Menden. Eigentlich war das Thema im Hauptausschuss ad acta gelegt worden. Doch nun gibt‘s die Rolle rückwärts beim 108-Millionen-Euro-Deal.
Eigentlich hatten Mendens Finanzpolitiker vor gut zwei Wochen den 108-Millionen-Euro-Deal mit dem Ruhrverband zur Übertragung des städtischen Kanalnetzes bereits abgebügelt. Im Rat gibt‘s nun die Rolle rückwärts. Wie es weitergehen soll – und was die Entscheidung für Menden bedeutet.
Menden drohen deutliche Defizite im Haushalt
Dass der Rat nach dem Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses das Thema Kanalnetz-Übertragung an den Ruhrverband doch noch einmal auf der Agenda hat, liegt an einer Kleinigkeit. Eine Stellungnahme des Rechnungsprüfungsamtes zum Thema hat es möglich gemacht; hinzu kommt ein Antrag der FDP. Wie wichtig der Deal für die Stadt ist, das hat Kämmerer Uwe Siemonsmeier vor der erneuten Abstimmung nochmals deutlich gemacht: Ohne die Kanalnetz-Übertragung landet die Hönnestadt in den kommenden beiden Jahren noch tiefer in den roten Zahlen als ohnehin schon. Aktuell steht für 2024 ein Minus von 14 Millionen Euro; für 2025 ein Minus von 9,5 Millionen Euro. Sollte man sich doch zu einer Übertragung durchringen, würde das Jahresergebnis deutlich besser ausfallen: 2024 mit „nur“ noch 12,3 Millionen Euro Miese, 2025 immerhin noch 3,7 Millionen Euro (ausführlicher Bericht folgt).
Es sind verschiedene Szenarien, die Uwe Siemonsmeier im Rat vorrechnet. Allesamt zeigen sie eine recht düstere Zukunft in den kommenden beiden Jahren, sofern Bund und Land nicht einschreiten. Und genau dabei liegt vor allem für die CDU der Hase sprichwörtlich im Pfeffer. Das Land NRW will mit der Gemeindefinanzierung 2024 in eine Lösung für kommunale Altschulden einsteigen. Die Befürchtung von CDU, FDP und SPD im Hauptausschuss zuletzt: Die Stadt könnte dank des Ruhrverband-Geldes ab 2025 schuldenfrei dastehen – und käme dann womöglich nicht mehr in den Genuss der Altschuldenregelung. Doch genau hier scheint es nun ein Umdenken gegeben zu haben. Allen voran bei FDP und SPD. „Es geht uns darum, dass man mit einer solch immensen Summe natürlich auch Begehrlichkeiten weckt und der Effekt dann verpuffen würde“, erklärt FDP-Fraktionschef Stefan Weige. Statt das Geld langfristig für die Haushaltskonsolidierung zu nutzen, könne man natürlich auch auf die Idee kommen, ein paar unerfüllte Wünsche in Menden umzusetzen. Doch genau das wollen die Liberalen verhindern.
Grundsätzlich fordert die FDP ihrerseits drei entscheidende Punkte, „die die Bedenken unsererseits umfassen“:
- Die vom Ruhrverband zu leistende Ausgleichszahlung wird vollständig zur Tilgung bzw. zur Reduzierung der Verbindlichkeiten aus Krediten und zur Haushaltskonsolidierung verwendet.
- Der Kämmerer der Stadt Menden listet unverzüglich alle städtischen Verbindlichkeiten inkl. der Eigenbetriebe bzw. eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen auf und teilt dem Rat die Summe noch im laufenden Jahr mit.
- Als Grundlage für die Vermögensbewertung soll durch den Ruhrverband ein Schadenskataster erstellt werden, dessen Kosten zu gleichen Teilen von den möglichen Vertragspartnern getragen werden. Nach Vermögensbewertung auf Grundlage des Schadenskatasters kann sodann über eine Übertragung entschieden werden.
Doch damit sind längst nicht alle Fronten geklärt. Trotz zahlreicher Gespräche im Vorfeld der Ratssitzung bleibt die CDU um Fraktionschef Bernd Haldorn beim Nein zum Ruhrverband-Deal. „Der Haupt- und Finanzausschuss hat eine Entscheidung getroffen. Abweichend davon steht der Beschlussvorschlag unverändert auf der Tagesordnung“, kritisiert Haldorn. Auch die Grünen bleiben bei ihrem Standpunkt. „Wir stehen zur Kanalnetz-Übertragung“, so Fraktionsvorsitzender Peter Köhler.
Nach WP-Informationen sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Gespräche und Abstimmungen zur Sache innerhalb der Fraktionen gelaufen – wohl auch auf Druck der Wählerinnen und Wähler. „Wir konnten im Hauptausschuss die Ängste der CDU durchaus nachvollziehen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Sebastian Meisterjahn. Doch zumindest vonseiten der Sozialdemokraten habe man „die Vögelchen in Land und Bund“ losgeschickt, um beim Thema Altschuldenlösung nachzubohren. Das habe letztendlich auch für die SPD einiges klarer werden lassen. Doch so recht können sich die Christdemokraten mit dem Millionen-Deal trotzdem nicht anfreunden. Gleichwohl: Innerhalb der CDU-Fraktion gibt es durchaus kritische Töne, das macht Bernd Haldorn selbst deutlich. Seine Fraktion werde „überwiegend nicht zustimmen“. Angesichts gewisser Unsicherheiten für Bürgerinnen und Bürger in puncto künftiger Abwassergebühren fordert Haldorn eine namentliche Abstimmung, „damit man weiß, wer schlussendlich die Verantwortung trägt“.
Gut ein halbes Dutzend Abweichler - und ein Schreckensszenario
Und genau hier wird‘s dann taktisch im Rat. Mit einer namentlichen Abstimmung will Haldorn Abweichler in den eigenen Reihen möglichst vermeiden. Klar, wer stellt sich schon öffentlich gerne gegen den eigenen Fraktionschef? Doch die FDP ihrerseits forderte zu Beginn eine geheime Abstimmung – wohl wissend, dass man es Abweichlern so deutlich einfacher macht, ihr Kreuzchen vielleicht doch anders zu setzen. Nach kurzer Beratung liefert die Gemeindeordnung schlussendlich Antworten: Eine geheime Abstimmung hat Vorrang, sofern sich mindestens 20 Prozent der Ratsmitglieder dafür entscheiden. Das Votum fällt eindeutig aus, ehe die Ratsmitglieder zur Wahlurne schreiten müssen. Am Ende gibt‘s eine faustdicke Überraschung. Mit 33 zu 21 Stimmen stimmt das Stadtparlament für die Übertragung des Kanalnetzes – mit den Zusätzen aus dem FDP-Antrag. Nach WP-Informationen gab es in Reihen der CDU mindestens sieben Abweichler. Vier von ihnen – Matthias Eggers, Brigitta Erdem, Peter Maywald und Sebastian Schmidt – hatten ihre Stimme für die Übertragung des Kanalnetzes demnach bereits im Vorfeld der Ratssitzung intern deutlich gemacht.
Was der Hönnestadt im Falle einer Ablehnung des Millionen-Deals gedroht hätte, ist durchaus abzusehen. Spätestens 2026, wenn eine erneute Haushaltssicherung möglich scheint, hätte man Grund- und Gewerbesteuer anheben müssen. Ein Szenario, das in der heimischen Wirtschaft wohl ebenfalls absehbar gewesen ist, und das einige Ratsmitglieder nach WP-Informationen verhindern wollten.