Wochenende im Notdienst des Klinikums Hochsauerland in Hüsten positiv getestet wurden, wurden zu Apotheken in Menden, Iserlohn oder Bestwig-Ramsbeck geschickt. Im Arnsberger Raum war nämlich kein Penicillin verfügbar.
Ansteckungsgefahr
Doch warum überhaupt zum Notdienst? Der Faktor Zeit spielt bei der Therapie eine Rolle. Wird Scharlach mit Penicillin (oder einem anderen Antibiotikum) behandelt, besteht schon 24 Stunden nach der ersten Einnahme keine Ansteckungsgefahr mehr, heißt es seitens des Kreisgesundheitsamtes in Meschede. Und weiter: „Ohne Antibiotikatherapie sind Erkrankte bis zu drei Wochen nach der ersten Beschwerde ansteckend. Auch Erwachsene können erkranken.“
Gut zu behandeln
Scharlach ist in der Regel ambulant behandelbar und nur wenige Kinder erkranken so schwer, dass sie stationär versorgt werden müssen. „Dennoch verzeichnen wir in der Klinik für Kinder und Jugendmedizin des Klinikums Hochsauerland aktuell eine saisontypisch erhöhte Anzahl an Streptokokken-Infektionen sowie auch Influenza- und virale Luftwegsinfektionen“, so Chefärztin Jila Schauerte.
Massive Engpässe
Bundesweit beklagen die Kinderärzte massive Engpässe bei Penicillin. „Das ist deshalb so gefährlich, weil Penicillin das beste Antibiotikum gegen Streptokokken-Infektionen ist“, erklärte beispielsweise Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Wenn die Kinderärzte auf breiter angelegte Antibiotika ausweichen müssten, werde die Gefahr von Resistenzen erhöht.
Gute Nachricht
Vor einem Jahr hatte es auch Engpässe bei Fiebersäften für Kinder mit den Schmerzmitteln Paracetamol und Ibuprofen gegeben. Diese seien nun wieder bestellbar, erklärt der Mescheder Apotheker Rudolf Wilmers.
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Gründe für die Liefer-Engpässe
Gründe für die Engpässe sind vielfältig: „Häufig sind Produktionsprobleme der Auslöser für einen Lieferengpass, zum Beispiel, wenn Herstellungsprozesse aufgrund von Qualitätsproblemen umgestellt werden, Ware nicht freigegeben werden kann oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssen. Vor allem, wenn beispielsweise für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt nur wenige Hersteller vorhanden sind, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass entwickeln kann“, zählt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf. Viele Medikamente werden in China oder Indien produziert. Das Schmerzmittel Ibuprofen wird in Europa gar nicht mehr hergestellt. Die einzige europäische Penicillin-Fabrik steht in Tirol.