Schmallenberg. Sechs Fachleute, vom Regierungspräsidenten bis zum Hotelier, saßen auf dem Podium in Schmallenberg. Der Windkraft-Ausbau erhielt viel Gegenwind.

. Die Fronten zwischen Windkraftgegnern – und Befürwortern sind nicht selten verhärtet. Dennoch hatten der Naturschutzverein Mitten im Sauerland und der Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg zur öffentlichen Podiumsdiskussion ins Eventlocal Habbels nach Schmallenberg eingeladen. Von dort gab es allerdings kaum Unterstützung für die Windkraft.

Sechs Experten auf dem Podium

Um die Bürger über die Konsequenzen eines möglichen Ausbaus von Windenergieanlagen im HSK zu informieren, referierten sechs Experten aus ihrer fachlichen Perspektive: Regierungspräsident Heinrich Böckelühr, Hotelier Wolfgang Klein, Forstamtsleiter Frank Rosenkranz, Rechtsanwalt Thomas Mock, Mediziner und Ingenieur Prof. Dr. Dieter Köhler sowie die Biologie-Professorin Prof. Dr. Klaudia Witte.

Der Regierungspräsident: „Der Benefit muss in der Kommune bleiben.“

Um einen allgemeinen Überblick über die politischen Ambitionen hinter dem Windkraftausbau zu geben, machte Heinrich Böckelühr den Anfang unter den Rednern. Er klärte über die Vorgabe des Bundes auf: 1,8 Prozent der Landesfläche in NRW müssten zukünftig für Anlagen zur Verfügung stehen. Welche Flächen dafür im HSK ausgewiesen würden, werde Ende 2024 bis Anfang 2025 im neuen Regionalplan festgehalten. Bereiche, die in der Vergangenheit bereits grünes Licht erhielten, sollen darin einfließen.

Böckelühr beschwichtigte: „Nicht jede Fläche, über die der Projektierer mit dem Landbesitzer spricht, landet auch im Flächennutzungsplan.“ Dass es Ausbau geben wird, ist er sich allerdings sicher: „Zu sagen, wir brauchen keine Windenergie, wird nicht funktionieren.“ Für ihn sind Bürgerbeteiligungen eine gute Lösung: „Der Benefit muss in der Kommune bleiben.“

Forstamtsleiter: „Es ist eher Wild-West- oder Goldgräberstimmung“

Den praktischen Teil der Behördensicht legte Forstamtsleiter Frank Rosenkranz dar. Er informierte die etwa 100 anwesenden Bürger und 150 Online-Zuhörer, die per Stream zugeschaltet waren, über die Aufgaben der Forstbehörde. Diese sei beteiligt, wenn die Anlagen im Wald errichtet würden. Das Ziel: Erhaltung des Waldes und Sicherung der Waldfunktionen.

Dabei sei das behördliche Vorgehen ein Abwägen zwischen Rechten, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen des Waldbesitzers sowie Belangen der Energieversorgung und Belangen des Walderhalts. Aktuell gebe es in NRW 400 Planungs- und Genehmigungsverfahren, 84 Prozent davon in Südwestfalen: „Im Moment ist es nicht so, als ob ein Moratorium stattfinden würde, im Gegenteil. Es ist eher Wild-West- oder Goldgräberstimmung“, stellt Rosenkranz fest. So seien aktuell knapp über 50 Anlagen in Südwestfalen installiert, in ganz NRW seien es 112.

Die Professorin: „Wir müssen die Flächen nutzen, die eh schon versiegelt sind“

Doch was bedeutet der Ausbau der Windenergieanlagen im Wald für Tiere und Pflanzen? Nach Klaudia Witte, Professorin für Biologie an der Universität Siegen, vor allem Gefährdung. Bedroht seien Vögel wie der Schwarzstorch oder Rotmilan, aber auch Fledermausarten oder die Haselmaus. Die Rotoren schredderten nicht nur die Arten, sondern störten sie teils zudem in ihrem Jagdverhalten.

In kranken Waldbeständen, den sogenannten Kalamitätsflächen, berge der Ausbau zudem eine weitere Gefahr, so Witte: Die Trockenheit mache sie anfällig für Waldbrände, ausgelöst durch brennende Windkraftanlagen. Eine Möglichkeit, die über 200 Meter hohen Anlagen beispielsweise durch die Feuerwehr zu löschen, gebe es allerdings nicht. Ihr Vorschlag: „Wir müssen die Flächen nutzen, die eh schon versiegelt sind“. Anlagen solle man deshalb in der Nähe von Industriegebieten oder Autobahnen bauen, so die Professorin. Denn: „Nur vitale Wälder bringen Ökosystemleistungen“.

Die Veranstaltung war gut besucht. Rund 100 Zuhörer saßen im Saal des Habbels, noch einmal 150 verfolgten die Vorstellung online.
Die Veranstaltung war gut besucht. Rund 100 Zuhörer saßen im Saal des Habbels, noch einmal 150 verfolgten die Vorstellung online. © Eric Steinberg

Der Rechtsanwalt: Toxische Altlasten und Gefährdung indigener Völker

Die Belastung der Umwelt machte auch Rechtsanwalt Thomas Mock zum Thema seines Kurzvortrages. So monierte er die Scheinheiligkeit, mit der über den Abbau der Rohstoffe zur Errichtung der Windkraftanlagen hinweggesehen werde. Für eine Anlage, die fünf Megawatt erzeugt, benötige man beispielsweise 40 Tonnen Kupfer.

Pro Tonne Kupfer würden jedoch etwa 200 Tonnen toxische Altlasten anfallen, die in Form von Giftseen die Umwelt in südamerikanischen Staaten vergiften. Pro Anlage ergäben sich so mehrere tausend Tonnen Altlasten. Durch den Abbau sei jedoch nicht nur die Umwelt vor Ort gefährdet, sondern auch die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung, die um ihre Landrechte kämpft.

Der Hotelier: Tourismusbranche in Bedrängnis

Auch Wolfgang Klein, Betreiber des Hotels Kleins Wiese, sieht sich durch eine mögliche Bebauung in unmittelbarer Nähe zu seinem Hotel bedroht: „Dass das Auswirkungen auf das Buchungsverhalten und den Betrieb hat, wenn das Windrad 400 Meter weit weg steht, ist klar.“

Klein sieht die Tourismusbranche in Schmallenberg in Bedrängnis. Man müsse sich die Frage stellen, was passiere, wenn diese Branche in der Stadt keine Investitionen mehr tätige. Dann bleibe der „Benefit“, wie ihn Böckelühr anführte, nicht in den Kommunen.

Der Ingenieur: Ernüchternder Erntefaktor

Ebenso kritisch zeigte sich auch Dieter Köhler. Laut dem Ingenieur mangelt es den Anlagen vor Ort an Effizienz: „Wir sind eine windarme Region“, stellt er fest. „Man muss in die Höhe gehen, um überhaupt ein bisschen Wind zu bekommen“, so Köhler weiter. Der Erntefaktor der örtlichen Anlagen, der das Verhältnis zwischen erzeugter Energie und eingesetzter Energie während der gesamten Lebensdauer beschreibt, sei ernüchternd.

Bundesweit liege der Wert bei 16, im Sauerland nur bei 5,5. Beziehe man außerdem ein, dass die Auslastung der Anlagen häufig unter 30 Prozent liege, ergebe sich ein noch niedrigerer Wert. Zum Vergleich: Der Erntefaktor moderne Kohlekraftwerke liege bei 30. Köhlers Fazit: „Windkraft im Sauerland ist ein Schuss in den Ofen“.

Kaum Befürworter

Befürworter des Windenergieausbaus meldeten sich in der nachstehenden Diskussion nur vereinzelt zu Wort, die Mehrheit bildeten die Kritiker.

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Guido Fersterer, Vorstandsmitglied des Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg, zeigte sich zufrieden: „Uns war es wichtig, dass die Sauerländer erfahren, in welchen großen Dimensionen speziell unser Sauerland künftig mit Windkraftanlagen zugestellt werden soll und welche Auswirkungen das haben wird. Und das scheint uns gelungen zu sein.“