Olpe. Viktoria Langjahr aus Olpe berät Paare, die sich in einer Krise befinden. Sie verrät die wichtigsten Zutaten für eine erfüllende Beziehung.

Eine lange, glückliche und erfüllende Beziehung gilt als romantisches Ideal. Dabei ist sie keine Selbstverständlichkeit, sondern bedeutet regelmäßige Arbeit. Eine Arbeit, die sich durchaus lohnen kann. Viktoria Langjahr aus Olpe ist Familiencoach und berät in ihrer Praxis auch regelmäßig Paare, die in Konflikte geraten sind. Im Interview verrät sie, was es für eine stabile Beziehung braucht, warum die Veränderung immer bei einem selbst beginnt und wann eine Beziehung keine gemeinsame Zukunft mehr hat.

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Vielleicht die schwierigste Frage direkt vorneweg: Was sind die wichtigsten Zutaten für eine lange, glückliche Beziehung?

Viktoria Langjahr: Kommunikation ist das A und O. Das meint eine bewusste, aktive Kommunikation. Dass ich dem Partner zuhöre und ihn wertschätzend versuche zu verstehen. Das Problem ist, dass viele in einem Gespräch etwas sagen wollen, dem Partner aber gar nicht zuhören. Letztendlich hat jeder seine eigene Sichtweise. Im Coaching sage ich immer, dass jeder seine eigene Brille aufhat. Mit einem individuellen Filter, der durch unsere Erziehung und Erfahrungen entstanden ist. Jeder schaut durch seine individuelle Brille auf die Situation – und sieht sie dementsprechend anders. Es geht also darum, diese Filter ein bisschen anzunähern.

An welchem Punkt stehen die Paare, die Ihre Hilfe als Paar-Coach in Anspruch nehmen?

Wenn zerstrittene Paare hierher kommen, arbeiten wir erstmal daran, anders zu kommunizieren. Der erste Schritt dabei ist: Wir verzichten auf Vorwürfe. Denn wenn ich jemanden etwas vorwerfe, dann geht mein Gegenüber automatisch in die Abwehrhaltung, weil er sich angegriffen fühlt. Um das zu vermeiden, kommunizieren wir also nicht mehr mit „Du hast das und das gemacht“, sondern wir sagen „Ich fühle“ oder „Ich wünsche mir“. Das hilft, das persönliche Empfinden so zu erklären, sodass der Partner die Möglichkeit bekommt, uns zu verstehen.

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Erleben Sie in Ihren Coachings, dass trotz dieser gesendeten Ich-Botschaften, der Partner daraus einen Vorwurf hört und in die Abwehrhaltung geht?

In den meisten Fällen ist es so, dass die Menschen erst zu mir kommen, wenn es schon festgefahren ist. Deswegen braucht es Begleitung. Sonst drehen sich die Paare im Kreis. Ich bin dann eine Art Schiedsrichter, der dazwischengeht und daran erinnert, dass wir etwas anderes vereinbart haben. Und tatsächlich legen wir hier Vereinbarungen fest, auch schriftlich. Die dürfen die Paare dann auch mit nach Hause nehmen. Sie wollen ja etwas verändern. Wenn wir aber immer das Gleiche tun, was wir schon ewig gemacht haben, dann verändert sich nichts.

Gibt es einen falschen Zeitpunkt für Kommunikation?

Ich empfehle immer, nicht in hochkochenden Emotionen zu kommunizieren. Meistens geht etwas kaputt, wenn man wütend kommuniziert. Bei vielen ist es so, dass sie ihren Frust sammeln und schließlich explodieren. Das Ziel ist aber, eine wertschätzende Kommunikation so im Alltag einzubauen, damit das Fass erst gar nicht überläuft. Wenn man schon vorher spürt, dass es einem mit einer Situation nicht gut geht, ist es ratsam, den Partner zur Seite zu nehmen und das anzusprechen. Nicht zwischen Tür und Angel, sondern ganz bewusst einen Raum dafür schaffen. Das kann so aussehen, dass man den Partner fragt, ob er heute Abend Zeit für einen hat, weil man etwas wichtiges kommunizieren möchte. Ganz in Ruhe.

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Das klingt fast so – zumindest in der Theorie –, als ob damit viele Streitgespräche im Keim erstickt werden könnten.

Es ist utopisch zu glauben, dass es keinen Streit mehr geben wird. Es darf Streit geben. Mit einem Streit weisen wir daraufhin, was uns wichtig ist und wo unsere Grenze ist. Wenn Paare sich gar nicht streiten, dann sind sie sich egal. Und das ist noch schlimmer. Um eine gesunde, glückliche Beziehung zu führen, muss man aktiv in die Kommunikation gehen. Nicht darauf warten, dass der Partner kommt und etwas regelt. Jeder ist gefragt. Wenn es mein Ziel ist, eine glückliche Beziehung zu führen, dann muss ich auch etwas dafür tun.

Wie gehen Sie damit um, wenn ein Partner das Gefühl hat, mehr zu investieren bzw. mehr an der Beziehung zu arbeiten als der andere?

Ich erlebe oft, dass Paare dahingehend im Ungleichgewicht sind. Aber es hilft sich bewusst zu machen, dass man eben diesen Partner gewählt hat. Das heißt, ich wusste von Anfang an, dass er vielleicht anders kommuniziert als ich. Und vielleicht war es genau das, was mir am Anfang gefallen hat. Dass er mir eher zugehört als auf mich eingeredet hat. Wenn ich mir mehr Kommunikation wünsche, dann darf ich Fragen stellen. Oft ist es so, dass sich Extrovertierte zu Introvertierten hingezogen fühlen und andersherum. Das ist wie Yin und Yang. Solche Unterschiede haben durchaus Vorteile. Ein Problem ist, dass wir oft die Nachteile im Partner sehen.

Das heißt, dass man sich auch immer wieder bewusst machen sollte, welche Vorteile der Partner hat?

Genau. In der Beziehung geht es ganz viel um Fokus. Wenn ich mich beispielsweise auf die Zahnpasta-Flecken fokussiere, die mein Partner hinterlassen hat, dann ist das nicht das Problem meines Partners, sondern meins. Manche kochen bei solchen Kleinigkeiten förmlich über. Dabei ist das Thema in ihnen selbst. Was ich in dem Partner sehe, ist eigentlich in mir, weil es mich triggert. Im Coaching arbeiten wir daran, diese Trigger zu erkennen und sie zu bearbeiten. Meistens liegen diese Themen ganz weit zurück in der Kindheit. In solchen Fällen macht es Sinn, auch Einzel-Coachings durchzuführen. Ich hab‘ so einen Spruch: Wenn du jemanden ändern möchtest, dann fang‘ bei dir selbst an.

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Und wenn ich mich selbst ändere, ändert sich wahrscheinlich auch mein Umfeld, oder?

Das ist das Interessante dabei. Man lebt in einem System. Wenn ich auf einmal etwas anderes ausstrahle, dann reagiert der Partner auch anders. Ich habe oft Frauen im Coaching, die sich in der neuen Rolle als Mutter so sehr selbst vernachlässigen, dass sie depressiv sind. Sie fühlen sich mit der Verantwortung alleingelassen. In diesem Fall kann es sehr hilfreich sein, das Gespräch mit dem Partner zu suchen, um ihm zu sagen, dass sie sich vereinnahmt fühlen. Dass sie sich Unterstützung wünschen bei manchen Aufgaben. Wenn die Frauen wieder gut für sich selbst sorgen, dann passiert die Magie: Alles wird entspannter.

Das klingt fast so, als ob das automatisch passiert…

Es ist wichtig, das Ganze bewusst anzugehen. Wenn man merkt, dass sich die Beziehung in eine Richtung bewegt, die mir nicht gefällt, dann sollte man schon anfangen, etwas dagegen zu unternehmen. Nicht warten. Eine glückliche Beziehung zu führen ist aktive Arbeit. Das Ziel ist dabei entscheidend. Was wünsche ich mir? Wie stelle ich mir die Beziehung vor? Wie möchte ich selbst in der Beziehung sein?

Sie sagen, dass es utopisch ist, nicht mehr zu streiten. Wenn es also zu einem Streit kommt: Wie streitet man „gut“?

Es kann beim Streit natürlich auch mal laut werden. Wenn mir das aber später bewusst geworden ist, kann ich meinem Partner sagen, dass das nicht in Ordnung war. Letztendlich zeigt die Wut die Intensität, mit der ich etwas ausdrücken möchte. Im Nachhinein kann ich meinem Partner mein Verhalten erklären, damit er überhaupt die Chance bekommt, mich zu verstehen. In einem höflichen, wertschätzenden Ton, den er auch aufnehmen kann.

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Wann ist aus Ihrer Sicht ein Punkt erreicht, an dem eine Beziehung nicht mehr zu retten ist?

Wenn man merkt, dass es so verfahren ist, dass man sich schon so lange im Kreis dreht, obwohl man schon viel versucht hat, dann ist Trennung eine Option. Das Ziel von jedem Menschen sollte sein, glücklich zu sein. Wenn man aber merkt, dass man das in der Beziehung nicht mehr ist, dann wäre es besser sich in diesem Bewusstsein zu trennen. Und auch so eine Trennung kann wertschätzend ablaufen. Man kann sich bewusst machen, dass man eine Etappe glücklich miteinander gegangen ist. Dass es ein Lebensabschnitt war, der für beide wichtig war.