Herdecke. Die Senioren in den Servicewohnungen Kirchende brauchen Sicherheit: „Die Ungewissheit ist das Schlimmste.“

Die Cafeteria im Seniorenhaus Kirchende ist voll besetzt. 29 Senioren haben sich dort versammelt, um der Redaktion ihre Gedanken, Gefühle und Sorgen mitzuteilen. Denn: Nach der Convivo-Insolvenz dürfen sie zwar vorerst in ihren Servicewohnungen bleiben, aber sie umtreibt die Angst, wie es danach weitergeht. Und das ist nur ein Punkt auf der langen Liste der dortigen Mieter.

Schlaflose Nächte

Die meisten der Anwesenden in der Runde sind über 80, einige sogar über 90 Jahre alt. Sie alle wollten ihren Lebensabend in Kirchende verbringen. Dass das eventuell nicht funktionieren könnte, bereitet ihnen seit Monaten mehr als nur schlaflose Nächte. „Ein bis anderthalb Jahre sind uns zugesichert worden, aber was passiert dann? Viele von uns sind dann nicht mehr in der Lage Umzugskisten zu packen“, meint eine Seniorin und erntet dafür von den Nachbarn kopfnickende Bestätigung. „Die Ungewissheit ist das Schlimmste“, meint eine andere Seniorin. „Ich traue dem Braten nicht mehr. Man ist vor Überraschungen nicht sicher“, fügt sie hinzu.

Besonderer Geist in Kirchende

Ilona Köster ist eine der neueren Bewohner der Servicewohnungen. Sie ist erst am 1. März dort eingezogen. Kurze Zeit später kam dann die Nachricht, dass auch die Servicewohnungen von der Insolvenz betroffen sind. „Ich finde es unmöglich, wie hier mit den alten Menschen umgegangen wird“, sagt sie. Regina Grewe ist ebenfalls bei dem Treffen dabei. Sie war 34 Jahre lang Küchenleiterin in Kirchende. Ab dem 1. August ist für sie vor Ort Schluss. „Es herrscht ein besonderer Geist in Kirchende, und wir sind den Bewohnern hier eng verbunden. Hier haben sich in den letzten Monaten Dramen abgespielt“, sagt Grewe. „Uns erschließt sich einfach nicht, warum man das schönste Haus von allen dicht macht. Wo ist das ganze Geld geblieben?“, fragt sie.

Weiter alles in der Schwebe

Haustechniker Christian Müller kann die Sorgen der Senioren ebenfalls sehr gut nachvollziehen. Er ist einer von drei Mitarbeitern, die zwar einen neuen Vertrag über den Insolvenzverwalter bekommen haben, der auch unbefristet ist, aber: „Uns ist zwar der erste Druck genommen worden, für uns ist trotzdem alles in der Schwebe. Denn auch wir wissen nicht, wie es in ein bis zwei Jahren weitergeht. Dabei könnte man hier aus dem Haus richtig was machen. Klar müsste das Dach saniert werden, aber daran kann es doch nicht scheitern“, sagt er.

Kein Ansprechpartner mehr vor Ort

Unterdessen versuchen die Senioren das beste aus der Situation zu machen. Sie haben sich die Serviceleistungen anderweitig besorgt, beispielsweise testen sie derzeit verschiedene Menüdienstleister und sind bisher sehr zufrieden. Etwas anderes beschäftigt sie jedoch schon: „Es ist kein Ansprechpartner mehr vor Ort, wenn mal was ist“, meint Köster. Hilfe könnte in dem Fall also länger brauchen.

Wohnen auf Lebenszeit

Doch selbst davon machen die meisten Senioren ihr Glück nicht abhängig. „Wir wollen die Zusage, dass wir hier auf Lebenszeit wohnen bleiben können, und dafür werden wir kämpfen“, sagt eine Seniorin. Enttäuscht sind viele allerdings von der Stadt und der Lokalpolitik. „Die Stadt könnte auch mal was tun. Aber da kommt ja keiner. Wenn ein Kiosk eröffnet wird, sind sie da und lächeln in die Kamera. Wir Alten sind denen egal“, lautet der explizite Vorwurf einer Seniorin.

Weitere Aktionen sind geplant

Aber damit wollen sich die Bewohner nicht zufrieden geben. Sie planen bereits weitere Aktionen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Unterschriftenlisten und Fernsehteams sind im Gespräch. Auch Karl Laumann wurde angeschrieben. „Uns kriegt hier niemand raus, nur mit den Füßen zuerst“, sagt eine Dame mit Nachdruck und ballt bekräftigend die Faust. „Ich kämpfe bis zum Letzten!“