Fröndenberg/Dortmund. Der Angeklagte im Messerstecherprozess schildert den Tattag im Himmelmannpark in Fröndenberg gänzlich anders als sein mutmaßliches Opfer.

Am sechsten Verhandlungstag des Messerstecherprozesses hat überraschend der Angeklagte sein Schweigen gebrochen. Ausführlich erklärte er die Hintergründe und den Tattag im Himmelmannpark in Fröndenberg, welchen er gänzlich anders schilderte als sein mutmaßliches Opfer.

Bisher hatte der 34-Jährige von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht. Und sich damit nicht dazu geäußert, ob er tatsächlich mit Vorsatz seinen 26-jährigen Bekannten im Oktober letzten Jahres auf Höhe des Ruhrbalkons mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt hatte. Am Beginn des sechsten Verhandlungstag aber teilte sein Verteidiger überraschend mit, der Mandant werde nun persönlich eine Erklärung zum Tattag und den Geschehnissen davor abgeben. Dazu nahm sich der 34-jährige Syrer dann mehr als zwei Stunden Zeit.

Aussage vor Gericht penibel vorbereitet

Seine Aussage hat er in der Untersuchungshaft anscheinend penibel vorbereitet, er trug von einem ganzen Stapel an Zetteln seine Version des verhängnisvollen Freitagsabends im Oktober 2019 vor. Der 34-Jährige setzte aber mit der Schilderung schon einige Zeit vorher ein. Dass eine junge Frau, zu dem das spätere mutmaßliche Opfer eine Beziehung unterhielt, Auslöser des Streites zwischen den beiden Männern gewesen sein soll, das hatte auch der 26-Jährige in seiner Zeugenaussage an einem früheren Verhandlungstermin berichtet. Und so schilderte es nun auch der Angeklagte. Zu dem 26-Jährigen habe er bis dahin ein gutes Verhältnis gehabt. „Er war wie ein Bruder für mich."

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Der 26-Jährige, der in Menden wohnt, unterhielt ein Verhältnis zu einer jungen Frau, seinerzeit noch nicht volljährig. Das schien ihrem Vater nicht zu passen und er beauftragte den hier Angeklagten, sich als Vermittler in diese Beziehung einzuschalten und dem 26-Jährigen klarzumachen, er soll sich von dem Teenager fernhalten. „Ich wollte zwar schlichten, mich in diese Sache aber auch nicht einmischen", erklärte der Angeklagte jetzt vor Gericht.

Gutes Verhältnis zu allen Beteiligen

Er unterstrich mehrfach, zu allen Beteiligten in diesem Konflikt eigentlich ein gutes Verhältnis gehabt zu haben. Dann sei der 26-Jährige aber immer aggressiver geworden, insbesondere als man sich dann einmal in Fröndenberg persönlich traf, habe dem Bekannten seine Männlichkeit abgesprochen. Der Angeklagte schilderte weiter: Obwohl er von dem Gegenüber so hart angegangen und auch beleidigt worden sei, sei er selbst freundlich geblieben. „Ich wollte, dass wir im Guten auseinandergehen." Die Gespräche und Ereignisse schilderte der Angeklagte in seiner Aussage minuziös und detailliert, gab zu allen Ereignissen etwa genaue Uhrzeiten an.

Mutmaßliches Opfer musste wieder nach Hause fahren

Die ausführliche Aussage des Angeklagten kam überraschend auch für das Gericht, das für diesen Prozesstag eigentlich noch eine weitere Vernehmung des mutmaßlichen Opfers geplant hatte.

Der Mann musste erneut unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Er wird nun frühestens im Juli noch einmal aussagen können. Sein Rechtsanwalt erklärte, wie sehr den jungen Mann diese Situation belaste.

Und dann erreichte er in seiner Aussage den 18. Oktober 2019 und damit den Freitagabend, als sich die beiden Männer auf Höhe des Ruhrbalkons begegneten und schließlich der 26-Jährige schwer verletzt in die Klinik gebracht und notoperiert werden musste. Soweit die Fakten. Während der Geschädigte den Angeklagten als Angreifer beschrieb, der plötzlich ein Messer gezogen habe, stellte es der Beschuldigte selbst genau anders herum da: Nur widerwillig habe er sich an dem Abend nach mehrfachem Drängen seines Bekannten in den Park gegeben.

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Dort sei er zunächst von einem dunkel gekleideten und vermummten Mann verfolgt worden, den er in der Dunkelheit aber nicht erkennen konnte weil er Probleme mit den Augen hat. Als er vor dieser Person geflohen sei, sei ihm sein Messer aus der Tasche auf den Boden gefallen. (Der Angeklagte arbeitete, so berichtete er, in einem Imbiss und darf dort seine privaten Küchenmesser bei Bedarf schleifen.) Dass es sich bei dem Vermummten um seinen 26 Jahre alten Bekannten gehandelt habe, habe er dann erst später erkannt, als dieser ihn ohne Vorwarnung von hinten mit diesem Messer angegriffen habe. Daraufhin habe sich er, der hier Beschuldigte, lediglich gewehrt und dabei vielleicht auch - genau wisse er es nicht - den Angreifer selbst mit dem Messer verletzt.

Gericht entscheidet über Glaubwürdigkeit

Wie glaubwürdig diese Version ist, wird das Gericht später zu entscheiden haben. Immerhin hat der Geschädigte mehrere tiefe Schnitt- und Stichverletzungen erlitten, die durch seine dicke Kleidung gedrungen sind. Das hatte am vorletzten Verhandlungstag auch der Rechtsmedizinier bestätigt: Die Verletzungen passen zum Anklagevorwurf. Ob das also lediglich aus Abwehrhandlung heraus passiert sein kann? Der Angeklagte jedenfalls stellte es so dar. Und sagte weiter, dass er auch nach dem gefährlichen Angriff durch seinen Bekannten noch um dessen Wohlergehen besorgt gewesen sein und ihn deshalb angerufen habe, als der Geschädigte noch schwer verletzt in den Ruhrwiesen lag, der Angeklagte aber schon auf dem Weg nach Hause war.

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Der 26-Jährige konnte schließlich noch rechtzeitig von den Rettungskräften gefunden und versorgt werden, während der 34-Jährige keine gravierenden Verletzungen erlitt.