Menden. .

Das Entstehungsjahr hatten die Mädchen der 8. Klasse der Wilhelmschule auf ihrem Kunstwerk unübersehbar festgehalten: „Anno Domini 1953“. Ihr Entlassungsjahr aus der Wilhelmschule. Als Thema des 1 x 2 Meter großen Wandteppichs hatten sie den Karfreitag mit seinen Prozessionen zum Berg ausgesucht, ein Thema, wie es besser zu Menden kaum passen kann.

Entwurf auf Tapete und Papier

Mit Josef Tapprogge vom Siebergskamp (Jahrg. 1938) hat ausgerechnet ein Mann dieses Schmuckstück vor kurzem aus der Vergessenheit hervorgeholt, vor zwei Tagen zum Hörer gegriffen und auf Formentera seine gleichaltrige Kusine Sieglinde Tapprogge angerufen und befragt. „Ach, das sind doch mehr als 60 Jahre her,“ sinnierte sie auf der spanischen Insel, wohin es sie verschlagen hat, und wusste doch gleich wieder Bescheid: Frau Düssel war Klassenlehrerin, Kunstlehrerin Lotte Friedrich, verheiratete Bußmann, zuständig für Werken und Malen. „Den ersten Entwurf haben wir auf Tapeten und Papier gezeichnet“, fand Josef Tapprogge zudem bei Roswitha Hense-Hammerschmidt in Menden heraus.

Was damals vor 62 Jahren geschah, dürfte heute kaum noch möglich sein: Die Mädchen werkelten nachmittags in der Schule in ihrer Freizeit. Wolle und Garn brachten die Schülerinnen von zu Hause mit. Gestiftet von den Eltern. Siglinde Tapprogge war für gewisse Stick­arbeiten zuständig, weitere Strick- und Webarbeiten führten die Mädchen gemeinsam unter Regie von Lotte Friedrich aus. „Nachdem dieser Wandteppich fertig war, fühlten wir uns alle glücklich und zufrieden,“ verriet Siglinde.

Wie taucht solch ein Thema nach so langer Zeit plötzlich wieder auf? Vor zwei Jahren, 60 Jahre nach der Schulentlassung, hatte Siglinde ihren Vetter Josef mal beiläufig am Telefon gesagt: „Wir haben doch mal so einen Teppich gemacht, was aus dem wohl geworden ist?“ Josef Tapprogge hat ihn ausfindig gemacht. Der Teppich liegt im Museum. Als er Museumsleiterin Jutta Törnig-Struck fragte, bejahte sie, dachte kurz nach, in welchem der vielen Räume er gut verpackt lag und rollte ihn fürs Foto aus.

Das Kunstwerk war nach der Fertigstellung in der Sparkasse ausgestellt und bestaunt worden und wird seitdem im Museum verwahrt. Dort wird es nur zu gewissen Ausstellungsthemen gezeigt, ansonsten gut für die Nachwelt erhalten.

Obwohl gleichaltrig und in der derselben Schule haben Vetter und Kusine Siglinde und Josef Tapprogge nicht eine gemeinsame Klasse besucht. Mädchen und Jungen waren damals streng getrennt, selbst auf dem Schulhof. Klassenlehrer der Jungen war der vor kurzem verstorbene Karl Goßner. Als ich Josef Tapprogge fragte, was die Jungen denn zum Abschluss der Schulzeit gemacht haben, lachte er: „Nichts, wir waren faul.“