Herdecke. Rozen Mohammad hat nach der Flucht aus Syrien Jahre gebraucht, um in Herdecke auf eigenen Füßen zu stehen. Die Convivo-Pleite trifft sie hart

Im August letzten Jahres hat Rozen Mohammad ihren Job in der Küche des Ender Seniorenhauses von Convivo angetreten. Nicht mal mehr einen Monat sind die Dienste der 42-Jährigen gefragt. Convivo ist insolvent. Das Heim wird nicht fortgeführt. Ein Dutzend Kollegen in der Küche trifft das gleiche Schicksal. Und doch kommen bei der Flüchtlingsfrau aus Syrien noch ein paar Probleme hinzu.

In Aleppo, der umkämpften und weitreichend zerstörten Stadt hat die Witwe gelebt, bevor sie mit ihren drei Jungs nach Deutschland geflohen ist. Der Jüngste war damals sechs, der Älteste 15 Jahre alt. Noch gehen zwei ihrer Kinder auf die Schule. Das dritte macht bereits eine Lehre. Die Ausbildungsvergütung und ihr Gehalt haben sie endlich unabhängig gemacht von Zahlungen über das Jobcenter. Und diese Unabhängigkeit möchte sie jetzt auf jeden Fall bewahren.

Heimisch geworden in Herdecke

Der Job als Küchenhelferin ist nicht ihre erste Anstellung in Deutschland. Zunächst standen die Kinder im Vordergrund. Aber dann war da genügend Luft für einen Halbtagsjob. Bei Pasta Passion in der Herdecker Fußgängerzone hat sie gearbeitet, drei Jahre lang. Dann kam Corona, und das Geschäft lief schlecht. Schließlich wechselte Rozen Mohammad ins Seniorenhaus in Kirchende. Ihre Aufgaben: Frühstück machen, Abendessen zubereiten. Auch keine volle Stelle, aber genug, um nicht mehr angewiesen zu sein auf Sozialleistungen. Einzig Wohngeld fließt noch und das Kindergeld für ihre drei Jungs.

Geld ist nicht alles. In der Küche bei Convivo hat sie Anschluss gefunden. Die deutsche Sprache ist dabei schon längst kein Hindernis mehr. Rozen Mohammad hat Sprachkurse gemacht, die Angebote der Herdecker Bürgerstiftung zur besseren Verständigung im zunächst fremden Land genutzt. So ist sie reingewachsen in das Team. „Wir sind alle traurig“, sagt sie, und denkt an den letzten Dienst in der Küche, aber auch an die Kollegen und vor allem die Senioren auf den Zimmern. Alles wird jetzt auseinander gerissen.

Helferin im Café Kiew

Erste Bewerbungen hat sie schon verschickt. Drei Krankenhäuser waren unter den Adressaten. Bisher gab es keinerlei Rückmeldung. Eine neue Arbeit zu finden sei für die Flüchtlingsfrau nicht leicht, sagt Hans-Willi Delbeck. Seit die Menschen aus Syrien und anderen Krisengebieten nach Deutschland strebten und die Stadt Herdecke ihre Bürger um Unterstützung bei der Aufnahme bat, ist er dabei. In drei dicken Ordnern hat er den Schriftverkehr von Rozen Mohammad mit dem Jobcenter abgeheftet.. Die Zeit von über 70 Seiten langen Bescheiden der Behörde war seit ihrer ersten Anstellung vorbei. „Der Job hat ihr einen richtigen Schub gegeben“, erinnert sich Delbeck, der auch jetzt wieder seine Fühler ausgestreckt hat. Immerhin: In einem Supermarkt darf sein Schützling zum Probearbeiten kommen.

Jeden zweiten Tag telefoniert Rozen Mohammad mit der Familie in Aleppo. Ihr Vater lebt noch in Syrien, ein Bruder, eine Schwester, „in permanenter Furcht.“ Gefahr und Willkür sind aber nicht der entscheidende Grund, warum sie in Deutschland bleiben und hier selbstständig leben will. Nach über sechs Jahren ist Herdecke für ihre Kinder zur Heimat geworden. Der Älteste ist bei Symalla in Ende untergekommen, der Mittlere wird nach diesem Schuljahr eine Ausbildung als Koch anfangen. Der Jüngste hat im Kinder- und Jugendparlament gesessen, bevor er nach Wetter auf die Schule gewechselt ist.

Aber auch Rozen Mohammad ist angekommen in Deutschland. Beim Kinderschutzbund macht sie mit, und regelmäßig fährt sie auch nach Wetter zum Café Kiew. Für Flüchtlinge aus der vom Krieg überzogenen Ukraine ist es eingerichtet worden. Gerne hilft sie aus. „Ich bin gut aufgenommen worden in Deutschland“, sagt sie, „jetzt möchte ich das weitergeben.“

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