Meschede. Opfer sexueller Übergriffe sind traumatisiert. Eine Frau aus Meschede schildert ihre Erlebnisse und wie sie ihre Ängste überwand.

Opfer eines sexuellen Übergriffs leiden unter der Erinnerung an das Erlebte. Eine Frau aus Meschede schildert ihre Erlebnisse und wie sie ihre Ängste überwand.

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Einer fragte: „Please Cigarette“

Der Angriff ist fast acht Jahre her. Die Meschederin war damals 25 Jahre alt und mit ihrer Freundin im „Embassy“ feiern. Auf dem Rückweg, nur wenige Meter von ihrer Haustür, wurden die beiden Frauen angegriffen. Die 25-Jährige schilderte den Angriff damals folgendermaßen: „Eine Gruppe hat uns immer wieder eng angetanzt. Ich mag das überhaupt nicht. Deshalb habe ich deutlich ‘Nein’ gesagt. ‘Ich möchte das nicht!’ Wir sind dann näher zum Eingang gegangen.“ Stunden später folgte eine weitere Begegnung. Um 5.45 Uhr, die Freundinnen liefen durch die Ruhrstraße nach Hause, dann fragten zwei junge Männer nach Zigaretten. „Please Cigarette.“

Die Übergriffe geschahen in der Mescheder Fußgängerzone.
Die Übergriffe geschahen in der Mescheder Fußgängerzone. © WP

Antänzer aus der Disko

Es waren die Antänzer aus der Disko. Der eine trug einen schwarzen Bart, der andere eine bunte Wollmütze. Die 25-Jährige konnte die Täter auch Wochen später genau beschreiben, weil das, was folgte, ihren Alltag, ihr Sicherheitsgefühl massiv veränderte.

Mitten in Meschede

Die Männer griffen die Frauen von hinten an, hielten ihre Arme fest, fassten ihnen an die Brüste, versuchen in den Schritt zu kommen. Die 25-Jährige wehrte sich heftig, riss sich los und eilte ihrer Freundin zur Hilfe. Diese war unter Schock, bewegte sich nicht. „Ich hab’ noch nicht mal geschrien. Niemals hätte ich gedacht, dass sowas in Meschede passieren kann“, sagt die 25-Jährige. Sofort riefen die Freundinnen die Polizei. „Wir hatten nur Angst, dass die zurückkommen. Oder mitkriegen, wo ich wohne.“

Ich hab’ noch nicht mal geschrien. Niemals hätte ich gedacht, dass sowas in Meschede passieren kann.
Opfer nach einem Übergriff in Meschede

Keine Mitteilung an die Presse

Die Polizei verzichtete damals bewusst auf eine Pressemeldung. „Aus ermittlungstaktischen Gründen“, hieß es. Man wollte die Täter „nicht aufscheuchen“. Erst durch die Frauen wurde der Fall Wochen später öffentlich. „Ich verstehe nicht, warum das nicht an die Presse ging. Das ist doch auch eine Warnung für andere Frauen. Dass Du vorsichtiger sein musst nachts“, sagte sie damals.

Flüchtllingswelle 2015

Die Tat geschah in zeitlicher Nähe zu den Übergriffen der Kölner Silvesternacht 2015. Frauen zeigten damals zahlreiche Straftaten an, beschrieben beängstigende Szenen, in denen sie eingekesselt und von ihren Begleitungen getrennt wurden. Die Täter: Zu meist junge Männer aus Nordafrika, die mit der Flüchtlingswelle in jenem Jahr nach Deutschland gekommen waren. Die Stimmung war in dieser Zeit aufgeheizt. Die Polizei gab zunächst nur zögerlich Informationen zur Nationalität der Täter heraus. Den Behörden wurde vorgeworfen, Dinge zu verschweigen.

Keine Übergriffe von Asylbewerbern

Auch in Meschede hatte es bislang keine Übergriffe durch Asylbewerber gegeben. So hieß es damals seitens der Polizei. So ganz stimmte dies nicht, wie die Geschichte der damals 25-jährigen Frau aus Meschede zeigte.

Zwei Männer aus Marokko

Recht schnell wussten die Beamten, um wen es sich handelte: Zwei Männer aus Marokko, 20 und 21, untergebracht in der Notunterkunft für Asylbewerber in der damaligen Franz-Stahlmecke-Schule. Die Polizei kannte ihre Namen, sie hatte ihre Fotos - doch noch in der Nacht des Überfalls verschwanden die Männer.

Angst vor der Dunkelheit

Zurück blieb die Angst bei den Frauen. Kann das wieder passieren? Wissen die Täter, wo ich wohne? „Ich habe Monate gebraucht, um damit klarzukommen“, sagt die heute 32-Jährige. Sie brach auf der Arbeit zusammen, kündigte die Wohnung in der Innenstadt und ging im Dunkeln nicht mehr vor die Tür. Ihre Schichten auf der Arbeit wählte sie immer so, dass sie vor Anbruch der Dunkelheit zu Hause war. Feiern und Partys, also eine alltägliche Sache für die damals 25-Jährige, war lange undenkbar.

Auf der Fahndungsliste

Die Marokkaner standen auf der Fahndungsliste, es wurde gegen sie wegen sexueller Nötigung ermittelt. Zu einer Gerichtsverhandlung kam es nie, sagt die heute 32-Jährige.

Denkt selten an die Nacht zurück

„Ich habe mich dann beim Kampfsport angemeldet. Dort lernte ich, mich zu verteidigen, falls ich noch einmal in solche oder ähnliche Situationen kommen sollte“, erzählt sie. Auch für ihr Selbstbewusstsein sei der Sport richtig gewesen. „Irgendwann konnte ich dann wieder allein das Haus verlassen.“ Heute denkt die junge Mutter nur noch selten an diese Nacht zurück.

Nummer 0800 116 016

Es gibt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, an die sich sowohl Betroffene als auch Angehörige und Fachkräfte wenden können. Beispielsweise bietet das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, das 24 Stunden unter der Nummer 08000 116 016 oder per Onlineberatung erreichbar ist, vertraulich und kostenfrei Hilfe und Unterstützung an.

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