Menden. Eine einzige Stimme verhindert, was zuvor als eine für Menden historische Chance bezeichnet wurde. Die Hintergründe.
Am Ende zeigt auch eine flammende Rede des Kämmerers Uwe Siemonsmeier - wie man sie selten erlebt - keine Wirkung. Die Übertragung des Mendener Kanalnetzes, die unterm Strich 108 Millionen Euro eingebracht hätte, ist gescheitert. Mit einer einzigen Stimme setzen sich die Kritiker am Ende durch. Welche Folgen der geplatzte Deal hat und warum es ein Ergebnis mit Geschmäckle ist.
Historische Entscheidung für Menden
„Es ist eine der paar Entscheidungen, die man historisch nennen kann.“ Für Stefan Band (Grüne) ist die Ausgangslage vor der Abstimmung klar. Wie wichtig die Entscheidung für Menden sein kann, das hat zuvor auch Kämmerer Uwe Siemonsmeier deutlich gemacht. „Ich gebe zu, dass das für mich kein unspannender Punkt ist.“ Zumal er im Vorfeld der Sitzung allerhand Aufklärung betreiben musste. Nicht nur bei den Ratsmitgliedern, in den Fraktionen, sondern auch bei Bürgerinnen und Bürgern. Denn: Die Übertragung des städtischen Kanalnetzes an den Ruhrverband wird durchaus kritisch gesehen. Am Ende, so das Gefühl des Kämmerers, habe er dennoch für Verständnis sorgen können.
Dass das Kanalnetz nicht an den Ruhrverband verkauft wird, klingt angesichts der Summe kurios; doch tatsächlich ist es eine Übertragung. Die Stadt wäre weiter juristische Eigentümerin geblieben, Anhebungen der Abwassergebühren oder Modernisierungsmaßnahmen entscheidet noch immer der Rat. Dass die Übertragung „die richtige Entscheidung für Menden ist“, darin ist sich Siemonsmeier sicher.
Steuererhöhungen oder Sparzwang?
Grund dafür ist vor allem die Summe selbst. Zum einen - so sah es der Grundsatzbeschluss vor - sollten mit dem Deal langfristig Kredite der Stadt abgelöst werden. Damit würden jährliche Zinsaufwendungen in Höhe von 1,4 Millionen Euro weggefallen. Das Zinsersparnis sollte zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Der Rest der Summe wäre auf einem Konto geparkt worden. Doch dabei bleibt‘s nicht. Die wegfallenden Kreditzinsen sind eine von drei größeren Maßnahmen, die Menden im Haushaltssicherungskonzept für die Kommunalaufsicht eingeplant hat. Ohne ebendiese 1,4 Millionen Euro würde die Hönnestadt laut Siemonsmeier womöglich erst 2030 wieder schwarze Zahlen schreiben. Was diese Summe unterm Strich bedeutet, macht der Kämmerer dann auch nochmal deutlich: Eine Anhebung der Grundsteuer B um 75 Punkte. Was zunächst nur ein Vergleich sein sollte, könnte mittelfristig ein regelrechtes Schreckensszenario sein. Scheitert der Deal mit dem Ruhrverband, drohen Steuererhöhungen.
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Dass die Stadt überhaupt zu Mitteln wie einer Kanalnetz-Übertragung greifen muss, ist aus Sicht vieler Kämmerer in der Region vor allem Bund und Land zuzuschreiben, die immer mehr Aufgaben auf die Kommunen abwälzen, ohne aber für die finanziellen Mittel dafür zu sorgen. Das treibt dutzende Städte und Gemeinden in Südwestfalen derzeit in die roten Zahlen. In Balve ist das Kanalnetz bereits übertragen worden, Meinerzhagen könnte im MK bald folgen. Um nicht gänzlich wie „kommunale Lemminge“ über die Klippe zu gehen, könnte der 108-Millionen-Euro-Deal der Hönnestadt ebenfalls wichtige Zeit verschaffen, bis Bund und Land reagieren, so Siemonsmeier. Was passieren könnte, wenn man jetzt nicht gegensteuert, macht zudem Stefan Band (Grüne) deutlich: „Wir werden früher oder später Probleme bekommen, unsere hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen.“
Zuspruch gibt‘s aber nicht nur vonseiten der Grünen, sondern auch bei den Sozialdemokraten. „In den letzten Monaten sind viele Fragen aufgeworfen worden, aus unserer Sicht sind sie tatsächlich alle beantwortet worden. Wir sehen die Vorteile der Übertragung“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Sebastian Meisterjahn. Zudem sei der Rat verpflichtet, „die 108 Millionen Euro nicht zu verballern“.
Die Kritik
Gegenwind bei der Kanalnetz-Übertragung kommt derweil von der CDU. Die Christdemokraten sehen die Selbstverpflichtung im Umgang mit den 108 Millionen Euro kritisch. Ändern sich die Mehrheiten im Rat - 2025 ist Kommunalwahl - könnte man doch auf die Idee kommen, das Geld für eigene Prestigeprojekte zu nutzen. Doch Fraktionsvorsitzender Bernd Haldorn bringt gleich weitere Möglichkeiten ins Spiel: Das Kanalnetz könnte mit der Entscheidung nur der Anfang sein. Heißt: Damit würde man Tür und Tor öffnen, um noch mehr städtisches Tafelsilber zu verscherbeln und die kommunale Selbstverwaltung aufzugeben. Ein Szenario, dem die CDU ein Riegel vorschieben will. Haldorn setzt auf ein Umdenken an anderer Stelle: „Es ist Aufgabe von Land und Bund, eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen.“
Ähnlich sehen es die Liberalen. „Das ist für uns eine sehr trockene Angelegenheit“, sagt FDP-Fraktionschef Stefan Weige. Die 108 Millionen Euro könnten kein Argument gegen alle Bedenken sein. Stattdessen müsste sich Menden bis zu einem Einlenken bei Bund und Land eine gewisse „Ausgabendisziplin“ auferlegen.
Das Ergebnis
Das Ergebnis der Abstimmung war im Vorfeld keinesfalls so erwartbar wie noch Ende 2023, als der Rat zunächst den Grundsatzbeschluss zu Verhandlungen mit dem Ruhrverband fasste. Unter anderem sorgten einige Abweichler in Reihen der CDU in einer geheimen Abstimmung seinerzeit dafür, dass der Grundsatzbeschluss gefasst wurde (WP berichtete). Einige der Abweichler fehlten krankheitsbedingt nun aber bei der entscheidenden Abstimmung; ebenso wie vier Ratsmitglieder der Grünen. Am Ende lehnt der Rat mit 26 zu 25 Stimmen (und zwei Enthaltungen) die Kanalnetz-Übertragung mehrheitlich ab.