Menden. Um den Ursprung der Mendener Kreuztracht ranken sich Legenden von Pest und Bürgermeistern. Die katholische Kirche erklärt ungewohnt nüchtern.
Die geschichtlichen Hintergründe der Mendener Kreuztracht sind nicht eindeutig geklärt. Es gibt verschiedene Theorien. Auch die Zählweisen zum Ursprung sind sehr unterschiedlich. Der Ursprung der Kreuztracht taugt als Diskussionsstoff für lange Abende.
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Theorie eins: Die an Pest erkrankte Ehefrau eines Bürgermeisters
Es hält sich seit Jahrhunderten die Legende, dass die an der Pest erkrankte Frau des Bürgermeisters im Jahr 1684 just am Karfreitag von der tödlichen Krankheit geheilt worden sein soll. Daraufhin soll der Bürgermeister gelobt haben, eine Kapelle am Rodenberg zu bauen. Seitdem soll auch die Prozession stattfinden.
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Die Katholische Kirche – sonst um Legenden weniger verlegen – betont, dass dies an der „geschichtlichen Wahrheit vorbeigeht“. Der Pastoralverbund Menden sieht den Ursprung der Mendener Kreuztracht viel weniger spektakulär in privaten Abendwallfahrten. Es gebe erste Hinweise auf diese Wallfahrten zur Kapelle auf dem Rodenberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Pastoralverbund verweist auf die Hollmannsche Chronik. Darin heiße es, „dass im Jahre 1792 die Karfreitagsprozession wegen der schlechten Witterungsverhältnisse nicht abgehalten werden konnte, welches bei altem Menschen Gedenken niemals geschehen ist“. In den Jahrhunderten nach der Reformation entstanden deutschlandweit Kreuztrachten und ähnliche Wallfahrten an Karfreitag.
Theorie zwei: Die katholische Kirche tritt auf die Bremse
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts dann seien „alljährlich am Karfreitag bereits so viele fromme Beter zur Kreuzkapelle auf dem Rodenberg“ gekommen, dass der Mendener Pfarrer und Erzpriester Johannes Eberhard Zumbroich sich gezwungen gesehen habe, eine Prozessionsordnung zu erlassen, „da er offensichtlich mit der äußeren Form, in der die Prozession ihren Ablauf nahm, nicht einverstanden war“. Aus Sicht des Pastoralverbundes ist das die Grundlage der heutigen Kreuztracht.
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Mit sehr konkreten Daten dagegen ist die Historie der Kreuztracht versehen, die Maria Müller in den 1950er Jahren aufschrieb: Die 1965 verstorbene Rektorin der Wilhelmschule sieht den Ursprung ebenfalls im Jahr 1684. „Am 14. Mai dieses Jahres stellten Bürger der Stadt an den Magistrat den Antrag, auf dem Romberg (Rodenberg) zur größeren Ehre Gottes und zur Förderung der Andacht zum bitteren Leiden und Sterben Christi ein Kapellchen und sieben Fußfälle erbauen zu lassen“, heißt es in ihren Ausführungen. „Am 18. April 1685 erteilte das Erzbischöfliche Generalvikariat die Erlaubnis, auf dem Berg, dem man nun den Namen Kalvarienberg beilegte, zur Ehre der schmerzhaften Jungfrau Maria unter dem Schutze des heiligen Antonius von Padua eine Kapelle nebst sieben Fußfällen an dem dorthin führenden Weg zu erbauen.“
Theorie drei: Konkrete Daten aus dem Jahr 1685
Bei der dann ersten Mendener Kreuztracht im Jahr 1685 sollen dann „Bürgermeister Winemar Schmidtmann und sein Aktuarius Heinrich Wulf“ (der Bürgermeister taucht auch unter der Schreibweise Wennemar Schmittmann auf) das Kreuz zu der Stelle getragen haben, an der die Kapelle gebaut wurde.
Bei der großen Mendener Kreuztracht am Freitagmorgen trägt ein Christusdarsteller in weißer Tunika und roter Toga das Kreuz über den Berg. Er ist bewusst bis zur Unkenntlichkeit gekleidet. Auf dem Kopf trägt er eine Perücke und eine Dornenkrone. Neben ihm läuft der Darsteller des Simon von Cyrene.
Die Darsteller für die insgesamt 32 Kreuztrachten werden vorher ausgelost. Die meisten Darsteller schweigen dazu, dass sie die Rolle übernommen haben. Viele Darsteller sehen die Kreuztracht als besondere Form des Zu-sich-Kommens und der inneren Buße. Zum Teil schließen sich 10.000 und mehr Menschen der Kreuztracht an. Der Kreuzweg ist etwa 2,6 Kilometer lang und besteht aus 19 Stationen.
Die Mendener Kreuztracht heute: Bürgermeister sind gerne in erster Reihe dabei
Auch unter schwierigsten Bedingungen im zweiten Weltkrieg fand die Kreuztracht statt. In den Jahren 2020 und 2021 wurde die große Kreuztracht offiziell wegen Corona abgesagt und fand in kleinerer individueller Form statt. Der damals amtierende Bürgermeister Martin Wächter (CDU) ließ es sich 2020 aber nicht nehmen, in einer nicht angekündigten Aktion, das Kreuz mit über den Berg zu tragen. Auch selbst nicht strenggläubige Bürgermeister sahen sich in der Tradition von Winemar Schmidtmann und liefen die Kreuztracht in erster Reihe mit.
Einen Streit löste im Jahr 2015 SPD-Ratsherr Mirko Kruschinski aus, als er die Kreuztracht als katholische Folklore bezeichnete. Etliche Katholiken fühlten sich verletzt. Viele Bürger stimmten Kruschinski aber auch zu.
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