Menden. Cem Barış Özgüven hat für seinen Traumjob im Sauerland seine Heimat hinter sich gelassen. Wie Hightech mitten in Menden funktioniert.

Der Blick von der großen Fensterfront schweift über das Gewerbegebiet Hämmer. Wo jetzt noch größtenteils Ackerland ist, werden bald neue Unternehmen regelrecht aus dem Boden sprießen. Bei der Contura MTC GmbH hat man einen Platz in der ersten Reihe auf das Geschehen. Der Firmensitz ist modern, aber gleichzeitig unscheinbar – wie das Unternehmen selbst. Dabei entsteht hier der Grundstein für zahlreiche Alltagsteile. Von der Handyhülle und dem Armaturenbrett in modernen Autos bis zum Schraubverschluss für Getränkeflaschen. Mittendrin ist Cem Barış Özgüven, der für den Traumjob im Sauerland seine Heimat hinter sich gelassen hat und von der Millionenmetropole Istanbul nach Menden ausgewandert ist.

Wenn Arbeitskollegen zu Freunden werden

Es ist Anfang 2020. Noch machen nur Gerüchte über eine Krankheit die Runde, die später auf Jahre hinweg die gesamte Welt verändern wird. Und doch will Cem Barış Özgüven einen gewagten Schritt riskieren. Mit Frau, Katze und dem gesamten Hab und Gut von Istanbul nach Menden reisen. Kulturschock inklusive.

Doch das stört ihn nicht. Denn er weiß: In Menden wartet nicht nur sein Traumjob und die Hoffnung auf ein besseres Leben als in seinem Heimatland, sondern auch Freunde, die ihn tatkräftig unterstützen. Nachdem immer mehr Länder ab Mitte März 2020 einen Lockdown verhängen – Flugverbote inklusive – kommen allerdings doch kleine Zweifel auf. Nach mehreren gescheiterten Anläufen klappt es aber im April schließlich. „Irgendwie“, sagt Cem Barış Özgüven und lacht.

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Drei Jahre sind inzwischen vergangen. Und den Schritt von der Millionenmetropole am Bosporus ins beschauliche Mendener Sauerland hat er kein Stück bereut. Im Gegenteil. „Ich bin wirklich glücklich“, sagt der 32-Jährige. Dass der Kulturschock deutlich weniger drastisch ausgefallen ist als zunächst gedacht, liegt vor allem auch an seinem neuen Arbeitgeber.

Die Contura MTC GmbH hat ihm zwischenzeitlich bei der Wohnungssuche unterstützt, Arbeitskollegen und Freunde bei der Renovierung der neuen Bleibe mit angepackt, erinnert sich Özgüven. „Alle haben geholfen. Ich konnte am Anfang mit der Quarantäne ja nicht mal einkaufen gehen“, so der Maschinenbauingenieur. Doch genau so versteht sich das Mendener Unternehmen. Als Familie. Das wird an vielen Stellen deutlich. Im Miteinander wie auch an der Arbeitsatmosphäre selbst. Nach Feierabend ist die Frau des Chefs dann auch mal Deutschlehrerin, um den internationalen Kollegen den Start in Menden zu erleichtern.

Hightech-Job mitten in Menden

Im Job selbst dreht sich für den 32-Jährigen alles um die Optimierung von Arbeitsabläufenbei Spritzguss-Prozessen für Kunststoffe. Was sich zunächst sperrig anhört, reicht allerdings in sämtliche Gesellschaftsschichten. „Eigentlich hat jeder sicherlich schon mal mit einem Produkt von uns zu tun gehabt“, sagt der Projektmanager. Sei es eine Schiene bei einem Ikea-Regal, ein Joghurt-Becher, der Einsatz des Autologos am Kühlergrill oder Standfüße für Küchenmöbel.

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Wie wichtig in diesem Feld die Effizienz ist, rechnet Cem Barış Özgüven auch gleich vor. Wenn die Kunden durch eine Spritzguss-Form von Contura in der Herstellung nicht nur Energie, sondern auch je Teil nur eine Sekunde in der Fertigung sparen, macht das auf eine Million produzierte Teile gut einen Monat Arbeitszeit. Zeit, die entweder in eine höhere Auflage der Teile – bei zuvor gleichen Kosten – genutzt werden kann oder aber für eine schnellere Lieferung insgesamt. „Mit dieser Ersparnis kann man den Markt besser bedienen“, erklärt der 32-Jährige.

Der Teufel steckt hier buchstäblich im Detail: Je besser die Spritzguss-Formen gekühlt werden, desto schneller und effizienter können die Teile später produziert werden. Es entsteht weniger Abfall und Ausschussware. Wo und wie die Kühlmechanismen in einer solchen Form greifen müssen, das alles testet Contura. 3D-Modelle am Computer dienen als Ausgangslage für die späteren Designs der Gussformen.

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„Es ist ein Hightech-Job“, sagt Özgüven. Dass er selbst einmal Ingenieur in einer Hightech-Branche wird, war ihm bereits früh klar. „Ich wollte schon in der Grundschule Ingenieur werden, obwohl ich nicht mal wusste, was das war“, erinnert sich der 32-Jährige und lacht. Vorbild sei dabei auch sein Vater gewesen, der als Elektroingenieur arbeitete. Was der Beruf wirklich mit sich bringt, das habe er erst im Studium gelernt.

Deutsche Tipps für Restaurants in Istanbul

Dass er sich in Menden „wirklich glücklich und zuhause“ fühlt, hat vor allem mit den Arbeitskollegen zu tun, die inzwischen auch zu Freunden geworden sind. „Er ist deutscher als ich“, sagt Jörn Sengelaub mit einem Schmunzeln. „Dafür bist du türkischer als ich“, erwidert Özgüven, der stets auf die Restaurant-Tipps Sengelaubs in Istanbul setzt. Verkehrte Welt, kann man fast schon sagen. Und doch Alltag bei Contura.

Einen Traum möchte sich der 32-Jährige Projektmanager mit seiner Frau in Menden auf jeden Fall erfüllen. „Ein Haus mit kleinem Garten wäre schon schön“, sagt er. In Istanbul völlig undenkbar, „außer du bist Millionär“, witzelt Cem Barış Özgüven.