Attendorn. Dr. Oksana Prajzel spricht über die bisher bitterste Entscheidung in der Helios-Klinik Attendorn. Für die Zukunft ist eine Aufgabe entscheidend.

Ein knappes halbes Jahr verantwortet Dr. Oksana Prajzel (51) als neue Geschäftsführerin die Helios-Klinik in Attendorn. Zum 1. Mai trat sie die Nachfolge von Dr. Volker Seifarth an, der mittlerweile ausschließlich im Schwelmer Helios-Krankenhaus arbeitet. Wir haben mit der 51-jährigen Leipzigerin über ihre neue Aufgabe und die Entwicklung des Attendorner Krankenhauses gesprochen.

Wie fällt ihr erstes Fazit in ihrer neuen Rolle aus?

Dr. Oksana Prajzel: Durchweg gut. Von Vorteil war, dass ich die Klinik schon einige Monate kennenlernen konnte. Ich bin im August 2021 als kaufmännische Standortleiterin nach Attendorn gekommen und habe mit Herrn Dr. Seifarth bis zu seinem Wechsel viele Themen begleitet und Prozesse und Abläufe eng abgestimmt. Das hat mir den Start natürlich erleichtert. Es ist auch nicht meine erste Klinik, zuvor war ich in zwei Krankenhäusern in Bayern und danach in Velbert an der Seite der Klinikgeschäftsführung tätig. Diese Erfahrungen helfen mir jetzt in Attendorn. Ich will aber nicht verhehlen, dass die ersten Monate auch intensiv und schwierig waren. Diese neue Rolle hat meine Arbeit natürlich verändert. Ich stehe für eine offene Ansprache und einen intensiven Austausch. Das kostet viel Zeit, die aber gut investiert ist. Wir haben hier ein super Team, das mich sehr unterstützt.

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Wie sieht denn eigentlich der Tag einer Geschäftsführerin aus?

Die Aufgaben als Geschäftsführerin sind herausfordernd und facettenreich. Wir müssen als Krankenhaus 24/7 eine Dienstleistung erbringen und können nicht sagen: Hier fällt ein Kollege aus oder hier ist einer im Urlaub und deswegen steht alles still. Sicherlich hat sich die Krankenhauslandschaft in den vergangenen Jahren verändert, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Das war eine ungewöhnliche Herausforderung für uns – wenn Sie mir das Bild gestatten, eine offene OP ohne Narkose. Wir mussten mit gleicher Personalstärke eine Doppelinfrastruktur schaffen und kurzfristige personelle Ausfälle auffangen. Aber wir haben gelernt, die Herausforderungen der Pandemie in unseren Arbeitsalltag zu integrieren. Dem gesamten Klinikteam kann ich dafür nur ein großes Kompliment und Dankeschön aussprechen. Dazu kommen Themen wie der Fachkräftemangel, mit dem ich mich intensiv auseinandersetze. Der digitale Wandel oder auch der neue Krankenhausbedarfsplan sind ebenso Themen, die mich täglich begleiten.

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Im vergangenen Jahr musste die Helios-Klinik aufgrund eines Fachärzte-Mangels die so wichtige Gynäkologie und Geburtsstation schließen. Wie schmerzhaft war diese Entscheidung?

Das war ein schwerer Einschnitt, traurig und emotional. Viele Kollegen haben lange für eine Fortführung der Station gekämpft, am Ende leider erfolglos. Die Qualitätsanforderungen und die medizinische Verantwortung an einen solchen Bereich sind enorm hoch. Entweder sagt man: Wir sind in der Lage, diese Qualität und Sicherheit für Frauen und ihr ungeborenes Kind anzubieten. Oder aber wir sind ehrlich zu uns selbst und müssen erkennen: Nein, wir bekommen die Fachärzte nicht, um diese Versorgung aufrechtzuerhalten. So eine bittere Entscheidung möchte ich nach Möglichkeit kein zweites Mal erleben.

Apropos Fachkräfte-Mangel: Wie schwer ist es tatsächlich, gutes Personal für relevante Posten nach Attendorn zu bekommen?

Der Fachkräftemangel ist ein grundsätzliches Problem in unserer Branche. Aus der Schließung von Gynäkologie und Geburtsstation haben wir gelernt, dass wir noch frühzeitiger reagieren müssen, wenn ein Mitarbeiter für sich entscheidet, einen neuen Weg einzuschlagen. Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt. Vor zehn Jahren gab es auf einen freien Posten zehn Bewerber, das ist heute komplett umgekehrt. Heute werben die Kliniken aktiv um neue Mitarbeitende und bewerben sich als Arbeitgeber. Wir müssen einen deutlich intensiven Rekrutierungsprozess verfolgen. Ich begleite jede Stelle in den Leitungspositionen und überlasse die Nachfolge-Suche nicht ausschließlich der Personalabteilung. Insbesondere versuche ich neue Arbeitnehmer aus Überzeugung für Attendorn zu begeistern – in einem ganz persönlichen Austausch, den ich gerne vorantreibe.

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Mit Erfolg?

Ja. Wir haben es im vergangenen halben Jahr geschafft, wichtige Stellen neu zu besetzen. Dabei hat uns auch die Stadt sehr geholfen, beispielsweise bei der Suche nach einer Wohnung für neue Ärzte. Ich bin sicher, dass wir auch zukünftig nicht nur hier in der Region, sondern bundesweit als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden und weitere Ärzte davon überzeugen können, nach Attendorn zu kommen.

Auffällig sind die häufigen Wechsel in Führungspositionen. So verlässt mit Dr. Martin Vielhauer, Chef der Inneren, ein bekanntes Gesicht die Hansestadt und wechselt nach Olpe. Einen Nachfolger haben Sie bereits. Dennoch: Wie können Sie sich diese hohe Fluktuation erklären?

Die Wechsel haben alle sehr individuelle Gründe. Die Tatsache, dass wir gleich mehrere chefärztliche Wechsel zu verzeichnen haben, geht auf unterschiedliche persönliche Veränderungsentscheidungen zurück. Natürlich gibt es auch einen Konkurrenzkampf um gutes Personal und Krankenhäuser werben auch aktiv bei unseren Chefärzten. Der Weggang von Herrn Dr. Vielhauer kam für uns überraschend und ist sehr schade. Aber wir müssen seine Entscheidung respektieren. Dennoch freue ich mich, dass wir mit Herrn Dr. Krupp einen perfekten Nachfolger gefunden haben. Er arbeitet schon lange mit Herrn Dr. Vielhauer zusammen, war zuvor Chefarzt in Plettenberg und wird nun unsere Chefarzt-Stelle übernehmen. Im Übrigen investieren wir gerade in diese Station und machen sie moderner. Auch die Perspektive, heimatnäher arbeiten zu können, haben an anderer Stelle den Ausschlag gegeben. Oder der Wunsch vom Krankenhaus in die Selbstständigkeit zu wechseln. Und nicht zuletzt rücken vielerorts nicht ausreichend junge qualifizierte Fachärzte nach. Vor dieser Belastungsprobe warnt die Bundesärztekammer schon lange.

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Viele Klinken spezialisieren sich auf bestimmte Bereiche – ist das in Attendorn auch so? Werden weitere Fachabteilungen geschlossen?

Wir sind ein Grund- und Regelversorger und werden das auch bleiben. Wir werden uns darauf konzentrieren, unsere bestehenden Fachbereiche weiter zu stärken. Dazu haben wir uns in den vergangenen Monaten unser Leistungsspektrum auch im Hinblick auf den neuen Krankenhausplan sehr genau angesehen. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben gute Voraussetzungen, um alle Leistungsbereiche für die Klinik zu erhalten. Dafür werden wir uns auch weiterhin starkmachen. Darüber hinaus setzen wir verstärkt auf Kooperationen mit anderen Krankenhäusern in solchen Bereichen, die wir nicht abdecken. Für uns ist das nicht neu, wir verfügen im Helios-Konzern glücklicherweise über ein großes Netzwerk und können uns gegenseitig unterstützen. Dieser Netzwerkgedanke ist für uns hier in Attendorn also bereits geübte Praxis.

Wie ärgerlich ist es, dass die neue Rettungswache, die es unbedingt braucht, nicht direkt an der Helios-Klinik, sondern vermutlich an der Südumgehung gebaut wird?

Der Kreis Olpe als Träger des Rettungswesens hat sich für eine Kompromisslösung entschieden. Die Rettungswache wird auf zwei Standorte verteilt, ein Teil wird hier am Krankenhaus bleiben. Nur der Neubau wird außerhalb entstehen. Dieses Konzept hat sich beispielsweise in Olpe bewährt. Nichtsdestotrotz ist es schade. Wir haben uns alle sehr darum bemüht, die neue Wache komplett hier zu bauen. Das konnte leider aufgrund fehlender Flächenkapazitäten so nicht umgesetzt werden. Für die Patienten ist es wichtig zu wissen, dass die Versorgung nicht leiden wird und die enge Verzahnung erhalten bleibt.

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Unter der Woche arbeiten Sie in Attendorn, am Wochenende leben Sie in ihrer Heimatstadt Leipzig. Das sind viele Kilometer auf der Autobahn. Zehrt das an Ihren Kräften?

Diese Aufgabe hier im Sauerland zu übernehmen, war eine sehr bewusste Entscheidung, die wir mit allen Konsequenzen als Familie getroffen haben. Ohne Zuspruch von meiner Familie könnte ich das natürlich so nicht leisten. Ich bin glückliche Mutter von zwei erwachsenen Kindern, die mich voll und ganz unterstützen. Die Fahrten bereiten mir wenig Umstände. Ich bin auch mobil jederzeit erreichbar und die digitalen Möglichkeiten sind bei uns gut etabliert. Auch unterwegs lässt sich vieles erledigen.