Meschede. Gesundheitsminister Lauterbach will Homöopathie-Erstattung der Krankenkassen kappen. Arzt und Apotheker aus Meschede sprechen Klartext.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch gesetzliche Kassen streichen. „Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn. Auch den Klimawandel können wir nicht mit Wünschelruten bekämpfen. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein“, schreibt er auf Online-Plattform X (früher Twitter).

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Unnötige Ausgaben vermeiden

Wie der „Spiegel“ berichtete, verschickte Lauterbachs Ministerium ein Empfehlungspapier an andere Ministerien, in dem mögliche Einsparungen bei der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgelistet werden. Darin heißt es dem Bericht zufolge: „Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden.“ Und weiter: „Aus diesem Grund werden wir die Möglichkeit der Krankenkassen, in der Satzung auch homöopathische und anthroposophische Leistungen vorzusehen, streichen und damit unnötige Ausgaben der Krankenkassen vermeiden.“ Zusatzversicherungen sollten aber weiter möglich sein.

Option prüfen

Schon im vergangenen Jahr hatte Lauterbach angekündigt, diese Option zu prüfen. Laut „Spiegel“ hatte er damals erklärt, durch die Maßnahme würden höchstens zehn Millionen Euro eingespart. Das Bundesgesundheitsministerium teilte später demgegenüber mit, man gehe von Einsparungen zwischen 20 und 50 Millionen Euro aus.

Allerdings sind Globuli, Schüssler Salze und Co. bei vielen Patienten beliebt. Deshalb haben wir verschiedene Parteien um ein Statement gebeten.

Das sagt der Hausarzt

Jörg Tigges, Sprecher der Hausärzte in Meschede, erklärt, dass die Homöopathie von vielen Patienten genutzt werde. „Diese Patienten berichten auch oft über eine subjektiv empfundene Wirkung. Bis heute gibt es aber keine validierten Studien, die eine Wirkung belegen“, berichtet Tigges.

Dr. med. Jörg Tigges, Hausarzt und Sprecher der Mescheder Ärzte.
Dr. med. Jörg Tigges, Hausarzt und Sprecher der Mescheder Ärzte. © Meschede | Ute Tolksdorf

„Die Krankenkassen dürfen nur Leistungen erstatten, die medizinisch notwendig, ausreichend und wirtschaftlich sind. Diese Leistungen müssen evidenzbasiert sein, es wird also bei jeder Leistung geprüft, ob ein Nutzen über validierte Studien objektiv nachvollziehbar ist. Nicht nur die Homöopathie steht hier auf dem Prüfstand. Jede medizinische Behandlung wird nach den obengenannten Kriterien geprüft und auch gegebenenfalls aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen, wenn die Kriterien der Evidenz nicht erfüllt sind. Dieses Vorgehen ist auch zwingend notwendig und gerecht, da alle Beitragszahler dafür bezahlen“, so Tigges.

Das sagt die KVWL

Stefan Kuster, KVWL-Pressesprecher
Stefan Kuster, KVWL-Pressesprecher © Handout | Ho

Stefan Kuster, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) ordnet zunächst den rechtlichen Rahmen ein: „Bei der KVWL bestehen bereits vor Jahren abgeschlossene Verträge zur Versorgung mit klassischer Homöopathie. Dabei handelt es sich um Selektivverträge der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit einzelnen Krankenkassen, die in ihren Satzungen homöopathische Leistungen vorsehen. Diesen Verträgen ist die KVWL beigetreten, sie müssten bei Änderung der Gesetzeslage angepasst bzw. sehr wahrscheinlich beendet werden.“

Medizinisch nicht unumstritten

Zur Rolle der Homöopathie in den Hausarztpraxen: „Selbstverständlich ist das Thema medizinisch nicht unumstritten. Gleichwohl vertritt die KVWL alle Mitglieder, auch die mit entsprechender Zusatzqualifikation im Bereich Homöopathie. Zudem fragen Patientinnen und Patienten das Angebot weiterhin nach, das ihnen angesichts der Inanspruchnahme offenbar gesundheitlichen Nutzen zu bringen scheint.“

Eine Neubewertung sei jedoch nicht ausgeschlossen. „Aktuellen bundesweiten Meldungen zufolge planen Berufsverbände bereits, sich zum weiteren Vorgehen hinsichtlich der Aussagen des Bundesgesundheitsministers abzustimmen. Diesen und weiteren Aktivitäten auf Bundesebene wollen wir nicht vorgreifen“, erklärt Kuster.

Das sagt der Apotheker

Apotheker Rudolf Wilmers vor seiner Gartenstadt-Apotheke.
Apotheker Rudolf Wilmers vor seiner Gartenstadt-Apotheke. © WP | Ute Tolksdorf

„Meine Apotheke ist speziell auf pflanzliche, biochemische und homöopathische Themen ausgerichtet. Wir erhalten die Resonanz, dass die Mittel helfen und gut sind“, erklärt Rudolf Wilmers, Inhaber der Gartenstadt-Apotheke am Mescheder Lanfertsweg.„Beispielhaft werden homöopathische Augentropfen gern für Kinder von Ärzten und Apothekern empfohlen und stellen oft eine wirksame Wahl dar. Rückmeldungen in meiner Apotheke belegen oft die Wirksamkeit“, so Wilmers.

Solche Erfahrungsberichte und Heilungsgeschichten würden jedoch für Schulmediziner-Lauterbach keine Rolle spielen. Das Ziel der Kosteneinsparung hält Wilmers prinzipiell für richtig und äußerst notwendig. „Da gibt es aber ganz andere Einsparpotentiale als die Streichung der Homöopathie als Kassenleistung.“

Den Begriff des „homöopathischen Sparens“ findet der Apotheker in diesen Zusammengang treffend. Ein Großteil seiner Kunden zahlt die homöopathischen Mittel wie Globuli oder biochemischen Mittel, zu denen die Schüssler Salze gehören, aus eigene Tasche.

Das sagt die Krankenkasse

Tom Ackermann, AOK-Vorstandsvorsitzender.
Tom Ackermann, AOK-Vorstandsvorsitzender. © Verein | Privat

Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest, äußert sich in einem politischen Statement folgendermaßen: Die Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Stabilisierung der Kassenfinanzen seien „homöopathisch dosiert“. Die Streichung von Satzungsleistungen zur Homöopathie falle finanziell kaum ins Gewicht.

Sinnvoll, aber nicht beschlossen

„Gleichzeitig werden die seit Jahren geforderten Maßnahmen einer auskömmlichen Finanzierung von Beiträgen für Bürgergeld-Beziehende oder einer Dynamisierung von Bundesmitteln für versicherungsfremde Leistungen vom BMG grundsätzlich zwar befürwortet, aber mit Verweis auf die Haushaltslage auf unbestimmte Zeit verschoben. Ansonsten werden Pläne zu Strukturreformen präsentiert, die zwar sinnvoll, aber längst noch nicht beschlossen sind und kurzfristig auch keine kostendämpfende Wirkung erzielen werden“, ärgert sich Ackermann über die Vorgehensweise.

Prinzip Hoffnung regiert

Auf der anderen Seite führe das BMG Gespräche mit Arzneimittelherstellern, Kliniken und Ärzten, wecke dabei weitere Begehrlichkeiten und macht finanzielle Versprechungen auf Kosten der beitragszahlenden Arbeitgeber und Versicherten. „Offenbar regiert finanzpolitisch gerade das Prinzip Hoffnung. Konsistente Politik zur Beitragssatzstabilisierung sieht anders aus. Die Ampelkoalition ist jetzt gefordert, für dauerhaft stabile Kassenfinanzen zu sorgen und die angekündigten Reformgesetze im Gesundheitswesen endlich auf den Weg zu bringen. Dazu gehören neben der ins Stocken geratenen Krankenhausreform vor allem die Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes. Diese sind dringend notwendig, um die knappen Mittel und Ressourcen im Gesundheitswesen effizienter einzusetzen. Denn: Es ist prinzipiell genügend Geld im System.“