Wetter. In einem Dorf in Ghana ändert sich für Katharina Gerlach (34) aus Wetter alles. Seither hat sie das Land nicht losgelassen.
Katharina Gerlach (34) aus Wetter erinnert sich genau daran, wann sich ihr Leben komplett geändert hat. „Schon in der achten Klasse habe ich gesagt: Ich möchte nach dem Abitur Entwicklungsarbeit in Afrika machen“, erinnert sie sich. Also gesagt, getan. „Durch Zufall ging es für mich dann 2010 nach der Schule nach Ghana. Einfach weil es dort eine Organisation gab, die so ein Programm angeboten hat und das Land englischsprachig ist.“ Für sechs Monate soll Gerlach dort in einer Werkstatt für Jugendliche mit körperlicher Behinderung mithelfen. „Ich hatte aber die ganze Zeit das Gefühl, dass da noch was fehlt“, erinnert sie sich.
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Durch Zufall besucht sie das Dorf Kpawumo im Norden Ghanas, lernt dort die Leute vom Waisenhaus kennen und erfährt, dass es im ganzen Dorf nur ein Klassenzimmer für hunderte Kinder gibt. „Alle Kinder wurden da unterrichtet, egal wie alt sie waren. Dabei saßen sie kreuz und quer im Raum verteilt – auf den Stühlen und Tischen, aber auch auf dem Boden.“ Sie sieht die Möglichkeit, dort vor Ort direkt etwas verändern zu können. „Das Projekt, bei dem ich zu dem Zeitpunkt gearbeitet habe, war natürlich auch sinnvoll, aber es war nun mal in der Stadt und ich hatte nicht das Gefühl, dass es das war, was ich wollte. Ich wollte da helfen, wo kein anderer hilft.“
Also bricht sie das Projekt in der Stadt nach drei Monaten ab und hat einen neuen Plan: Ein weiteres Klassenzimmer für das Dorf zu bauen. „Ich habe dann auf eigene Faust Kontakte geknüpft. Damit war ich damals mit meinem Schulenglisch teilweise überfordert“, erinnert sich Katharina Gerlach und lacht. „Ich habe dann Spenden von Freunden und Familie in Wetter gesammelt, um den Bau der Schule zu finanzieren“, sagt Gerlach. „Das war damals etwas zwischen ein- oder zweitausend Euro. Wenn man das vergleicht, könnte man in Deutschland von dem Geld eigentlich gar nichts bauen. Ich habe auch mit an der Schule gebaut und man kann nicht beschreiben, wie es war, als das Klassenzimmer fertig war. Meine Eltern wollten dann, dass ich wieder nach Hause komme, aber ich habe gedacht: ‚Das kann es noch nicht gewesen sein.‘ Ich bin immer wieder zurück nach Ghana und wusste, dass ich an das neue Klassenzimmer noch anbauen möchte.“
„Bildung ist der Schlüssel“
Gerlachs Entschluss steht fest und sie gründet Ende 2011 den Verein „Amaraaba Ghana“. „Amaraaba“ bedeutet „Willkommen“ auf Dagbani, die Sprache, die im Norden Ghanas gesprochen wird. „Am Anfang war das Ganze gar nicht so einfach, aber aufgeben war keine Option. Man muss sich ja erst einmal beweisen, aber ich denke, seit einigen Jahren ist uns das auch gelungen.“ Bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit ist ihr Mann an ihrer Seite, den sie in Ghana kennengelernt hat. Seit 2013 lebt er mit in ihr in Deutschland und ist seit der Vereinsgründung mit dabei. „Eigentlich ist der Verein unsere ‚Two-Men-Show‘“, sagt Gerlach und lacht, „aber wir haben natürlich tolle Helfer! Meine Eltern haben mich von Anfang unterstützt und haben rückblickend ganz schön was mitgemacht mit mir. Aber sie sind extrem stolz auf mich und helfen ganz viel mit, genau wie meine beiden Schwestern.“ Die Arbeit können ihr Mann und sie sich gut aufteilen. „Er hat die Nähe zu den Menschen in Ghana und ist mindestens zweimal im Jahr vor Ort, damit wir die Projekte selbst begleiten können.“ Nach Möglichkeit versuche man auch vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeiter aus dem jeweiligen Dorf zu beschäftigen.
„Wir bauen hauptsächlich Schulen, denn ich denke, Bildung ist der Schlüssel“, sagt Gerlach. Inzwischen könne die Organisation auch nach dem Regierungsstandard in Ghana bauen. „Vor eineinhalb Jahren haben wir eine richtig große Schule bauen können, mit Toiletten und Büros für die Lehrer. Dass wir das mittlerweile finanzieren können, ist großartig!“, erzählt Katharina Gerlach. „Mit dem Schulbau schließen wir auch eine Versicherung für die Kinder vor Ort ab.“ Das sei essenziell, da die Kindersterblichkeitsrate durch Krankheiten wie Malaria sehr hoch sei. „Manchmal wünsche ich mir, das Ganze hauptberuflich zu machen“, sagt Gerlach, die inzwischen in Witten lebt. Eigentlich ist sie studierte Heilpädagogin und arbeitet als heilpädagogische Therapeutin im Autismus-Therapie-Zentrum in Dortmund, aber ist momentan in Elternzeit.
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„Ich glaube, der Moment, in dem sich mein Leben geändert hat, war der, als ich in diesem Dorf stand und den Plan gefasst habe, dort zu helfen. Dort hat alles angefangen.“ Noch heute fährt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern regelmäßig in das Dorf Kpawumo. Die Lehrer und Waisenhauseltern vor Ort sind noch die Gleichen, wie bei ihrem ersten Besuch 2010. „Die Dankbarkeit und auch die Herzlichkeit in Ghana sind wunderschön. Das vermisse ich manchmal in Deutschland“, sagt Katharina Gerlach. Ob sie heute noch einmal auf eigene Faust eine Schule in Ghana bauen würde? „Ich weiß es nicht“, antwortet Gerlach und lacht. „Damals war ich ganz schön mutig.“
Über die Serie
In der Serie „Der Moment meines Lebens“ werden die persönlichen Geschichten unterschiedlicher Menschen und ihrer Berufe vorgestellt. Sie erzählen, welcher Moment ihr (Berufs-)Leben nachhaltig beeinflusst oder verändert hat.