Lendringsen. Der bange Blick in den Himmel gehört bei vielen Lendringsern mittlerweile zum Alltag, sobald Starkregen angekündigt ist.
Die letzten Hochwasserschäden waren gerade beseitigt, da standen zahlreiche Keller in Lendringsen prompt wieder unter Wasser. Was für viele wie ein Alptraum klingt, ist für mehrere Lendringser bittere Realität gewesen nach den neuerlichen Überschwemmungen. Mit einer Unterschriftensammlung samt Bürgerantrag wenden sie sich nun an die Stadt. Aus ihrer Sicht ist das Kanalnetz mittlerweile hoffnungslos überlastet.
Letzte Handwerkerrechnungen gerade erst beglichen
Weit über 60 Unterschriften finden sich in einem Bürgerantrag aus Lendringsen, der die Stadt nun auffordert, die Kanalisation ins Visier zu nehmen. „Gerade Neu- und Umbauten der Straßen und Wohngebiete wie am alten Sportplatz, in der Thomas-Mann-Straße oder an der ehemaligen Schützenhalle lassen Lendringsens Bürger aufhorchen“, heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Unterstützung erhalten die Lendringser dabei von Mirko Kruschinski, der das Vorhaben ausdrücklich nicht als SPD-Ratsmitglied unterstützt, sondern vielmehr als Anwohner und Unternehmer vor Ort.
+++ Hintergrund: Hochwasserschutz – Menden im Streit mit Nachbarstadt Balve +++
„Ich habe eine Kundin, der in zwei Jahren vier Mal der Keller voll gelaufen ist“, berichtet Kruschinski. Die letzte Malerrechnung habe sein Versicherungsunternehmen gerade erst kurz vor der Überschwemmung beglichen. Und damit stehe die Betroffene keineswegs alleine dar. Mehrere Tage lang lag anschließend eine Unterschriftenliste in Geschäften an der Lendringser Hauptstraße aus – als sich parallel der Müll des Hochwassers auf den Bürgersteigen stapelte. Vor allem Neubauten seien aus Sicht der Lendringser ein Problem, erklärt Mirko Kruschinski im Gespräch mit der Westfalenpost. So komme es neuerdings auch an der Thomas-Mann-Straße zu vollgelaufenen Kellern. Ein Problem, das so bisher noch nicht zu beobachten gewesen sei. „Es ist ja toll, dass Wohnraum entsteht. Aber das Kanalnetz ist auch endlich. Zumindest ist das der Eindruck, den viele in Lendringsen haben.“
Das Problem erinnert an Schwierigkeiten jenseits der Ruhr. Im Fröndenberger Ortsteil Ostbüren klagen Anwohner ebenfalls seit Jahren über ständig überflutete Straßen und Keller. Wasser und Matsch schießen dort regelmäßig den Hang hinab ins Dorf. Nach den Anwohnerprotesten hat die Stadt dort reagiert – und die Eindrücke, dass das Kanalnetz überfordert sein könnte, verdichten sich nach ersten Begutachtungen von Experten.
Dass das Kanalnetz nicht gerade im Handumdrehen erneuert werden kann, liegt angesichts enormer Erdbewegungen, die dafür nötig wären, auf der Hand. Doch dann müsse man, so Kruschinski, andere Lösungen finden. Denkbar seien zusätzliche Versickerungsmöglichkeiten entlang der Lendringser Hauptstraße. Wer den Keller ständig voll Wasser hat und das Haus dazu über Wochen voll mit Handwerkern, die die Schäden ausbessern müssen, der sei letztlich auch irgendwann „mit den Nerven am Ende“.
Das Wasser sucht sich seine Wege
Das deckt sich auch mit den Erfahrungen von Marion Kölling. Auch in ihrem Geschäft an der Lendringser Hauptstraße lag die Unterschriftenliste aus. Immer wieder hätten ihr Kunden bisweilen verzweifelt von ihrem Leid berichtet; von überfluteten Kellern und dem bangen Blick in den Himmel, sobald Starkregen angekündigt ist. „Es sind schon Tragödien, die sich hier abgespielt haben“, sagt Marion Kölling. Und während ihr Geschäft bisher größtenteils vom Hochwasser verschont blieb, sieht es bei ihr Zuhause an der Otto-Weingarten-Straße gänzlich anders aus. An der Eingangstür, die auf Kellerniveau liegt, sei inzwischen eine Spundwand angebracht worden, drei Pumpen sorgen im Zweifel dafür, dass es so trocken bleibt, wie es nur geht. „Das alles nützt aber natürlich nichts, wenn schon alles voll gelaufen ist“, so Kölling. Auch am vergangenen Donnerstag, als Menden größtenteils von mehreren Starkregen-Zellen verschont blieb, habe sie nicht ruhig schlafen können. „Die Gesundheit und die Nerven bleiben vollkommen auf der Strecke.“ Man versuche, den Schaden so gering wie möglich zu halten, „aber das Wasser sucht sich natürlich seine Wege“.
Es ist eine gewisse Angst, die in Lendringsen beim Thema Starkregen inzwischen umgehe. Selbst an Orten, die bis vor kurzem mit dem Thema Hochwasser nie etwas zu gehabt hätten. Und genau das sorge schlussendlich auch für eine gewisse Solidarität in Lendringsen. Der Gedanke, dass es „heute den Nachbarn trifft und morgen mich“ sei mittlerweile traurige Realität.