Herdecke. Angestellte vom Pflegezentrum Herdecke werden wegen gesperrter Gesundheitskarte nicht behandelt. Insolvenzverwalter sagt Lösung auch bei Lohn zu.

Während eines Insolvenzverfahrens kann nicht alles rund laufen. Das zeigt sich jetzt auch im Zusammenhang mit der Convivo-Pleite und den gravierenden Folgen in Herdecke. Leidtragende: Senioren, Angestellte und Angehörige. Während an den drei Seniorenheim-Standorten Ruhr­aue, Goethestraße und Nacken schon viele Antworten zu zahlreichen Übergangsfragen vorliegen, herrscht am Standort Kirchende weiterhin der größte Klärungsbedarf. Dort müssen die Mitarbeitenden nun einen schweren Schlag verkraften.

Als ob die Unsicherheit im Seniorenhaus Kirchende nicht schon groß genug sei, müssen sich die Angestellten von der Pflegezentrum Herdecke GmbH aktuell mit zwei weiteren Problemen auseinandersetzen. Einerseits stehen Anteile ihres Lohns aus, andererseits hat der Krankenkassen-Übergang von Convivo zur Insolvenzverwaltung nicht geklappt. Das berichtete nun eine Mitarbeiterin der Lokalredaktion, der Betriebsrat um Jochen Ruscheweyh bestätigte diesen unbefriedigenden Zustand. „Der Austausch mit der Insolvenzverwaltung gestaltet sich schwierig. Somit setzt sich das fort, was schon bei Convivo der Fall war: Viele Stellen wissen nicht, was die andere macht.“

Zur Krankenkassen-Komplikation: Vor einigen Tagen erhielt der Betriebsrat aus den Reihen der Mitarbeitenden den Hinweis, dass die Ummeldung nicht geklappt habe. Kurze Erklärung: Mit Beginn des Verfahrens zum 1. April übernimmt nicht mehr Convivo, sondern die Insolvenzverwaltung (also die Kanzlei Brinkmann & Partner) die Arbeitgeber-Beiträge für die verschiedenen Versicherungen. Innerhalb dieses bürokratischen Vorgangs gilt der aktuelle Monat als Übergangszeit, in dem quasi auch nachträglich Vorgänge in den Arztpraxen abgewickelt werden können.

Zusage zur Problemlösung

„Wir haben die Insolvenzverwaltung auf diesen Missstand und ausstehende Neuanmeldungen bei den Krankenkassen hingewiesen. Dazu gab es die Antwort, dass der Fehler bei Convivo liege. Zudem erhielten wir die Zusicherung, dass der Übergang in der letzten April-Woche und rückwirkend zum Monatsanfang erfolgen soll“, berichtet Ruscheweyh.

Doch auch jetzt im Mai besteht das Problem weiter. Mit teils gravierenden Folgen: Manche Ärzte verweigerten demnach die Behandlung, da die Krankenkassen-Karte weder im April noch aktuell gültig sei und fordern Angestellte der Pflegezentrum Herdecke GmbH auf, sich privat zu versichern. Manche Mediziner zeigen sich immerhin kulant und verständnisvoll, sie weisen besagte Patienten nicht ab. „Der Fehler liegt wohl in der nach wie vor existierenden Personalabteilung von Convivo in Bremen. Wir müssen nun darauf vertrauen, dass die Insolvenzverwaltung sich einsetzt. Von der gibt es die Zusage, dass 100 Prozent aller betreffenden Medizin-Leistungen abgewickelt werden sollen“, sagt der heimische Betriebsrat zu diesem unangenehmen Kapitel. „Vertrauensbildend ist das nicht gerade.“

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Passender Übergang zu ausstehenden Lohnzahlungen. In dem Zusammenhang erhielten verbliebenen Mitarbeitende der Pflegezentrum GmbH die Zusage, dass das Gehalt für April und Mai sicher sei, ehe dann gegebenenfalls der Ennepe-Ruhr-Kreis einspringe und durch den erfolgten Kreistags-Beschluss Geld zur Betriebsaufrechterhaltung in Kirchende bereit stelle. Doch im April trafen nun nur 90 Prozent als Abschlag vom vorigen März-Gehalt ein, der Rest – so stehe es in einer Mail des operativen Managements aus Bremen, die nicht mit dem Betriebsrat abgestimmt wurde – komme später (angekündigt für diese Woche). Auch in dem Zusammenhang gilt: Die Beträge überweist die Insolvenzverwaltung, Berechnungen erfolgen durch die zuständige Convivo-Abteilung.

Das führe zu erneuten Unsicherheiten. Ruschewey: „Es scheint fraglich, ob das richtig abgewickelt wird, denn bei Convivo in Bremen sinkt die Zahl der Ansprechpartner.“ Er habe erfahren, dass die neuen Betriebsnummern für die Herdecker Angestellten noch nicht eingepflegt seien, das betreffe auch das Krankenkassen-Problem. Zudem poche er auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und die Informationspflicht, wenn es um die tarifgerechte Lohnauszahlung gehe. „Ich sehe die Gefahr, dass bei der Berechnung Fehler passieren und unsere Mitarbeitenden nicht das bekommen, was ihnen zusteht und niemand mehr in Bremen da ist, der die Zusammensetzung der Zahlung erklären oder korrigieren kann.“

Wenig Bewohner, zu viel Personal

Abschließend noch der Blick auf die derzeitige Lage in Kirchende: Noch habe niemand der einst 114 Angestellten der Pflegezentrum GmbH eine Freistellung erhalten, manche haben aber etwas Neues und Aufhebungsverträge in Aussicht. Mittlerweile leben nur noch rund 40 Seniorinnen und Senioren in der Anlage. Dort gab es interne Umzüge, um die Wege kurz zu halten. „Derzeit ist hier zu viel Personal mit Blick auf die Bewohnerzahl. Der Krankenstand ist aktuell hoch, ein zumindest teilweiser Zusammenhang mit der psychisch und physisch stark belastenden aktuellen Situation liegt wahrscheinlich nahe. Wir haben mit der Insolvenzverwaltung einen Interessenausgleich final verhandelt. Im Kontext der Umsetzung bedarf es aber weiterer Abstimmungen“, so der Betriebsrat.

„In diesem dynamischen Prozess warten weiter einige Herausforderungen auf die Beteiligten, wobei von der Insolvenzverwaltung viel auf die Leitungen und übrigen Mitarbeitenden vor Ort abgeschoben wird. In diesem Zusammenhang fehlt es an der adäquaten Wertschätzung für die Übernahme dieser Verantwortung.“

Stellungnahme der Insolvenzverwaltung

Die Insolvenzverwaltung hat am frühen Abend des 9. Mai auf Anfrage eine Stellungnahme an die Redaktion geschickt. „Das Wichtigste vorweg: Die Restzahlungen für den Monat April sind von der Bank angewiesen und die Lohn- und Gehaltsabrechnungen an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übersandt worden. Auch sind alle bei ihrer Krankenkasse mit einer neuen Betriebsnummer, die im eröffneten Insolvenzverfahren zwingend erforderlich ist, rückwirkend zum 1. April 2023 angemeldet worden“, heißt es.

„Zwei Mitarbeiter-Informationsveranstaltungen vor Ort haben zu diesem wichtigen Thema stattgefunden: am vergangenen Dienstag, 2. Mai, sowie heute. Es wurden also alle Kolleginnen und Kollegen persönlich durch die Insolvenzverwaltung informiert. Darüber hinaus hat Insolvenzverwalter Dr. Christoph Morgen am 2. Mai eine schriftliche Zahlungszusage für die vollen Löhne und Gehälter des Monats April 2023 erteilt, um allen ein klares Bild zu vermitteln.“

Zum Hintergrund: Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergibt die Agentur für Arbeit zwingend eine neue Betriebsnummer. Diese seien für alle Gesellschaften der Convivo-Gruppe spät im Monat April vergeben worden – zu spät, um einen vollständigen Lohn- und Gehaltslauf im April noch durchführen und melden zu können, schreibt die Insolvenzverwaltung. „Um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dennoch zum Monatsende – vorläufig – eine möglichst auskömmliche Zahlung zukommen zu lassen, hat die Insolvenzverwaltung einen Abschlag in Höhe von 90 Prozent gewährleistet. Über dieses Vorgehen war Ende April schriftlich informiert worden. Mit Auszahlung der Gehälter und der neuen Betriebsnummer ist die Situation nun in vollem Umfang geklärt.“