Schmallenberg. Warum der Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg beim Thema Windkraft von „Wildwest-Manier“ und „Goldgräber-Stimmung“ spricht.

Seit Jahren setzt sich der Verein für Umwelt- und Naturschutz ein. Sein Beweggrund: die Sorge, dass die Natur durch den Einsatz der Windkraft im Schmallenberger Sauerland unwiederbringlich zerstört wird. Guido Fersterer ist dort Erster Vorsitzender. Der 52-jährige Business-Development-Manager aus Brabecke blickt mit Schaudern auf die Windparks, die im Sauerland entstehen sollen und erklärt, warum er glaubt, dass Windkraft auch als Maßnahme gegen den Klimawandel im Sauerland nicht geeignet ist.

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Wo sehen Sie beim Ausbau der Windkraft aktuell die größten Probleme für Schmallenberg?

Hier herrscht im Moment Wildwest-Manier und Goldgräber-Stimmung bei den Projektierern. Das liegt daran, dass wir im HSK keine gültigen Flächennutzungspläne haben. Die Kommunen haben diese in der Vergangenheit zwar größtenteils aufgestellt, ein Gericht hat die Wirksamkeit jedoch wegen eines minimalen Formfehlers für ungültig erklärt. Seitdem kann theoretisch überall gebaut werden. Rechtssicherheit soll der derzeit in Bearbeitung befindliche Landesentwicklungsplan geben. Bis zur Verabschiedung wird das aber noch zwei bis drei Jahre dauern. Somit ist der Stadt die Entscheidungsgewalt über die Zulassung von Windrädern abgenommen worden. Die einzige Möglichkeit, sich als Kommune wieder einzuschalten, wäre, bis 2024 erneut einen Flächennutzungsplan aufzustellen. Aktuell entscheidet der Kreis nach Bundesimmissionsschutzgesetz. Das heißt, er prüft nur, ob alle formalen Vorgaben eingehalten wurden. Und die Projektierer sind sehr aggressiv unterwegs.

Si sieht der Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg den Ausbau der Windkraft rund um Bödefeld..
Si sieht der Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg den Ausbau der Windkraft rund um Bödefeld.. © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Wie meinen Sie das?

Da werden Landbesitzer mit horrenden Summen geködert: bis zu 100.000 Euro Pacht im Jahr und auch unter Druck gesetzt, dass sie jetzt unterschreiben müssten, weil es diese Chance nur jetzt gibt, und wenn sie nicht unterschreiben, dann mache es eben der Nachbar. Dabei werden die Risiken häufig ausgeblendet.

Welche Risiken sehen Sie für die Landbesitzer?

In den Verträgen wird oftmals nicht genau geklärt, wer die Anlagen hinterher betreibt und was eigentlich bei einem Betreiberwechsel passiert oder dieser insolvent wird. Und das kommt gar nicht so selten vor. Sind die Rückbaukosten hoch genug angesetzt, wer kommt für Schäden, wie Brand, Eiswurf, Kontaminierung durch Mikroplastik auf und ist die Anlage überhaupt ausreichend versichert? Vieles bleibt dann beim Landbesitzer hängen. Häufig wird auch vergessen, dass die Einnahmen zu versteuern sind.

Guido Fersterer vom Verein für Umwelt- und Naturschutz.Schmallenberg.
Guido Fersterer vom Verein für Umwelt- und Naturschutz.Schmallenberg. © Privat

Welche Gefahren sehen Sie für Mensch und Tier?

Im ganzen Sauerland und speziell für das Gebiet rund ums Henne-Rartal, um Brabecke und Bödefeld fürchten wir einen massiven Ausbau. Und wie man im Paderborner Land sieht, gibt es bei den Projektierern kein Halten mehr, wenn Sie einmal mit dem Ausbau begonnen haben. Dabei wird durch jedes Windrad Natur, und das ist bei uns der Wald, der CO2 binden soll und Erosion verhindert, unwiederbringlich zerstört. Das gilt im Übrigen auch für die Borkenkäfer-Flächen, denn die verjüngen sich ja selbst ohne unser Zutun oder durch Wiederaufforstung. Für ein Windrad aber werden 10.000 Quadratmeter Fläche gerodet und 5000 dauerhaft versiegelt. Hinzu kommt die bis zu sieben Meter breite Zuwegung, 1500 Kubikmeter Beton werden für das Fundament gebraucht, weitere 850 Kubikmeter für den Turm. Aus dem Auge verlieren darf man auch nicht, dass Wald einer der größten Wasserspeicher in der Natur ist. Versiegelte Böden wirken sich negativ auf Hochwasserschutz und Grundwasserflüsse aus.

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Wie ordnen sie da die neue Windflächenanalyse ein, die für NRW immerhin ein Drittel weniger Windräder prognostiziert?

Ich fürchte, dass trotzdem letztlich nach mehr Planflächen geguckt wird und die scheinen eben hier eher vorhanden zu sein als im dicht besiedelten Ruhrgebiet.

Auf dem Prenzenberger Kopf bei Arfeld  in Bad Berleburg werden Teile für  Windkraftanlagen zur Montage bereitgelegt. Guido Fersterer kritisiert die große Versiegelungs-Fläche pro Windrad.
Auf dem Prenzenberger Kopf bei Arfeld in Bad Berleburg werden Teile für  Windkraftanlagen zur Montage bereitgelegt. Guido Fersterer kritisiert die große Versiegelungs-Fläche pro Windrad. © peter kehrle

Können Sie sich ein Windrad hinter Ihrem Haus vorstellen, das sie selbst autark machen würde, mit dem Sie beispielsweise ihr Elektro-Fahrzeug aufladen und das damit gleichzeitig als Speicher funktioniert?

Die Frage gefällt mir nicht. Sie suggeriert, dass ich Windräder grundsätzlich ablehne. Aber ich habe auch schon mit Befürwortern gesprochen, die in dem Moment anfangen, sich anders zu positionieren, wenn sie direkt betroffen sind. Für mich steht der Schutz unserer Naturlandschaft an erster Stelle. Ich zitiere Reinhold Messner: ,,Alternative Energiegewinnung ist unsinnig, wenn sie genau das zerstört, was man eigentlich durch sie bewahren will! Die Natur!“ Und was ist hinter meinem Haus? Natur! Man darf auch nicht vergessen, dass es gesundheitliche Auswirkungen gibt wie Verschattung und Schlagschatten, Beeinträchtigung durch Schallemissionen, optisch bedrängende Wirkung und die Verspargelung der Landschaft in Erholungsgebieten mit negativen Auswirkungen auf den Tourismus. Unter 1000 Meter Abstand zur Wohnbebauung spielt der Körperschall eine entscheidende Rolle in Wohngebäuden sind diese Vibrationen deutlich wahrzunehmen.

In Schwarzenau in Bad Berleburg werden die Flügel von Windkraftanlagen auf einem Spezialtransporter in den Windpark bei Arfeld gebracht.
In Schwarzenau in Bad Berleburg werden die Flügel von Windkraftanlagen auf einem Spezialtransporter in den Windpark bei Arfeld gebracht. © WP | Sascha Gernand

Die Schlote im Ruhrgebiet galten lange als Zeichen des Fortschritts. Ist der Blick auf ein Windrad und die dann entstehenden negativen Gedanken nicht auch eine Kopfsache? Und woher soll die regenerative Energie dann kommen, die unser Land braucht?

Ich sehe nur, dass im Moment der fünfte Schritt vor dem ersten gemacht wird. Windkraft kann nicht die Energie liefern, die wir brauchen, weil sie - selbst wenn Speicher für die Spitzenlasten vorhanden wären - nur einen Bruchteil dessen liefert, was wir an Strom brauchen. Und das gilt laut einer Auswertung, die auf Zahlen des Energiewendeportals Agora fußen, selbst bei dem geplanten massiven Ausbau. Es nützt keine Verdreifachung der Windenergieanlagen, wenn kein Wind weht. Und was machen wir im Falle von Dunkelflauten, die es im letzten Jahr mehrfach gab? Kein Wind, keine Sonne, keine ausreichend großen Speicher. Grundlastfähige Kraftwerke werden nach und nach abgeschaltet und „grüner Atomstrom“ aus dem Ausland importiert. Das passt doch nicht zusammen.