Kreis Olpe. Die Streuner-Katzen sind abgemagert, trächtig und krank. Und manchmal kommt jede Hilfe zu spät. Zwei Katzenbabys haben den Frost nicht überlebt.
In manchen Nächten bekommen Viola Zimmermann und Maria Hof kein Auge zu. Sie fühlen sich ohnmächtig. Schuldig. Nicht ernst genommen. „Es ist frustrierend“, sagen die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen im Pfötchenclub des Tierheims Olpe. Allein in diesem Jahr haben die Ehrenamtlichen schon an die 100 verwilderten Hauskatzen im gesamten Kreis Olpe eingefangen und sie auf Vereinskosten kastrieren lassen. Doch immer wieder werden neue Katzenpopulationen entdeckt. In den meisten Fällen sind die Tiere abgemagert, trächtig und krank. Und manchmal kommt jede Hilfe zu spät.
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„Das ist psychisch sehr belastend“, sagt Viola Zimmermann. Sowohl die Pflegestellen im Umkreis als auch die Tierheime seien voll und kämpfen mit Personalproblemen. Dementsprechend oft müssen die Ehrenamtlichen eingreifen. Zuletzt wurden wieder Kolonien in Rinsecke, Husten und Altenhof entdeckt. „Meist fängt es mit unkastrierten Bauernhof-Katzen an, die draußen gedeckt werden“, erklärt Zimmermann. Die Katzenbabys werden dann online verkauft oder ihrem Schicksal überlassen. Sobald sie geschlechtsreif sind, werden sie wiederum gedeckt. Immer und immer wieder. „In der freien Wildbahn bekommen die Katzen meistens nicht genügend Futter. Das heißt, sie sind ohnehin geschwächt. Die Schwangerschaft und die Geburt zehren die Körper dann zusätzlich aus. Das ist Tierquälerei“, betont Zimmermann. Oft genug finde Inzest statt.
Vor zwei Wochen wurden zwei Katzenbabys in Altenhof entdeckt. Eine Anwohnerin hatte das Ordnungsamt, das Tierheim und schließlich den Pfötchenclub informiert. Viola Zimmermann wollte sich den Kätzchen annehmen. Doch sie kam zu spät. In der Nacht gab es Bodenfrost – die Katzenbabys starben. „Da macht man sich unendlich viele Vorwürfe. Da fließen viele Tränen.“ Eine Katze, die am Mittwochmittag in Altenhof gefangen wurde, musste noch am selben Tag beim Tierarzt eingeschläfert werden. Durch den Katzenschnupfen eiterten ihre Augen, sie war unterernährt, unterkühlt und voller Milben.
„Uns erreichen täglich Hilferufe“, meint Maria Hof. Mit der Einführung einer Kastrationspflicht für streunende Katzen könnte das Problem gelöst werden, sind sich die Tierschützerinnen sicher. Umliegende Landkreise wie Siegen-Wittgenstein oder der Oberbergische Kreis haben sie bereits eingeführt. Und auch die Ehrenamtlichen des Pfötchenclubs setzen sich seit mittlerweile über 15 Jahren dafür ein, dass im Kreis Olpe eine Kastrationspflicht durchgesetzt wird. Doch jedes Mal sind sie mit ihren Anträgen und Petitionen gescheitert. Die Begründung: Keine der sieben Städte und Gemeinden im Kreis könnte einen „Hotspot“ von streunenden Katzen ausmachen. Der Kreis sieht kein Problem. Und damit auch keinen Handlungsbedarf.
Mittwochabend in Altenhof. Viola Zimmermann und Maria Hof treffen sich an einem Haus am Waldesrand. Bei zwei Fangversuchen in Altenhof und Husten haben sie schon sieben Katzen gefangen. Heute möchten sie mit intensiv riechendem Thunfisch einen weiteren unkastrierten Kater in die Lebendfalle locken. Doch sie haben keinen Erfolg. „Der wird auch schon mitbekommen haben, dass einige hier gefangen wurden“, vermutet Viola Zimmermann. Also müssen sie nochmal zurückkommen. Wieder Zeit aufwenden, wieder Sprit verfahren, ohne jegliche Bezahlung.
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Die Inflation hat auch Futter, Streu und Tierarztbehandlungen teurer gemacht. Maria Hof befürchtet, dass damit das Streuner-Problem weiter zunimmt. „Das wird noch eine richtige Katastrophe, wenn sich die Leute die Tiere nicht mehr leisten können und sie dann aussetzen.“
Auch wenn sie den Kater nicht einfangen konnten: Ganz umsonst sind Viola Zimmermann und Maria Hof nicht nach Altenhof gefahren. Sie können Benji mitnehmen, eine abgemagerte, schwarze Katze, die in eine vorher aufgestellte Falle hineinlief. Still, geduckt und argwöhnisch beobachtend sitzt sie in einer Transportbox. Maria Hof muss sich beeilen, um 20 Uhr schließt die Tierarztpraxis von Wolfgang Wettengl in Gerlingen. Benji soll untersucht und kastriert werden, damit ihr ausgemergelter Körper nicht noch weiter durch Schwangerschaften und Geburt belastet wird. Benji soll eine Chance bekommen.
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Donnerstagmorgen bekommt Viola Zimmermann eine Nachricht: Benji ist tot. Ihr ganzer Körper war von Tumoren zerfressen. Da ist es wieder: das Gefühl der Ohnmacht. Ein Gefühl, an das sich die Tierschützerinnen bei so vielen Todesfällen noch nicht gewöhnt haben. Es wohl auch nie werden.