Balve. Noch kurz vor der Abstimmung im Rat gibt es kritische Stimmen für eine Übertragung des Kanalnetzes. Was das für die Stadt bedeutet.

Abgenickt, aber nicht ohne Misstöne. Balve wird sein Abwasserkanalnetz an den Ruhrverband übertragen. Die Zustimmung im Rat dafür war groß. UWG-Fraktionschef Lorenz Schnadt hätte diesen Punkt aber lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt und sieht langfristige Fragen unbeantwortet.

Zehn DIN A4-Seiten, und damit verhältnismäßig umfangreich, waren die Beschlussvorlage und Erläuterungen für diesen Tagesordnungspunkt der Ratssitzung in der Realschulaula: Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht zum 1. Januar 2023 auf den Ruhrverband und gleichzeitig auch die Übertragung des Kanalnetzes dafür. Darin dargestellt quasi das umfangreiche Vertragswerk für diese Übertragung, wie sich Stadt und Ruhrverband die künftige Aufgabenteilung vorstellen, wer welche Kompetenzen behält oder neu bekommt. Vor allem aber ist darin die Summe aufgeführt, die der Ruhrverband an die Stadt als Ausgleichszahlung leisten möchte: fast 23 Millionen Euro.

UWG-Fraktionschef Lorenz Schnadt hakte zu Beginn des Tagesordnungspunktes nach: „Wie setzt sich diese Kalkulation zusammen? Dazu ist hier nichts erklärt.“ Das übernahm dann Kämmerer Hans-Jürgen Karthaus: Nicht ganz 15 Millionen Euro entfielen auf das Anlagevermögen, also den Bestand des Kanalnetzes, nachzulesen auch in der Bilanz. Weiterhin seien pro Jahr etwa 400.000 Euro angesetzt, die der Ruhrverband als finanziellen Vorteil durch die Übertragung erwirtschaften könne. Bei einer Vertragsdauer von 20 Jahren à 400.000 Euro seien das die weiteren acht Millionen Euro, die dann zusammen knapp 23 Millionen ergeben. Für Schnadt allerdings alles keine Zahlen und Summen, die in die Öffentlichkeit gehörten.

Antrag auf Nichtöffentlichkeit

Der WP teilte er auf Nachfrage mit, er hätte die Ausgleichssumme des Ruhrverbandes nicht in der öffentlich zugänglichen Beschlussvorlage genannt. Etwa weil man diese Summe nun als Vergleich heranziehen könne, wenn andere Städte in Verhandlung träten mit dem Ruhrverband über ein ähnliches Vertragswerk. In der Ratssitzung berief sich der UWG-Chef auf den Paragrafen sechs der Geschäftsordnung des Balver Stadtrates, wonach unter anderem Liegenschaftsangelegenheiten oder Auftragsvergaben nichtöffentlich abzustimmen seien. In der Verwaltungsspitze sah man das anders. Auf Schnadts Antrag wurde dann zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten, wie es mit dem Tagesordnungspunkt weitergeht. Presse und Zuhörer wurden aber schnell wieder in die Aula zurückgerufen, der Antrag wurde mehrheitlich abgewiesen, die Angelegenheit blieb im öffentlichen Teil.

Lorenz Schnadt blieb aber auch im Anschluss noch nicht restlos zufrieden. Die Frage, wie es nach den 20 Jahren Vertragslaufzeit etwa mit dem Kanalnetz weitergehe, habe ihm auch in der Ratssitzung niemand erschöpfend beantworten können oder wollen. Über die Frage der Öffentlichkeit in der Abstimmung erwarte er sich einfach eine generelle Klärung. Die Verwaltungsspitze, allen voran Bürgermeister Hubertus Mühling, hatten in der Ratssitzung noch einmal nachdrücklich für die Übertragung geworben, wie auch schon im Laufe des gesamten Prozesses (wir berichteten). „Wir können mit sehr gutem Gewissen so entscheiden“, beteuerte Mühling. Er verwies auch darauf, dass Verwaltung und Politik über alle wichtigen Entscheidungen weiter die Oberhand behielten, nicht der Ruhrverband. So über die Höhe der Gebühren, über Investitionsmaßnahmen, über das Abwasserbeseitigungskonzept. Laut des Vertragswerkes bekommt der Ruhrverband das wirtschaftliche Eigentum am Kanalnetz übertragen, nicht aber das juristische.

Hubertus Mühling betonte weiter, dem Ruhrverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts sei eine Gewinnerzielungsabsicht verboten, man begebe sich an einen verantwortungsvollen, verlässlichen Partner mit dem man schon lange zusammenarbeite. „Wir haben es mit einem soliden Partner zu tun“, so das Stadtoberhaupt. Der Verband übernehme in Balve zukünftig Aufgaben, die er aufgrund des Know-hows und der Personalausstattung besser durchführen könne. Und der Stadt entfielen noch Kosten für Instandhaltung sowie Zinszahlungen. CDU-Fraktionschef Alexander Schulte unterstrich, die Städte Schalksmühle und Schmallenberg hätten mit der Übertragung auf den Ruhrverband sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Abstimmung fiel dann auch deutlich für die Übertragung aus. Es gab lediglich zwei Enthaltungen aus Reihen der UWG. Lorenz Schnadt aber stimmte mit „Ja“.

Für Unmut bei UWG und SPD sorgte die Äußerung von Jörg Roland (CDU), alle Fakten seien lange bekannt und man solle nicht mehr kurz vor der Ziellinien Bedenken vorbringen und ausgiebig diskutieren wollen. Antwort der Minderheitsfraktionen: Genau der Rat sei der richtige Ort für diesen kontroversen Austausch.