Fröndenberg/Dortmund. Eigentlich war der heute 32-Jährige bereits verurteilt. Doch der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil. Nun geht es nochmals um das Motiv.

Die eigentliche Tat gilt als bewiesen, aber die Motivlage des Täters als nicht ausreichend ergründet. Der Prozess wegen der Messerstecherei im Himmelmannpark im Oktober 2019 wird in Teilen neu aufgerollt. Die Frage ist nun, ob der Angreifer sein Opfer wirklich töten wollte.

„Das ist schon für Juristen schwierig“, erklärte Britta Graja, die als Vorsitzende Richterin, schon im vergangenen Jahr für den Prozess wegen der Bluttat im Himmelmannpark verantwortlich war. Nun sitzt sie erneut dem Schwurgericht am Dortmunder Landgericht vor. Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte die Kammer den heute 32-Jährigen wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.

BGH hat Teil des Urteils verworfen

Fristgerecht aber ging der Mann in Revision. Und in Teilen hat er Recht bekommen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Teil des Urteils verworfen und an das Dortmunder Landgericht zurückverwiesen. Und das ist die genaue Rechtslage, die Richterin Graja wie eingangs genannt als selbst für Fachleute nicht ganz einfach zu verstehen und zu erklären ist: Das eigentliche Tatgeschehen sieht auch der BGH als durch den Prozess bewiesen an. Aber handelte der Täter wirklich in der Absicht, sein Opfer zu töten? Er soll ihn nach sieben Messerstichen nahe des Ruhrbalkons im Himmelmannpark schwer verletzt auf dem Bogen liegend zurückgelassen haben. Aber musste der Angreifer davon ausgehen, dass sein Bekannter an diesen Stichen auch versterben wird? Oder war der Mann aus seiner Perspektive vielleicht schwer, aber nicht unbedingt tödlich verletzt? Immerhin hatte der Täter gut eine halbe Stunde später dem Opfer eine Nachricht geschrieben: „Lass mich wissen dass es dir gut geht. Geht es Dir gut?“

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Das Schwurgericht in Dortmund hatte in seinem Urteil vor einem Jahr, und nun geht es juristisch ans Eingemachte, eindeutig verneint, dass der Angeklagte irgendwann während des Angriffs von seiner Tötungsabsicht zurückgetreten sei. Der Bundesgerichtshof schrieb dazu: Die Verneinung eines möglichen Rücktritts ist in dem Urteil nicht ausreichend begründet. Anders gesagt: Das Gericht hat in dem Urteil nicht ausreichend dargelegt, warum aus seiner Sicht der Täter den Kontrahenten tatsächlich töten wollte. Oder ob er ihn nur verletzen wollte.

Opfer war völlig arglos

„Das stimmt auch so, da gibt es eine Lücke“, äußerte sich Graja rückblickend zur damaligen Entscheidung. „Das äußere, eigentliche Tatgeschehen steht objektiv fest“, las die Juristin dann aus der Zurückweisung des BGH nun im Verhandlungssaal vor. Nach dem Verfahren, welches sich 2020 über 19 Termine hinzog, gilt somit Folgendes als bewiesen: Der heute 32-jährige syrische Staatsbürger griff sein Opfer – ein Bekannter ebenfalls mit syrischen Wurzeln, den er in einer Unterkunft in Menden kennengelernt hatte – am 18. Oktober 2019 kurz nach 22 Uhr im Himmelmannpark mit einem Messer an. Der Bekannte war völlig arglos. Er wurde durch sieben Messerstiche in Gesicht, Schulter und Bauch lebensgefährlich verletzt.

Ohne Not-OP hätte der Angriff noch fataler ausgehen können. Aber noch heute leide er ganz massiv unter dem Vorfall von damals, hatte das Opfer im ersten Verfahren als Zeuge ausgesagt. Jetzt in der Neuauflage muss er wohl nicht mehr aussagen. Wie auch die meisten anderen Zeugen nicht. Es kann nun mit einem deutlich kürzeren Verfahren gerechnet werden, zunächst waren vier Termine angesetzt. Denn wie schon beschrieben, soll es nun nur noch um die Motiv- und Gedankenlage des 32-jährigen Täters gehen, was er in diesen Momenten dachte und bezwecken wollte – um sein eigenes Vorstellungsbild während der Tat, wie es juristisch auch genannt wird.

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Fraglich erscheint aber, ob er die Intention dieses neuen Prozesses versteht. Sein Verteidiger erklärte, dass er hoffe, diese Ausgangslage seinem Mandaten zusammen mit dem Dolmetscher vermitteln zu können. Der 32-Jährige hatte schon dazu ansetzen wollen, in der Verhandlung seine eigene Version eines ganz anderen Tatgeschehens darzustellen. Er hatte schließlich bis zum Schluss behauptet, von seinem Bekannten angegriffen worden zu sein und lediglich in Notwehr gehandelt zu haben. Richterin Graja wies den Mann darauf hin, dass das alles aber nicht mehr Bestandteil des Verfahrens sein wird.

Nächster Termin am 12. Januar

Ob nun noch eine Aussage des Angeklagten am nächsten Termin erfolgt, will der Verteidiger zunächst mit ihm beraten. Sollte die Mordabsicht schließlich doch als nicht bewiesen werden, dürfte wohl ein milderes Urteil als die siebeneinhalb Jahre fallen. Dann nämlich womöglich nur wegen gefährlicher Körperverletzung. Nächster Termin ist der 12. Januar.