Meschede. Die Opferschutz-Experten der Mescheder Polizei betreuen auch Opfer sexueller Straftaten. Was sie erleben und was den Frauen hilft.

Kriminalhauptkommissar Oliver Milhoff ist im HSK im Opferschutz tätig. Wir sprachen mit ihm unter anderem über die Auswirkungen der Kölner Silvesternacht 2015.

Lesen Sie auch

Stichworte Kölner Silvesternacht, Me-too-Bewegung, Till Lindemann - melden sich Opfer sexueller Übergriffe seitdem häufiger oder schneller bei der Polizei?

Anlässe wie beispielsweise die Kölner Silvesternacht 2015 haben in der Regel nur eine kurze Beeinflussung auf unser Verhalten. Damals hat zum Beispiel eine Art „Aufrüstung“ in der Bevölkerung stattgefunden. Das Tierabwehrspray war Anfang 2016 zeitweise ausverkauft, Beitritte in Schützenvereinen, Interesse an Selbstverteidigungskursen und sogar Anträge auf den kleinen Waffenschein stiegen in die Höhe.

KHK Oliver Milhoff, Polizei HSK
KHK Oliver Milhoff, Polizei HSK © WP | Polizei HSK

Wie helfen Sie den Frauen nach der Tat und auch später? Worum geht es zunächst?

Es gilt, die betreffende Person möglichst schnell zu stabilisieren. Je besser es der Frau körperlich und seelisch geht, desto eher wird sie in der Lage sein, das Erlebte zu bewältigen! Ein möglicher weiterer Kontakt zu dem Täter oder der Täterin sollte unterbunden werden. Der Polizeiliche Opferschutz unterstützt die Frau, den Kontakt zu Hilfeeinrichtungen zu herzustellen.

Wie können die Frauen sich nach solchen Übergriffen selbst helfen?

Als Geschädigte kann man grundsätzlich vieles eigenständig erledigen. Was in welcher Reihenfolge zu erledigen ist, kann nicht pauschalisiert beantwortet werden. Es hängt sowohl vom Sachverhalt, als auch vom jeweiligen Opfertyp ab. Äußerliche Einflüsse wie familiärer Zusammenhalt, eigener Beruf, Freundeskreis unter anderen spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Der polizeiliche Opferschutz berät hier kompetent und gern.

Mehr zum Thema

Was können Angehörige tun, um der Person zu helfen?

Da sein und aufmerksam zuhören, so banal es auch klingt. Gut gemeinte Ratschläge, Vorwürfe und Schuldzuschreibungen, aber auch trivialisieren sollten unterbleiben.

Wie unterscheiden sich die Ängste bei Frauen, die Opfer eines sexuellen Übergriffs wurden, von Opfern anderer Straftaten? Zum Beispiel, wenn eingebrochen wurde?

Angst ist eine Reaktion auf einen aversiven Reiz, also ein unangenehmes, widriges Ereignis. Wichtig ist also das eigene Empfinden und nicht das Abwägen, ob es sich um ein Vergehen oder Verbrechen handelt! Angst-Schuld-Scham-Schmerz-materieller Verlust kann bei Opfern gravierende Beschwerden nach sich ziehen, bis hin zur Posttraumatischen Belastungsstörung, die in die Hände von Experten wie Psychotherapeuten gehört.

Kommt es vor, dass Opfer eine neue Identität annehmen? In TV-Serien kommt das häufiger vor – für wen gibt es Zeugenschutzprogramme?

Ja, es kommt tatsächlich vor, dass Opfer/Zeugen eine neue Identität annehmen. Dies geschieht in TV-Serien allerdings öfter als in der Realität, da diese Schutzmaßnahme an gewisse Voraussetzungen geknüpft ist. Opfer müssen zur Aufnahme nicht nur geeignet, sondern auch gewillt sein! Schließlich handelt es sich hier um eine freiwillige Maßnahme nach dem ZeugenschutzHarmonisierungsgesetz (ZSHG). Zeugenschutz kann niederschwellig jedoch auch schon der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung sein bzw. die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal bei der Vernehmung eines Zeugen. Einzelheiten hierzu werden in der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz geregelt.

Konkrete Tipps

Julia Henneböle ist bei der Kreispolizeibehörde seit 2022 die Fachfrau für Kriminalprävention und Opferschutz. Das sind ihre Ratschläge zu den Themen sexuelle Übergriffe und Grenzüberschreitungen.

  • Nach sexuellen Übergriffen: Beratungsstellen im Kreis aufsuchen, wenn man sich nicht dorthin traut, beim Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen unter der Nummer 116016 anrufen. Dort gibt es Beratung anonym, kostenfrei, rund um die Uhr und in mindestens 18 Sprachen.
  • Wichtig ist auch, darauf hinzuweisen, dass es möglich ist, Spuren nach einer Misshandlung oder einer sexuellen Straftat im Karolinen Hospital in Hüsten oder im Marienkrankenhaus in Brilon anonym zu sichern. Dort bleiben beispielsweise Abstriche oder Fotos von Hämatomen mehrere Jahre gespeichert, und die Frau kann sich auch noch viel später in Ruhe für eine Anzeige entscheiden. Tut sie das nicht, wird eine Beweisführung nach längerer Zeit schwer.
  • Tipps gegen übergriffiges Verhalten (Stichwort: Catcalling): Grenzverletzungen immer klar als solche benennen. Dabei geht es auch darum, dass das Gegenüber sein Verhalten überdenken kann. Ich bin nicht „das Mädchen“, irgendwelcher Kollegen. Das sollte man sachlich klarstellen. Allerdings rate ich dazu, manchen Spruch zu ignorieren, wenn man abends allein unterwegs ist - damit sich keine Aggressionen aufschaukeln.
  • Respektlosigkeiten nicht gefallen lassen und bei übergriffigen Handlungen immer Strafanzeige stellen.