Bilstein. 2016 schloss der Kreis das damalige Altenheim. Seitdem liegt das einstige Hotel in Bilstein im Dornröschenschlaf. Der Zahn der Zeit zeigt Spuren.

Noch ist das letzte Kapitel nicht zugeschlagen, wenn auch vorbestimmt: der Wandel eines Gebäudes von der Pension zum florierenden Hotel samt Schwimmbad über ein Senioren- und Pflegeheim hin zur Ruine. Als das Burgdorf Bilstein sich noch mit dem Titel „Luftkurort“ schmücken durfte, drängten sich auf einem Wegweiser im Ortsmittelpunkt die Schilder, die auf die vielen Pensionen und Gästeunterkünfte hinwiesen, dicht an dicht. Und viele Jahre erfreute sich die Pension Kaufmann starker Nachfrage. Wer heute das vernachlässigte „Haus am Berg“ sieht, kann sich kaum vorstellen, dass hier einst die Gäste in Scharen ein- und ausgingen.

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Der Eingangsbereich des zuletzt als Altenheim genutzten Komplexes.
Der Eingangsbereich des zuletzt als Altenheim genutzten Komplexes. © Jörg Winkel

Wie Ulrich Rauchheld in seiner Chronik „Unser Dorf Bilstein“ niedergeschrieben hat, begann die Geschichte dieses Standorts im Jahr 1938, als Martha Kaufmann für ihr neues Gästehaus eine Konzession beantragte. Die Pension Kaufmann startete als Frühstückspension mit Platz für 22 Gäste. Bereits ab 1905 hatte Martha Kaufmann in ihrem Elternhaus, dem späteren Café Kaufmann, heute Imbiss Raam, eine Pension betrieben. Diese wurde angesichts starker Nachfrage auf 40 Betten ausgebaut. Durch Einheirat wurde Mitte der 1950er-Jahre aus der Pension Kaufmann das Hotel Kaufmann-Bender. Ein Hallenbad – übrigens eines von vier solcher Anlagen im Dorf – sowie WC und Dusche auf den Zimmern machten es zum begehrten Urlaubsziel für Sommerfrischler. Nach einem Verkauf wurde aus Kaufmann-Bender das „Hotel am Berg“, doch diese Phase währte nur kurz. Mit dem Niedergang des Fremdenverkehrs änderte sich die Nutzung des Gebäudes, und aus dem Hotel wurde ein Pflegeheim, das „Haus am Berg“. Zunächst für 50 Bewohnerinnen und Bewohner genehmigt, war es 2016 damit jedoch vorbei; der Kreis als zuständige Heimaufsicht schloss die Einrichtung, nachdem für die verbliebenen 24 Seniorinnen und Senioren andere Plätze gefunden worden waren. 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten sich neue Jobs suchen.

Die Wege auf dem Grundstück werden nach und nach von der Natur zurückerobert.
Die Wege auf dem Grundstück werden nach und nach von der Natur zurückerobert. © Jörg Winkel

Zuvor war der Betrieb in die Insolvenz gegangen; alle Versuche des Insolvenzverwalters, einen Investor zu finden, scheiterten. Seitdem steht das „Haus am Berg“ leer, der Zahn der Zeit nagt unübersehbar daran. Die umgebende Hecke hat inzwischen Dornröschen-Dimensionen erreicht, wie durch ein Wunder sind noch alle Fenster ganz. Vandalismus hat noch keine Spuren hinterlassen, nur der Zahn der Zeit – und die Natur, die die umgebenden Pflasterflächen und Wege langsam, aber sicher zurückerobert. Selbst am helllichten Tag hat es etwas Unheimliches, das frei zugängliche Gelände zu betreten.

Sieben Jahre Leerstand – und doch glaubt der Eigentümer an eine Zukunft für das „Haus am Berg“. Er habe es nicht aktiv beworben, räumt er am Telefon ein, Verhandlungen mit einer inzwischen insolventen Lennestädter Firma, die dort Mitarbeiter habe unterbringen wollen, und der Stadt seien im Sande verlaufen. Er habe im Inneren vor Jahren ein wenig zu renovieren begonnen, aber aufgrund der weiten Entfernung nach Kleve das Ziel ein wenig aus den Augen verloren. Er führe mehrere Immobilien, und das Objekt in Bilstein habe er zuletzt als eine Art Reserve betrachtet. „Eigentlich ist das ein schönes Haus, da kann man viel mit machen“, ist er überzeugt. Er könne sich vorstellen, es einem Nutzer zu überlassen, der eine Sanierung selbst schultert und die Investitionen dann auf die Miete anrechnen könne. Im nächsten Jahr wolle er sich das Ganze nochmal genau überlegen und dann auch prüfen, ob nicht auch ein Verkauf in Frage komme. Bis dahin werde er ab und zu einen Gärtner schicken, damit das Haus nicht ganz zuwachse. Interessenten finden an der Eingangstür einen Zettel mit der Telefonnummer des Eigentümers – neben abblätternder Farbe, wucherndem Wildkraut, blinden Scheiben und unübersehbarem Verfall.

„Lost places“ – ein Pseudoanglizismus, also ein englischer Begriff, den aber in England niemand verwenden würde. In Deutschland ist „Lost Places“ inzwischen ein feststehender Begriff für verlassene Bauwerke oder Liegenschaften, die von ihren Besitzern nicht mehr genutzt werden und aufgegeben sind. Ob Wohnhaus, Fabrik, Bergwerk, Steinbruch oder Friedhof – auch im Kreis Olpe gibt es diese Stätten, oft schon zu Ruinen verkommen, die für viele Menschen einen besonderen Reiz ausstrahlen. Anders als beispielsweise Industriedenkmäler sind sie nicht dokumentiert, nicht für Besucher geöffnet, es sind keine gesicherten Orte mit Hinweisschildern und Sitzbänken wie etwa die Ruine Waldenburg. In unserer diesjährigen Sommerserie werden wir uns dienstags und donnerstags mit solchen Stätten befassen, die nahezu im gesamten Kreisgebiet zu finden sind – manchmal gut verborgen, von der Natur ganz oder teilweise zurückerobert, manchmal auch präsent mitten in einem Dorf, dennoch verlassen und dem Verfall preisgegeben.