Menden. 108 Millionen Euro wollte der Ruhrverband der Stadt Menden für deren Kanalnetz überweisen. Mendens Finanzpolitiker lehnen das ab. Die Gründe.
Es wäre die höchste Einzel-Einnahme für die Stadt Menden überhaupt gewesen. Doch statt einer Zahlung des Ruhrverbandes von 108 Millionen Euro am 1.1. 2025 für die Übertragung des Mendener Kanalnetzes (die WP berichtete) hielten die meisten Politiker im Haupt- und Finanzausschuss vorläufig am Besitz des städtischen Kanalnetzes fest. Eine Übertragung will man überhaupt erst beraten, wenn das angekündigte Landesgesetz zur Übernahme von Altschulden der Kommunen verabschiedet ist. So lautet der Beschluss vom Dienstagabend, gegen den nur die Grünen stimmten.
Hintergrund: Das Land NRW will mit der Gemeindefinanzierung 2024 in eine Lösung für kommunale Altschulden einsteigen. Die Befürchtung von CDU, FDP und SPD in Menden: Die Stadt könnte dank des Ruhrverband-Geldes ab 2025 schuldenfrei dastehen – und käme dann womöglich nicht mehr in den Genuss der Altschuldenregelung. Die sei folglich abzuwarten.
„Historische Chance“ auf finanziellen Befreiungsschlag womöglich vertan
Damit aber ist auch die „historische Chance“, von der Bürgermeister Dr. Roland Schröder sprach, womöglich vertan. „Die Übertragung kann für uns auf Jahrzehnte hinaus einen gesunden Haushalt bedeuten und ist deshalb auch eine Riesen-Verantwortung“, erklärten Schröder und Stadtkämmerer Uwe Siemonsmeier im Vorfeld der Sitzung auf Anfrage der WP.
Bürgermeister: Vermögen sollte so angelegt werden, dass es nachhaltig wirkt
Der richtige Weg, dieser Verantwortung gerecht zu werden, sei aus ihrer Sicht, das viele Geld so anzulegen, dass Zinsen in Höhe von mehreren Millionen Euro pro Jahr den Stadthaushalt lange und nachhaltig stabilisieren könnten, während das Vermögen selbst unangetastet bleibt. So funktionieren etwa gemeinnützige Stiftungen.
Kein Verscherbeln von Tafelsilber: Ruhrverband ist öffentliche Körperschaft
Das Schlechteste, was mit dem Geld passieren könnte, sei jedenfalls, es schon in den nächsten Jahren in aktuelle Aufgaben oder Wohltaten aller Art zu stecken und ohne nachhaltigen Effekt verpuffen zu lassen. In der Sitzung warben Schröder und Siemonsmeier denn auch für die Übertragung: Sie halte für die Stadt viele Vorteile bereit. Der Ruhrverband als öffentliche Körperschaft würde das wirtschaftliche Eigentum am Mendener Kanalnetz und die Verfügungsgewalt erhalten. Die Stadt bliebe aber – trotz der Riesensumme – juristisch die Besitzerin ihrer Kanäle.
Menden wäre zudem die siebte Ruhrverbandsstadt, die in den Genuss einer solchen Transaktion käme. Alle anderen, darunter Balve, hätten sich auf Anfrage hochzufrieden gezeigt.
CDU will sich nicht festlegen, FDP-Fraktionschef will „beerdigen“
Keine Sorge um SEM
Keiner der neun Beschäftigten der Stadtentwässerung Menden (SEM) würde bei Übertragung des Kanalnetzes schlechter gestellt als vorher. Angebote für die Ingenieure, Techniker und Verwaltungsfachkräfte gäbe es entweder vom Ruhrverband oder der Stadt, erklärte der Beigeordnete Uwe Siemonsmeier.
Doch die CDU wollte sich nicht festlegen lassen, erklärte ihr Fraktionsvorsitzender Bernd Haldorn: nicht auf den grundsätzlichen Kurs der Übertragung und – mit Blick auf die Altschulden – auch nicht auf den knappen Zeitplan, den Stadt und Ruhrverband erarbeitet hatten. FDP-Fraktionschef Stefan Weige sperrte sich vor allem gegen die Grundsatzentscheidung: Nach der Erfahrung mit der Stadtbücherei, so wetterte er, glaube er „ohnehin nichts mehr“ von dem, was dazu in der Vorlage stehe. „Also beerdigen wir das eben!“ Über diesen Vorwurf der Unlauterkeit zeigte sich der Bürgermeister „sprachlos“. Grünen-Fraktionssprecher Peter Köhler mahnte einen angemessenen Umgang mit dem Thema an: „108 Millionen Euro für die Stadt sind nicht mal eben so zu beerdigen.“
Stadt hat nun weiter 54,4 Millionen Miese – Ruhrverband tagt in Dezember
Letztlich aber verwarfen die meisten Fraktionen auch einen letzten Vorschlag von Siemonsmeier, einen Beschluss erst in der November-Ratssitzung zu fassen. Stattdessen muss nun auf die Altschuldenregelung gewartet werden.
Kämmereileiter Michael Schmidt gab in seinem letzten Finanzausschuss den Überblick über die aktuellen Stadtfinanzen. Menden drücken 54,5 Millionen Euro Schulden – die Hälfte dessen, was der Ruhrverband zahlen wollte. Ob es dabei bleibt, wenn die Verbandsversammlung im Dezember die Antwort aus Menden hört, erscheint jetzt fraglich.