Wetter. Ann-Kristin Graf aus Volmarstein arbeitet in einer Wohngruppe für autistische Kinder – von Herausforderungen und Spaß, trotz viel Stress.

„Es gibt für mich nichts Schöneres, als mit Kindern zu arbeiten“, sagt Ann-Kristin Graf, Sozialpädagogin aus Wetter. Die 29-Jährige ist bereits seit 2012 bei der Evangelischen Stiftung Volmarstein (ESV) angestellt, aber hat auch schon mit 14 Jahren ehrenamtlich bei Jugendfreizeiten mitgeholfen. „Zur Stiftung habe ich einen familiären Bezug“, sagt Graf. „Meine Eltern haben sich in dem Haus kennengelernt, in dem ich jetzt arbeite. Außerdem komme ich gebürtig aus Volmarstein und bin auch in den Kindergarten der Evangelischen Stiftung gegangen.“ Durch die ehrenamtliche Arbeit ihres Vaters sei sie „immer dabei“ gewesen.

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„Mit 18 habe ich nach dem Abitur in einer Außenwohngruppe der ESV als Wochenend-Vertretung gearbeitet“, sagt Ann-Kristin Graf, „und seitdem bin ich nie wieder gegangen.“ Sie lacht. Bei ihrer Arbeit ging es dabei vor allem um die Alltagsbegleitung von Kindern. „Ich habe dort viele Erfahrungen gesammelt, aber 2018 hatte ich das Gefühl, dort alles gelernt zu haben, was ich lernen konnte“, sagt sie. „Ich bin dann in eine Intensivwohngruppe gewechselt.“ 2018 ist auch das Jahr, in dem ihr Entschluss feststeht: Von ihrem Lehramtsstudium wechselt sie zum Studium Soziale Arbeit. „Mir ist damals klar geworden, dass es das sein muss, was das Herz will“, sagt Graf, „und das ist mit Menschen und Kindern arbeiten.“

Jede Hilfe wird gebraucht

Vor und nach der Uni arbeitet Ann-Kristin Graf bei der ESV. Als 2020 die Pandemie beginnt, erhöht sie ihre Arbeitszeit auf eine volle Stelle. „Die Uni hatte ja zunächst geschlossen und es war lange nicht klar, wie es weiter geht. Deswegen habe ich dann ein Jahr lang in Vollzeit gearbeitet. Hier wird jede Hilfe gebraucht“, sagt Ann-Kristin Graf. Auch für die Stiftung sei der Fachkräftemangel „das größte Problem.“

Nicht nur deswegen ist der Arbeitsalltag in der Wohngruppe häufig sehr anstrengend. „Insgesamt haben wir dort sechs autistische Kinder im Alter zwischen sieben und 14 Jahren“, sagt die Sozialpädagogin. „Der Altersunterschied ist natürlich groß und hinzu kommt, dass nur zwei der Kinder sprechen. Der Rest kommuniziert nonverbal. Das bedeutet, alle ihre Bedürfnisse, wie zum Beispiel Hunger oder Durst, müssen von uns erkannt werden. Diese Übersetzungsleistung ist nicht immer einfach und manchmal auch anstrengend, wenn alle Kinder gleichzeitig Aufmerksamkeit benötigen. Aber ich habe inzwischen ein Gefühl dafür, wenn bei einem Kind die Anspannung deutlich wird und es etwas braucht.“ Die eigenen Bedürfnisse müsse man da schon mal hintenanstellen, erzählt Graf. „Die beste Technik für mich ist, dass ich mir auch etwas zu trinken hole, wenn die Kinder etwas bekommen. Dann vergesse ich mich selbst nicht.“

Ein Zuhause gestalten

Die Kinder haben zwar Elternkontakt oder sind auch ab und zu bei ihren Eltern, die meiste Zeit seien sie aber in der Intensivwohngruppe untergebracht. „Es ist das Schönste überhaupt, den Kindern ein Zuhause zu gestalten“, sagt Ann-Kristin Graf, denn es sei das Recht jedes Kindes ein Zuhause zu haben. Das Konzept der Wohngruppe ist es, ein möglichst reizarmes Umfeld zu schaffen, um die Kinder mit Autismus nicht zu überfordern. „Jedes gute Gefühl, aber auch jedes schlechte, wird mit mir geteilt“, sagt Ann-Kristin Graf. „Die Arbeit ist für mich wahnsinnig belohnend, weil die Kinder es mir im Kleinen danken.“ Zum Beispiel habe ein Mädchen, das schon seit zehn Jahren in der Gruppe wohnt, eine ganz besondere Art zu spielen. „Sie sortiert wahnsinnig gerne“, sagt die Sozialpädagogin. „Wenn sie dabei einen Flummi findet, ist die Freude riesengroß.“

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Auch wenn das Stresslevel bei der Arbeit hoch ist, versucht Ann-Kristin Graf „eins nach dem anderen“ zu machen. „Der Job geht mir niemals aus dem Kopf“, sagt sie. „Es ist natürlich immer im Rahmen des eigenen Möglichen, aber ich kann mich entweder davon stressen lassen oder mir etwas Positives daraus ziehen. Ich denke, ich habe es mit meiner eigenen Einstellung in der Hand.“ Sie räumt jedoch ein: „Ich will das Ganze natürlich nicht romantisieren. Der Personalmangel ist da und auch bei uns sind nicht alle Stellen besetzt. Es ist nun mal ein Job, den man wollen muss, allein wegen des Schichtdienstes und der Arbeit am Wochenende.“ Ihr Herz habe der Job dennoch gewonnen. „Ich mag die Herausforderung und das Gefühl, dass ich gut bin in dem, was ich tue. Aber vor allem, dass ich in der Lage bin, mich mit den Kindern zu freuen und zu spüren, wie lohnenswert meine Arbeit ist. So anstrengend es ist, so schön ist es auch.“

Über die Serie

In der Serie „Der Moment meines Lebens“ werden die persönlichen Geschichten unterschiedlicher Menschen und ihrer Berufe vorgestellt. Sie erzählen, welcher Moment ihr (Berufs-)Leben nachhaltig beeinflusst oder verändert hat.