Attendorn. Jetzt steht fest: Versuche von Mitarbeitern und Eltern, einen neuen Träger als Nachfolger des Erzbistums Paderborn zu finden, sind gescheitert.

Für Tanja Humberg und ihre Kinder beginnt nach den Sommerferien ein ungewollter neuer Lebensabschnitt. Bislang bekam die alleinerziehende und berufstätige Mutter die Betreuung ihrer beiden Kids und ihren Arbeitsalltag gut unter einen Hut. Aber auch nur, weil ihr älterer Sohn seit dem Jahr 2020 das Tagesinternat im Collegium Bernardinum am Nordwall in Attendorn besucht. Täglich nach dem Unterricht bekommt er hier ein warmes Mittagessen, eine pädagogische Betreuung und ein Freizeitangebot. Wenn er nach Hause kommt, hat er die Hausaufgaben erledigt, die Vokabeln gelernt und sich auf die bevorstehende Klassenarbeit vorbereitet.

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Doch ab dem Sommer muss Humberg diese Aufgaben selbst übernehmen. Das Erzbistum Paderborn lässt das Angebot im Tagesinternat mit derzeit rund 80 Kindern zum Ende des Schuljahrs auslaufen, aus wirtschaftlichen Zwängen, wie der Träger stets betont. Seit Jahren schreibt die Einrichtung tiefrote Zahlen. Alle Bemühungen einer Elterninitiative zur Rettung des Tagesinternates und der Mitarbeiter selbst, eine wie auch immer geartete Nachfolge-Lösung zu finden, sind verpufft. Zuletzt keimte noch einmal Hoffnung auf, als das CJD aus Olpe Interesse bekundete. Doch am Ende schreckte die Kreisstädter eine Finanzierungslücke im mittleren sechsstelligen Bereich ab. Damit ist die letzte Hoffnung gestorben.

Brief an die Eltern

Für Tanja Humberg, vor allem aber für ihren Sohn bricht ein wesentlicher Alltagsbestandteil weg. Im Tagesinternat sei er stets gut aufgehoben gewesen, vor allem auch während der schwierigen Corona-Phase, berichtet seine Mutter. Unter Tränen versucht sie im Gespräch mit dieser Redaktion positiv nach vorne zu schauen. „Natürlich bekommen wir das hin“, ist sie zuversichtlich, „doch unser Alltag wird sich komplett verändern.“ Noch schlimmer treffe es die Familien, deren Kinder eine besondere Lernhilfe brauchen und diese im Tagesinternat bekommen. Oder die Familien, in denen beide Elternteile Vollzeit arbeiten.

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Am Wochenende informierte die Initiative um Tanja Humberg alle anderen Eltern, dass die Versuche gescheitert sind. „Wir haben Gespräche mit der Verwaltung, den Parteien und dem Bürgermeister geführt, wir haben Briefe an Paderborn verfasst, haben auch mit Paderborn gesprochen, doch aus all diesen Reihen war keine Hilfe zu erwarten, oder sie ist uns nicht in dem Maße erteilt worden, wie wir sie gebraucht hätten“, schreiben die Eltern in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. „Wir haben uns an mögliche Träger gewendet, haben nach Fördertöpfen Ausschau gehalten, eine Unterschriftenaktion gestartet, Gespräche mit der hiesigen Wirtschaft geführt, mit möglichen Investoren gesprochen, die das Gebäude kaufen und uns eine Bleibe geben wollten und vieles mehr.“ Alles vergeblich.

Sommerfest steht noch an

Einen Dank richten die Eltern an die betroffenen Mitarbeiter, die sich zum Sommer einen neuen Job suchen müssen. „Was ihr mit unseren Kinder macht, ist einfach super. Wenn es diese Einrichtung nicht mehr gibt, werden wohl auch die merken, die uns nicht bis zum Letzten unterstützt haben, was unserer Stadt hier verloren gegangen ist.“ Ellen Möncks ist eine dieser Mitarbeiterinnen. Bis zum Tag der Zeugnisübergabe am 21. Juni werden die noch rund 25 verbliebenen Mitarbeiter – von der Verwaltung über die Küche bis zu den Pädagogen – ganz normal weiterarbeiten. Ein Sommerfest steht noch an sowie ein Tag der Offenen Tür während der Frühlingsmarktes in Attendorn am 22. April von 11 bis 18 Uhr. Hier sollen die Kinder aus dem Tagesinternat die Möglichkeit bekommen, auf einem kleinen Flohmarkt zum Beispiel das Spielzeug zu verkaufen, das nicht mehr genutzt wird – als zusätzliches Taschengeld.

Doch dann schließt sich eine mutmaßlich tränenreiche Verabschiedung an. „Wir haben so lange gekämpft, es tut mir für die Kinder unendlich leid“, sagt Möncks. Immerhin: Weil Pädagogen bekanntlich gesucht werden, ist Möncks zuversichtlich, dass alle Mitarbeiter auch nach dem Sommer einen Job finden.

Stadt hat kein Interesse

Das Erzbistum Paderborn als Eigentümer plant den Verkauf des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes am Nordwall, das einen erheblichen Sanierungsstau aufweist. Gespräche mit potenziellen Interessenten für das Gebäude laufen, mehr Auskünfte könne das Erzbistum allerdings nicht geben. Die Stadt Attendorn, die einen Teil des Collegium Bernardinums für die Unterbringung von Flüchtlingen nutzt, hat allerdings kein Interesse an einem Kauf. Das bestätigte Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) kürzlich auf Nachfrage dieser Redaktion. Neben dem Sanierungsstau und einer fehlenden Nutzungsperspektive schrecke die Stadt auch der Kaufpreis ab.

Kleine Randnotiz: Dass Paderborn vor wenigen Tagen einen Brief an alle Mitarbeiter schickte mit der Bitte, neue Mitarbeiter aktiv zu werben und dafür sogar eine Geldprämie verspricht, hat nach unseren Informationen im Mitarbeiter-Team des Tagesinternats für zusätzlichen Ärger und Unverständnis gesorgt. Ohnehin fühlen sich Mitarbeiter und Eltern vom Erzbistum schlecht behandelt, vor allem, weil sie seinerzeit aus der Zeitung von der Schließung erfuhren. „Als wir vor gut einem Jahr die Nachricht von der Schließung des Tagesinternats bekommen haben, waren wir alle geschockt und konnten es nicht fassen (...). Schnell war uns allen klar, dass wir unser Tagesinternat nicht kampflos aufgeben“, heißt es in dem Brief weiter. Doch diesen Kampf haben sie verloren. Die Schließung ist endgültig, das Tagesinternat im Collegium Bernardinum verschwindet. Für immer.