Lendringsen. Am Tag nach dem Hochwasser im Süden Mendens laufen die Aufräumarbeiten – und die Tränen. Für viele Mendener ist es nicht das erste Hochwasser.
Der Schlamm schmatzt unter den Füßen, die Schuhe haben kaum Halt. „Ich bin schon gefallen“, sagt Peter Elbers (75). Sein Arm schmerzt etwas. Mit Gummistiefeln gleitet er durch den Modder, den Kärcher hat er zur Hand. Vorsichtig versucht er, wenigstens den Weg ums Haus an der Lendringser Hauptstraße vom Matsch zu befreien. Er wohnt mit seiner Frau Esther-Beate in der Wohnung im Untergeschoss.
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Direkt am löchrigen Wall, hinter dem sich die Bieber am Tag nach dem Hochwasser durch den Ortsteil schlängelt. „Die Wasserratten und Mäuse haben den Wall durchlöchert. Wenn das nochmal passiert, dann wird der Wall den Geist aufgeben“, sagt Ester-Beate Elbers (63). Spundwand und Spezialscheibe vor dem Fenster haben das Schlimmste verhindert. „Wir haben am Tisch gesessen und gespielt. Es war schlimm zu sehen, wie das Wasser immer weiter steigt. Mir war angst und bange.“ Doch dieses Mal ist nur wenig Wasser ins Innere gelangt. Glück im Unglück, das viele Nachbarn nicht teilen. Es ist Dienstagmorgen in Lendringsen – und Tränen fließen.
Kinderzimmer ist jetzt eine Schlammgrube, alle Autos zerstört
Eine ältere Dame, die anonym bleiben möchte, steht im Dreck. „Wir haben bis 2 Uhr gearbeitet, kurz geschlafen und sind seit 7 Uhr wieder dabei alles auszupumpen“, sagt sie und hat Tränen in den Augen. Die Situation macht ihr zu schaffen. Es ist nicht das erste Hochwasser. Zum dritten Mal erlebt sie das jetzt hier neben der Bieber. „Das war heftig“, sagt sie. Bis jetzt habe sie nur funktioniert, langsam realisiere sie, was eigentlich passiert ist. Wieder.
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Noch schlimmer hat es eine Nachbarin erwischt. Die Familie wohnt in der Meierfrankenfeldstraße. Vor dem Haus türmen sich kaputte, verdrecke Möbel. 1,50 Meter. So hoch stand das Wasser im Untergeschoss, das die Familie bis gestern bewohnte. Unter anderem Kinderzimmer und Schlafzimmer gleichen jetzt einer Schlammgrube. „Wir haben versucht vieles zu retten“, sagt die Mutter von zwei Kindern. Das Wasser sei so schnell gekommen – vor allem aus der überlasteten Kanalisation, weniger durch die Bieber, die direkt am Garten entlang fließt. „Wir haben noch versucht, die Gullis frei zu machen.“
Es hilft nicht. Die Tür platzt auf, Spundwände gibt es nicht. Das Wasser sucht sich seinen Weg ins Innere. Die Familie rettet ihre Tochter aus dem Untergeschoss und kann nur zusehen, wie ihr Zuhause verwüstet wird. „Das war der schrecklichste Tag“, sagt ihre elfjährige Tochter. „Das Wasser ist so schnell gestiegen. Ich hatte Angst um meine Hasen im Garten.“ Ihr ehemaliges Kinderzimmer hat sie am Dienstagmorgen noch nicht gesehen. Schlammiges Spielzeug und verschmierte Kinderräder im Garten deuten aber an, wie dramatisch die Lage ist. „Wir haben auch alle unsere Autos verloren.“ Auf die Frage, wie sie sich nun fühle, zuckt sie mit den Schultern. Überforderung. Ratlosigkeit. Vielleicht auch etwas Hilflosigkeit schwingen mit.
Zum vierten Mal abgesoffen in wenigen Jahren – Frust ist groß
Zum vierten Mal betroffen ist Matthias Schönbein, der mit seiner Lebensgefährtin Sandra Abel an der Lendringser Hauptstraße ein Haus hat. Rund 460 Quadratmeter Kellergeschoss hat er – alles war frisch renoviert in Handarbeit nach dem letzten Hochwasser. Die letzte Tür wurde erst wenige Stunden vor dem Starkregen eingesetzt. Jetzt ist alles wieder dahin: Bad, Waschküche, Fitnesskeller, Partyraum – alles unter Wasser oder voller Schlamm. Nur der Oldtimer in der Garage hatte Glück, weil Matthias Schönbein in sicherheitshalber auf eine Hebebühne gestellt hat. Falls es wieder so stark regnen sollte, dachte er. Aber der Regen kam schneller, als es ihm lieb war. Beängstigend. Frustrierend. „Ich kann das bald nicht mehr. Ich überlege das Haus zu verkaufen“, sagt Matthias Schönbein.
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Dort, wo die Bieber und die Hönne aufeinander treffen, wohnen Magdalena und Günter Stirnberg. Sie haben ein Haus mit großem Garten, der an die Bieber grenzt. Das Gras schmatzt, als Günter Stirnberg mit dem Kescher über den demolierten Rasen läuft. Drei Fische habe er gerade wieder in die Bieber befördert, sagt er laut gegen die Motorengeräusche der Pumpe. Mit einem Schlauch leitet das Paar das Wasser zurück.
Das Wasser kam von überall
„Das Wasser kam von überall. Ich wohne jetzt 46 Jahre hier und habe sowas noch nicht gesehen“, sagt Magdalena Stirnberg (68). Es habe sich eine große Welle gebildet. Günter Stirnberg (76) sei bereits gestürzt, als er Spundwände aus dem Keller hochholte. Das Haus ist trocken geblieben, aber der Arm tut weh. Trotzdem steht er mit Stiefeln im Garten. Es muss ja weitergehen. „Es wird Wochen dauern, alles wieder ordentlich zu machen“, sagt Günter Stirnberg mit Blick auf den Garten.