Attendorn. Das Erzbistum Paderborn wird das Attendorner Tagesinternat im Collegium Bernardinum im Sommer schließen. Jetzt wird ein neuer Träger gesucht.

Für die Eltern und deren Kinder, die das Tagesinternat im Collegium Bernardinum am Nordwall in Attendorn täglich nach dem Unterricht besuchen, war es genauso ein großer Schock wie für die Beschäftigten selbst: die Schließungsankündigung des Tagesinternates im Sommer kommenden Jahres traf die Betroffenen völlig unvorbereitet. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen und vor dem Hintergrund, rund 15 Millionen Euro in eine neue Mensa und Turnhalle an den St.-Ursula-Schulen investieren zu wollen, habe sich das Erzbistum Paderborn zu diesem unpopulären Schritt entschieden, teilte der Träger im Frühjahr dieses Jahres offiziell mit.

Durch die Schließung des Tagesinternates, so die Begründung, wolle man den Schulstandort in Attendorn insgesamt sogar stärken. „Doch alles zusammen an einem Standort geht nicht mehr“, erklärte das Erzbistum damals in einer Pressemitteilung. Hinten über fiel also das Tagesinternat, das in Attendorn einen hervorragenden Ruf genießt. Zähneknirschend haben Leiterin Annette Hermes, ihr Team und die Eltern der etwa 80 Kinder die Entscheidung aus Paderborn akzeptiert, ihnen blieb auch keine andere Wahl. Doch längst richten sie den Blick nach vorne. Und ihr Ziel ist klar definiert: Sie wollen einen neuen Träger oder Investor finden, der die Notwendigkeit erkennt, das Angebot im Tagesinternat so oder so ähnlich über den Sommer 2023 hinaus fortzuführen.

+++ Das könnte Sie interessieren: Attendorner Tafel: Kiloweise Kokain in Bananenkiste entdeckt +++

„Wir bringen ein Konzept mit, das erprobt ist und gut funktioniert. Wir haben Familien, die das Angebot im Tagesinternat mittragen und wertschätzen und es gibt eine lange Anmeldeliste. Nicht zu vergessen das hervorragend ausgebildete Personal“, betont Martin Pursian. Sein Sohn besucht das Internat. Ein potenziell neuer Träger finde also wunderbare Bedingungen vor. Dass sein Junge nach der Schule im Tagesinternat voll umfänglich versorgt wird, vom Mittagessen über eine intensive schulische Förderung durch pädagogisches Fachpersonal bis hin zu einem abwechslungsreichen Freizeitangebot, sei für ihn und seine Frau ein Segen. Die ebenso betroffene Mutter Tanja Humberg springt ihm zur Seite. Für sie wäre es ein Fiasko, könnte ihr Kind nach dem Sommerferien nicht mehr ins Tagesinternat: „Ich bin alleinerziehend und berufstätig. Wenn es das Tagesinternat nicht geben würde, würde mein Sohn jeden Tag eine Tiefkühlpizza zuhause essen“, sagt sie. Vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber im Kern geht es vielen Eltern genau so.

Ein Blick auf das Collegium Bernardinum aus der Vogelperspektive.
Ein Blick auf das Collegium Bernardinum aus der Vogelperspektive. © Hans Blossey www.blossey.eu

„Ein neuer Träger sollte eigentlich nur unsere Vision teilen, die lautet, dass wir für alle Kinder da sind, ganz unabhängig vom jeweiligen Förderbedarf. Bei all unseren Schülern werden Lern- und Sozialtypen ermittelt und nichts dem Zufall überlassen. Zudem sind wir bei der Gestaltung unseres Angebotes sehr flexibel und anpassungsfähig“, ergänzt und verspricht Mitarbeiterin Ellen Möncks. Am Liebsten würden sie für den Fall, dass sich ein neuer Träger bzw. Investor findet, im Collegium Bernardinum bleiben. Die Räumlichkeiten dort sind eingerichtet und bieten ausreichend Platz für das vielfältige Angebot. Und bislang ist das Gebäude auch noch nicht verkauft, wie eine Sprecherin des Erzbistums auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt: „Aktuell gibt es Gespräche mit potenziellen Interessenten für den Verkauf des Gebäudes. Diese dauern noch an. Eine feste Zusage gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.“ Es hätten sich auch potenzielle Träger mit Anfragen gemeldet, die aber letztlich ohne Ergebnis geblieben seien, ergänzt die Sprecherin.

+++ Lesen Sie hier: Großes Baugebiet in Attendorn: Erste Infos zum Grundpreis +++

„Bei uns waren verschiedene Investoren und Träger im Haus, die aus verschiedenen Gründen aber nicht zum Zuge kommen“, bestätigt Leiterin Annette Hermes, die im vergangenen halben Jahr sogar noch neue Schüler aufgenommen hat – trotz der unklaren Perspektive. Sie möchte möglichen Trägern die Angst nehmen, dass ein Betrieb unwirtschaftlich sei. Es gebe eine Reihe von Fördertöpfen für die pädagogische Betreuung, die das Erzbistum Paderborn bislang nur nicht ausgeschöpft habe.

Eine zumindest vorübergehende Weiternutzung des Gebäudes sei auch insofern naheliegend, weil in dem Gebäude zurzeit auch Ukraine-Flüchtlinge leben, also nicht nur von den Schülern genutzt wird, und man darüber hinaus am Nordwall in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt einen Standortvorteil besitze. Immerhin habe Hermes die Zusage aus Paderborn erhalten, dass sie bei einem Auszug aus dem Collegium Bernardinum das gesamte Mobiliar mitnehmen dürfe. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die intensiven Bemühungen von Hermes und ihrem Team belohnt werden und sich ein neuer Träger findet. Ansonsten – und das ist die bittere Realität – verliert die Stadt im Sommer 2023 eine wichtige Institution. „Und nicht nur für mein Kind würde viel Stabilität im Alltag verloren gehen“, fürchtet Tanja Humberg. Erste Mütter haben auch schon überlegt, ihre Arbeitsplätze aufzugeben. Ein Zeichen dafür, wie groß der Handlungsdruck ist.

Interessierte Träger/Investoren können sich an das Tagesinternat wenden unter der Mail-Adresse info@collegium-bernardinum.de oder per Telefon unter 02722/6348860.