Herdecke. Die Tätowiererin Esther Bühmann ist für fotorealistische Motive bekannt. Wie sie mit ihrer Arbeit Brustkrebs-Erkrankten neue Lebensfreude gibt.
„Der schönste Moment in meinem Beruf war für mich, als ich die Zusage zur Fortbildung bekommen habe“, erinnert sich Esther Bühmann (36), Tätowiererin aus Herdecke. Bei besagter Fortbildung lernt sie, wie man Brustwarzen rekonstruiert. Das benötigen vor allem Frauen, die nach einer Brustkrebsdiagnose eine oder sogar beide Brüste durch Amputation verloren haben. Zwar folgt im Anschluss an die Operation in einigen Fällen ein Wiederaufbau der Brust, dabei wird jedoch oft auf die Rekonstruktion der Brustwarze verzichtet. Mit der Rekonstruktion kann Esther Bühmann, die fotorealistisch arbeitet, den Frauen ein Stück Lebensqualität zurückgeben, denn viele leiden unter der Situation. „Jede fünfte Frau erkrankt an Brustkrebs“, sagt Bühmann und gemessen an dieser hohen Zahl habe das Thema ihrer Meinung nach noch nicht genug Aufmerksamkeit.
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Aber nicht nur deshalb war die Zusage zur Fortbildung für die Tätowiererin so wichtig: „Ich der glücklichste Mensch, denn ich habe mir damit den Respekt, beziehungsweise die Akzeptanz meiner Familie für meinen Beruf verdient“, erzählt sie. „Denn sie haben verstanden, dass auch ein kreativer Dienst sinnvoll sein kann. Meine Mutter war stolz auf mich.“ Man sieht ihr an, dass ihr das Thema nahe geht. „Jeder Mensch hat ja das Bedürfnis ein wichtiges Rädchen in der Gesellschaft zu sein,“ sagt Bühmann. Dass sie nun Menschen auf diese Art helfen kann, helfe ihr dabei, ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Eigentlich wollte sie Goldschmiedin werden. Heute ist sie froh, dass sie damals keinen Ausbildungsplatz gefunden hat.
Eine private Atmosphäre schaffen
Ihr Tattoo-Studio „Buntspecht“ befindet sich seit 2019 in der Goethestraße in Herdecke. Gemütliche Sessel und ein kleines Sofa, Pflanzen und viele Bilder an den bunten Wänden – eigentlich sieht es hier eher wie in einem Wohnzimmer aus und nicht wie im Vorraum eines Tattoo-Studios. Es ist Esther Bühmann wichtig, dass das Studio nicht abschreckend wirkt. Vor allem in Bezug auf die Brustwarzen-Rekonstruktion ist das von Bedeutung, denn die Frauen, die diese Arbeit in Anspruch nehmen, kommen zum Großteil nicht freiwillig in ein Tattoo-Studio. Regelmäßig kommen Kundinnen auf Empfehlung zu ihr, allerdings ist die Terminfindung schwerer als bei anderen Tattoos. „Ich möchte, dass während des Termins eine private Atmosphäre herrscht. Das heißt, es sollten keine anderen Kunden oder Kolleginnen im Studio sein.“ Die eigentlichen Tattoo-Termine dauerten unterschiedlich lange - zwischen 25 Minuten und zwei Stunden sei alles möglich. „Es kommt immer auf die Beschaffenheit der Haut an“, sagt Bühmann. „Wenn die Brust bestrahlt wurde, macht es das Tätowieren schwieriger, weil die Haut dann die Farbe nicht mehr so gut hält. Genauso ist es bei vernarbtem Gewebe. Es kommt also immer drauf an, womit ich es zu tun habe.“
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An das erste Mal, dass sie Brustwarzen tätowiert hat, erinnert sich Esther Bühmann kaum noch. „Das war unter Aufsicht und ich war voller Adrenalin, deswegen weiß ich fast gar nichts mehr. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich wieder in der Ausbildung, so aufgeregt war ich.“ Für sie sei es „immer wieder herausfordernd, aber befriedigend“ den Frauen und manchmal auch Männern, ein Stück Lebensfreude zurückzugeben. Ärzte machten solche Rekonstruktionen zwar auch, da sie ja auch eine Nachbildung der Brustwarzen anbieten, aber „sie haben gegebenenfalls nicht die nötigen Skills im fotorealistischen Tätowieren“, erklärt Bühmann. Häufig fehle es da auch an der richtigen Farbe. „Bei uns hier können wir alle Hautfarben und Abstufungen rekonstruieren. Jeder Mensch ist farblich etwas anders. Anhand von anderen Hautmerkmalen wie Rötungen, Äderchen oder Muttermalen kann ich mich orientieren und suche mit der Patientin das Richtige für sie aus.“ Wenn nur eine Brust betroffen war, könne man sich gut an der gesunden Brust orientieren, sagt die Tätowiererin. „Ich kann es dann so gestalten, dass es echt aussieht.“ Was sie selbst am meisten verwundert: „Den meisten tut das Tätowieren gar nicht weh. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber viele haben Narben bis auf den Rücken. Vielleicht tut es nicht mehr so weh, weil sie schon so viel mitgemacht haben und da schlimmere Schmerzen gewohnt sind.“
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Manche Krankenkassen übernehmen die gesamte Tätowierung, andere nur einen Teil. Wieder andere übernehmen die Kosten nur, wenn die Brustwarze von einem Arzt tätowiert wird. Für Esther Bühmann sind die Brustwarzen-Tattoos eine Motivation – für sie und die tätowierte Person. Ähnlich wie, wenn sie ein Mantra tätowiert. „Das sind auch alles Sachen, die Menschen helfen, nur dass ich in diesem Fall keinen motivierenden Schriftzug wie „Stay strong“ oder „First love yourself“ tätowiere. Für manche Menschen sind Tattoos nur Körperschmuck, andere verarbeiten mit ihnen Themen wie beispielsweise Trauer.“ Aber eines haben sie für Esther Bühmann gemein: „In unserer schnelllebigen Zeit sind sie beständig und bleiben für immer. Das gefällt mir an Tätowierungen.“