Fröndenberg/Dortmund. Was war der Hintergrund des Messerangriffs im Fröndenberger Himmelmannpark? Darum geht es beim aktuellen Prozesstag in Dortmund.

War das Messerattentat im Fröndenberger Himmelmannpark im Oktober 2019 womöglich politisch motiviert? Diese Spekulation hat nun der Angeklagte in die Verhandlung eingebracht. Nach seiner Aussage soll ja nicht er der Angreifer gewesen sein, sondern der Kontrahent. Und das könnte mit den Wirren des syrischen Bürgerkriegs zusammenhängen.

Diesen Prozesstag vor dem Dortmunder Landgericht konnte man mit einer gewissen Spannung erwarten, denn nach diversen Aussagen von Bekannten und Freunden stand nun die zweite Vernehmung des mutmaßlichen Opfers an. Der 26-Jährige, aus Syrien stammender Asylbewerber, der nun in Menden lebt, war am Abend des 18. Oktober 2019 in der Nähe des Fröndenberger Ruhrbalkons im Himmelmannpark mit mehreren Messerstichen lebensgefährlich verletzt worden.

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Aber ist er auch tatsächlich das Opfer, so hatte er ausgesagt, oder hat er die Gewalt begonnen? Der Angeklagte jedenfalls hatte schon in vorherigen Aussagen letztere Version erzählt, er selbst will lediglich in Notwehr gehandelt haben.

Geldschulden und eine junge Frau

Zur Vorgeschichte der Tat hatten bisher die Beteiligten wie auch andere Zeugen aus deren Bekanntenkreis vor allem über Geldschulden und über die Beziehung des mutmaßlichen Opfers zu einer jungen Frau gesprochen. Dem Angeklagten soll dieses Verhältnis nicht gepasst haben, womöglich hatte er auch selber ein Auge auf die 18-Jährige geworfen, was verschiedene Mitschnitte von Text- und Sprachnachrichten nahelegen. Über diese Dinge hatten sich die beiden Beteiligten auch in den Tagen und Stunden vor der Bluttat im Himmelmannpark noch ausgetauscht, was nun in der Verhandlung weiter erörtert wurde.

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Dann aber kam überraschend ein neuer Aspekt in der Aufarbeitung: Als mögliches Motiv seines Kontrahenten nannte der Angeklagte über seine Anwälte mögliche Gründe für einen Angriff, die im bisherigen Verlauf des Prozesses nur ganz am Rande gestreift wurden. Dabei ging es zum Beispiel um den früheren Beruf des mutmaßlichen Opfers in seiner syrischen Heimat. Er habe dort in der Verwaltung einer staatlichen Behörde gearbeitet, sagte der 26-Jährige selbst dazu.

Die Verteidigung jedenfalls wirft die Frage auf, ob der junge Mann ein Unterstützer des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sei. Und er deshalb auf den mutmaßlich politisch andersdenkenden Angeklagten mit dem Messer losgegangen sei. Vielleicht, um alte Rechnungen aus dem gemeinsamen Heimatland zu begleichen. Allerdings hatten die beiden nach übereinstimmenden Aussagen auch schon mehrere Jahre in Deutschland als enge Freunde gelebt.

Nicht mehr sicher gefühlt

Die Frage der vorsitzenden Richterin Britta Graja, ob er Anhänger von Assad sei, beantwortete der 26-Jährige in seiner Zeugenaussage mit nein. Überhaupt stehe er keinem der verschiedenen Lager in dem Bürgerkriegsland nahe: „Ich mische mich nicht ein in die Politik und rede nicht darüber.“

Als Grund für seine Flucht 2015 nach Deutschland gab er an, dass er der Einziehung zum Militärdienst entgehen wollte und sich auch sonst nicht mehr sicher gefühlt habe in dem Land. Der Angeklagte wiederum wandte energisch ein, er habe eindeutige Beweise, dass sein Bekannter in der Armee Syriens gedient habe. Der 34-Jährige, der eigentlich in Fröndenberg wohnt, nun aber in Untersuchungshaft sitzt, wollte dabei zu einer weiteren Erklärung ansetzen und den folgenschweren Abend am Ruhrbalkon aus seiner Sicht schildern. Weil er das schon ausführlich getan hatte und ihm jetzt erst einmal nur das Stellen von Fragen an den Zeugen gestattet war, bremste ihn Richterin Graja ein. Für eine persönliche Erklärung sei im weiteren Verlauf des Prozesses noch Platz, jetzt aber nicht.

Keinen Blickkontakt

Das 26 Jahre alte mutmaßliche Opfer schien sich bei seiner Vernehmung nicht wohlzufühlen, mied Blickkontakt zu dem ehemals guten Freund. Er sei es doch gewesen, der mehrfach mit dem Messer angegriffen wurde, beteuerte der 26-Jährige, dem auch die persönlichen Fragen des Gerichts zu seiner Beziehung zu der 18-jährigen Frau nicht angenehm waren.

Der Angeklagte wiederum war, wie auch schon an den vorherigen Verhandlungstagen, sehr aufmerksam bei der Sache, machte sich Notizen und hätte gerne noch viel ausführlicher seine Sicht auf den Tattag dargestellt. „Ich würde das auf den Koran schwören“, wollte er eine seiner Aussagen unterstreichen. Dazu Richterin Graja nur: „Das sieht unsere Strafprozessordnung nicht vor.“