Attendorn. Die meisten Menschen fühlen sich im Alltag gestresst. Zwei Expertinnen aus Attendorn verraten überraschend einfache Tipps zur Entspannung.

Der Alltag hält viele Herausforderungen bereit. Ob Job, Familie, Haushalt, Freizeitaktivitäten – alles sollte idealerweise in Einklang gebracht werden. Das kann durchaus zu Stress führen. Zumal sich viele Menschen in einer Optimierungsspirale verlieren. Immer mehr, immer schneller, immer effizienter. Auf Dauer kann diese mentale Belastung krank machen. Dementsprechend wichtig ist es, im Alltag immer wieder für einen kurzen Moment innezuhalten. Aus dem Gedankenkarussell auszusteigen. Yoga-Lehrerin Constanze Taralli und Resilienz-Coach Julia Schmidlin aus Attendorn sind Expertinnen auf diesem Gebiet – und verraten ihre wertvollsten Tipps.

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1. Bewegung: Das muss nicht gleich Sport sein. Ein Spaziergang ist genauso hilfreich. „Schön ist es, wenn man solche Spaziergänge in den Alltag integrieren kann. Ich nutze zum Beispiel oft die Möglichkeit, zu Fuß zur Arbeit zu gehen. Das sind 30 Minuten hin und 30 Minuten zurück“, sagt Julia Schmidlin, die zusammen mit ihrem Mann auch das Gesundheitszentrum „Elithera“ am Nordwall in der Attendorner Innenstadt leitet. An Tagen, an denen sie Dackel Rudi mit zur Arbeit nimmt, bekommt dieser auch gleichzeitig seinen Auslauf. Aber auch schon kürzere Strecken können effektiv sein. Wenn in der Firma die Papierkörbe beispielsweise nicht unmittelbar neben dem Schreibtisch stehen, sind Mitarbeiter dazu aufgefordert, aufzustehen und sich ein paar Schritte vom Monitor wegzubewegen. Das kann schon einen Perspektivwechsel mit sich bringen.

Resilienz-Coach Julia Schmidlin (links) und Yoga-Lehrerin Constanze Taralli sitzen in einem Kursraum des Yogazentrums in Milstenau. 
Resilienz-Coach Julia Schmidlin (links) und Yoga-Lehrerin Constanze Taralli sitzen in einem Kursraum des Yogazentrums in Milstenau.  © Britta Prasse | Britta Prasse

Natur hat eine entschleunigende Wirkung

2. Natur: Ein Ausflug in die Natur wirkt entschleunigend. Es gibt keinen Lärm, keine Technik, keine Ablenkung. „Natur ist monoton. Und deswegen für viele schlecht auszuhalten“, meint Constanze Taralli. Doch genau das sei eine Chance. Die „Leere“ wahrzunehmen und sie mit dem füllen zu können, was man persönlich anziehen möchte. Wenn man die natürliche Umgebung mit allen Sinnen erfasst, sie sieht, riecht, hört, fühlt und vielleicht sogar schmeckt, hat das Auswirkungen auf das Nervensystem. „Nachdem ich in der Natur war, fühle ich mich danach immer beruhigter. Wieder geerdet“, sagt Julia Schmidlin.

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3. Achtsamkeit: Es ist ein zentraler Baustein in der Yoga-Lehre: achtsam mit der Umgebung und mit sich selbst zu sein. Es ist ein Lernprozess, mit der Wahrnehmung im gegenwärtigen Augenblick zu bleiben, ohne dabei zu bewerten. Doch schon am Anfang der Reise kann man sich so Mikro-Momente schaffen, die nachträglich entspannen. „Das geht ganz wunderbar in der Natur. Sich einfach eine Bank suchen und ins Nichts schauen“, meint Taralli. Dabei bewusst den Atem wahrnehmen, ohne an seinem Rhythmus etwas zu verändern. Hilfreich ist es am Anfang, wenn der Verstand in dieser „Leere“ eine Aufgabe bekommt, in dem man zum Beispiel die einzelnen Atemzüge zählt.

4. Pausen: Bei einer langen „To-do“-Liste neigen viele Menschen dazu, pausenlos durchzuarbeiten. Vielleicht sogar noch das Mittagessen vor dem Bildschirm einzunehmen. „In unserer Arbeitswelt wird das häufig immer noch als etwas Tolles angesehen. Oft steckt dahinter der Glaubenssatz, dass ich viel leisten muss oder dass ich bei den Kollegen beliebt sein möchte“, meint Julia Schmidlin. Dauerhafte Anspannung lässt jedoch das Gefühl für das eigene Körperempfinden schrumpfen und kann krank machen. „Der meiste Stress kommt auf, wenn man nicht im Kontakt mit sich selbst ist. Deswegen ist es wichtig, regelmäßig Abstand zur Routine zu bekommen. Sich hin und wieder treiben zu lassen. Dann kann man auch kreativ sein“, so Constanze Taralli. Wer vergisst eine Pause einzulegen, kann sich für den Anfang einen Wecker stellen. Hilfreich ist es auch, sich kleine Rituale in den Alltag einzubauen. Das kann eine Tasse des Lieblingstees zum Feierabend sein oder ein gutes Buch vor dem Schlafengehen.

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5. Selbstfürsorge: Selbstfürsorge hat viele Facetten. Sie kann nach außen gerichtet sein, zum Beispiel in Form eines Saunabesuchs oder einer wohltuenden Massage, aber auch innerlich stattfinden. „Es hilft sich darüber bewusst zu sein, wo die eigenen Grenzen sind und sie dementsprechend zu setzen. Damit ich in unbewussten Momenten nicht über mein Limit gehe“, sagt Julia Schmidlin.

6. Selbstreflexion: Eine Art Tagebuch kann sehr effektiv sein. Für Constanze Taralli ist das ein einfaches Mittel, um den Tag in Teilen nochmal Revue passieren zu lassen. „Ich kann mir dabei Fragen stellen wie: ‚Wo habe ich mich selbst betrogen? Wo hätte ich mich mehr einbringen können?‘ Wichtig ist es, einen unkritischen Blick darauf zu haben. Uns nicht dafür zu verurteilen, sondern es als Chance zu verstehen, es am nächsten Tag anders machen zu können.“

7. Gedankenhygiene: Oft kreisen Gedanken um unerledigte Aufgaben oder „Was wäre, wenn“-Annahmen über die Zukunft. Sie sind tendenziell negativ geprägt, auf Defizite ausgerichtet. Um diesen Strudel zu durchbrechen, empfiehlt Julia Schmidlin Gedankenhygiene zu betreiben. „Wenn ich zum Beispiel genervt davon bin, dass mein Partner etwas nicht im Haushalt erledigt hat, obwohl es so abgesprochen war, kann ich einen Streit darüber anfangen. Ich kann mich aber auch fragen: ‚Will ich das?‘ Und: ‚Lohnt sich das?‘“ Das bedeutet nicht, alles akzeptieren zu müssen. Sondern lediglich Abstand zu den Gedanken und den damit verbundenen Gefühlen zu bekommen, um eine andere Perspektiv einnehmen zu können.

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8. Atmen: Auch der Atem ist ein zentrales Element in der Yoga-Lehre. Ihn zu beobachten, ihn langsam und tief in den Bauch ein- und ausströmen zu lassen, kann den Puls verlangsamen, sodass sich der gesamte Körper entspannt. „Das kann man trainieren. Und irgendwann erreicht man einen Moment, in dem man nichts mehr denkt. Wenn der Kopf leer ist, dann kann etwas Schöpferisches, Kreatives entstehen“, weiß Constanze Taralli.

>>> RESILIENZ-PRÄVENTIONSKURS

  • Constanze Taralli und Julia Schmidlin bieten nach den Sommerferien wieder einen Resilienz-Präventionskurs an, der von den Krankenkassen zertifiziert ist.
  • Dieser zehnwöchige Kurs startet am 10. August, immer donnerstags von 17 bis 18.30 Uhr, im „Yoga Now“-Zentrum in Milstenau. Interessierte können sich anmelden unter info@yoga-now.orgoder Tel. 0152/28724356. Auch danach sollen regelmäßig Treffen zum Austauschstattfinden.