Basti braucht manchmal länger als andere. Aber das macht er mit Herzlichkeit wett. Beim Eindecken ist er Weltmeister. Ein Mutmacher aus Wetter.
Aufstehen, duschen, Katze füttern, Frühstück – und dann ab zum Bus. Basti braucht Rituale. Dann kommt er gut durch den Tag. Schon als Kind war er so, brauchte er wiederkehrende Abläufe, um klar zu kommen im Strudel der Welt, sagt Mutter Regina Lüling. Und heute? Da tragen ihn die Rituale auch durch den Arbeitstag. Was nicht nur seine Mutter stolz sein lässt.
32 Jahre ist Sebastian Lüling jetzt alt. Die letzten zehn Jahre ist er zur guten Seele im Café am Volmarsteiner Dorfplatz geworden. Wenn er die Schürze im roten Bordeaux der Evangelischen Stiftung Volmarstein übergestreift und Caféleiterin Tanja Papperitz die Schleife zugebunden hat, kann es losgehen. Büffet aufbauen, Tische eindecken, Bestellungen aufnehmen. Aber nur kleine. Sonst vergisst er schon mal was.
Beim Eindecken ist Basti in seinem Element
Er versteht nicht immer ganz so schnell wie andere, sagt Sebastian Lüling über sich selbst und seine Besonderheit. „Eine Form von Autismus“, ergänzt seine Mutter. Umso erstaunlicher ist es, dass sich Sebastian ausgerechnet einen Job ausgesucht hat, der ihn dauernd in Kontakt mit anderen Menschen bringt. Die Rituale helfen ihm dabei: Tasse, Teller, das Messer rechts, die Schneide nach innen. Beim Eindecken ist Basti in seinem Element.
„Man muss ihm nur was zutrauen“, sagt Regina Lüling. Sie hat es getan und früh schon darauf bestanden, dass ihr Sohn unter Leute kommt. Schrauben drehen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen – nein, „da hatte das Kind nichts zu suchen“, sagt sie über einen Weg, der ein Irrweg war. Dafür passt ihr nach Innen gekehrter Junge umso besser zwischen die Gäste im Café am Dorfplatz und an die Seite seiner Chefin.
Geschenke von den Stammgästen
„Eine tolle Entwicklung“ sieht Tanja Papperitz bei Sebastian. Immer wieder hört sie seine Frage: „Muss ich Angst haben?“ Nein, hat sie gesagt beim Busfahren, und so kommt ihr Mitarbeiter jetzt nicht mehr zu Fuß, seit er mit der Mutter weggezogen ist aus Volmarstein. Überwinden muss er sich aber auch bei tausend anderen kleinen Sachen. Die tägliche Arbeit gibt ihm Sicherheit und Selbstvertrauen.
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Als das Café jetzt zehnjähriges Bestehen gefeiert hat, war das fast wie ein Geburtstagsfest für Sebastian Lüling, den Urenkel des Firmengründers von Burg-Wächter. Die Stammgäste hatten kleine Geschenke dabei und ließen ihn ihre Verbundenheit spüren. Emotional ist aber auch die Zusammenarbeit mit Tanja Papperitz. „Sehr emotional sogar“, sagt sie und gerät ins Nachdenken – „wenn man bedenkt, wie viel Zeit man miteinander verbringt. Mehr als mit den eigenen Kindern.“
Immer pünktlich geht nicht
Das eigene Kind gut aufgehoben weiß Regina Lüling. Sie ist „stolz auf Basti und seine Leistung“ und froh, mit wie viel Freude er pünktlich in jeden neuen Arbeitstag geht. In jeden? Hat er nicht auch mal verschlafen?
„Doch, das wäre sonst ja übermenschlich“, sagt Tanja Papperitz. Was ihr bedeutsamer erscheint: Nicht einmal in all den Jahren war ihr Mitarbeiter krank geschrieben. Für sie „sicher auch ein Zeichen, wie sehr man zufrieden ist“.