Hagen. . Der Energieversorger Enervie plant, das Wasserwerk Hengstey im Jahr 2017 zu schließen und will stattdessen bei den Wasserwerken Westfalen einsteigen. Die Pläne haben für viel Empörung und Kritik gesorgt. Nun bezieht Enervie Stellung und beantwortet zwölf Fragen rund um das Thema Wasserversorgung.
Es gab mächtig Gegenwind für den Hagener Energieversorger Enervie, nachdem unsere Zeitung Pläne öffentlich gemacht hatte, das Wasserwerk Hengstey im Jahr 2017 zu schließen und stattdessen bei den Wasserwerken Westfalen einzusteigen. Ein Dutzend Fragen drängen sich auf. Wir haben sie dem Unternehmen gestellt – und so nimmt Enervie Stellung:
1. Wie würde ein Anschluss an das Netz der Wasserwerke Westfalen praktisch aussehen? Gibt es schon Erkenntnisse zu den möglichen Investitionskosten?
Die Wasserwerke Westfalen (WWW) würden eine Versorgungsleitung von ihrem Wasserwerk Westhofen 2 zum Wasserwerk Hengstey nach Hagen legen. Damit verbunden sind weitere Maßnahmen wie etwa der Neubau einer Druckerhöhungsanlage. Die Investitionskosten – inklusive der Stilllegungskosten für das Wasserwerk Hengstey – sind in Summe niedriger als die, die nun in Hengstey anstehen würden.
2. Bleibt das Trinkwasser-Verteilnetz weiter in Hand der Enervie bzw. von Mark-E? Lohnt sich dieses Geschäftsfeld auch ohne – von der Hasper Talsperre abgesehen – eigene Wasserproduktion?
Ja, unsere Kompetenz im Bereich der Wasserwirtschaft bleibt bestehen: Die Steuerung der Netze und somit die Einspeisung wird durch unseren Netzservice durchgeführt. Das Wasser kommt weiterhin aus der Hasper Talsperre und der Ruhr. Gleichfalls betreibt Enervie auch weiterhin die Talsperren der Stadtwerke Lüdenscheid. Das Geschäftsfeld „Wasser“ wird unter den neuen Rahmenbedingungen deutlich wirtschaftlicher werden als bei einem eigenem Weiterbetrieb des Wasserwerkes Hengstey. Für die Kunden ändert sich nichts, Mark-E bleibt weiter der Ansprechpartner.
3. Würde sich Enervie bei den Wasserwerken Westfalen als Gesellschafter „einkaufen“ oder wird es lediglich eine Abnahmeverpflichtung geben?
Mark-E wird durch die Einbringung der Kapazitäten des Wasserwerkes Hengstey in die Wasserwerke Westfalen im Gegenzug mit 7,5 Prozent Anteilseigner an den Wasserwerken Westfalen mit fünf Wasserwerken. Dies bedeutet auch, dass Mark-E ein Mandat im Aufsichtsrat der Wasserwerke Westfalen erhält. Eine auch aufgrund der demografischen Entwicklung über die Jahre absinkende Mindestabnahmemenge ist Teil der Vereinbarungen, wie auch der anteilige Ausgleich des Eigenkapitals. Den Ausbau kommunaler Kooperationen sieht Enervie im Übrigen als Teil der Gründungsidee des Unternehmens.
4. Gibt es noch eine Unsicherheit, ob die Wasserwerke Westfalen Hagen als Partner überhaupt haben wollen?
Letztlich ja, die Verhandlungen mit den Wasserwerken Westfalen sind zwar weit fortgeschritten und in guter, partnerschaftlicher Atmosphäre verlaufen. Alle Verhandlungspartner sehen die deutlichen wirtschaftlichen wie fachlichen Vorteile, die eine Kooperation mit sich bringen wird. Aber auch bei Gelsenwasser und DEW21 (Stadtwerke Dortmund und RWE) müssen die Gremien noch entscheiden.
Investitionskosten, Wasserpreis und -qualität
5. Wie hoch waren die Investitionen der vergangenen Jahre in das Wasserwerk Hengstey, um dieses technisch auf den neusten Stand zu bringen?
Das Wasserwerk Hengstey wurde in den Jahren 2004 bis 2009 im laufenden Betrieb umfangreich saniert. Die Investitionskosten hierfür beliefen sich insgesamt auf etwa 16 Millionen Euro, von denen ein Großteil bereits abgeschrieben ist. Leider ist die Situation an der Ruhr schlecht planbar. So steht mit dem NRW-Programm „Reine Ruhr“ wiederum eine hohe Investition in einer Größenordnung von etwa 15 Millionen Euro an. Da es sich um eine behördliche Auflage handelt, würde eine solche Investition direkt auf die Wasserkunden umgelegt werden, das heißt auf den Wasserpreis. Zudem würden künftig Erhaltungs-Investitionen für das Wasserwerk Hengstey anfallen. Hier stellt sich also die Frage, inwieweit unseren Kunden vor diesem Hintergrund steigende Wasserpreise zuzumuten sind. Es gilt hier das Minimierungsgebot. Grundsätzlich sind wir immer bestrebt, unsere Investitionstätigkeiten zu überprüfen und zu optimieren und Synergieeffekte – auch für und mit kommunalen Partnern – zu heben. Dies kommt letztlich allen unseren (überwiegend kommunalen) Anteilseignern zugute.
6. Gibt es genauere Hochrechnungen, wie sich der Hagener Wasserpreis entwickeln würde?
Ein Preisanstieg wäre, bedingt durch die weitere Aufbereitungsstufe in Hengstey, vorprogrammiert. Dieser Kostenbestandteil, der auf jeden Fall zu einer Erhöhung des Wasserpreises geführt hätte, entfällt. Bei einer Kooperation mit den Wasserwerken Westfalen gibt es unterschiedliche Hochrechnungen, die alle einen gesamtwirtschaftlichen Gesamtvorteil für alle Beteiligten in einem zweistelligen Millionenbereich ausweisen. Daher wird sich die Kooperation auf alle Fälle mittel- bis langfristig positiv auf den Wasserpreis auswirken.
7. Ist garantiert, dass die Qualität des Trinkwassers für die Hagener gleich hoch bleibt?
Ja, denn die Wasserherkunft bleibt mit der Hasper Talsperre und der Ruhr identisch. Das Trinkwasser kommt von etwa sieben Kilometer oberhalb der derzeitigen Entnahmestelle. Selbstverständlich sind die Wasserwerke Westfalen technisch auf der Höhe der Zeit, die Trinkwassernormen werden natürlich eingehalten. Dies stellen wir mit unserer Analytik, aber natürlich auch die Behörden vollumfänglich sicher. Die Wasserwerke Westfalen erhalten ebenfalls eine weitergehende Aufbereitungsstufe, wie sie auch für Hengstey geplant war.
8. Welche Rolle wird die Hasper Talsperre spielen? Wird von dort regelmäßig Wasser in das Netz eingespeist oder dient diese künftig lediglich als „Backup“?
Die Hasper Talsperre bleibt ein wichtiger Eckpfeiler der Wasserversorgung in Hagen und wird zukünftig wie geplant auf dem bisherigen Produktionsniveau zur Hagener Wasserversorgung beitragen. Das Wasser aus Haspe wird dabei sogar vorrangig eingespeist. Sofern mehr Talsperrenwasser in Nassjahren zur Verfügung steht, wird in Haspe auch mehr produziert. Auch im Falle einer Havarie an der Ruhr verbleibt ständig eine eiserne Reserve von rund 400 000 bis 500 000 Kubikmetern. Damit kann Hagen zeitweise allein über Haspe und durch eine Besicherung durch die AVU notversorgt werden. Allerdings ist Haspe abhängig vom natürlichen Wasserangebot und somit nie dafür ausgelegt, das ganze Stadtgebiet von Hagen über einen langen Zeitraum zu versorgen.
9. Was würde im Fall einer Aufgabe aus dem Gelände des Wasserwerkes Hengstey? Würde die Technik „eingemottet“ oder kann diese weiterverkauft werden?
Nach der Einstellung der Trinkwasserversorgung Ende 2017 würde das Wasserwerk Hengstey in den Folgejahren zurückgebaut werden. Das Grundstück verbleibt im Besitz der Mark-E, eine mögliche Vermarktung – auch von technischen Komponenten – liegt daher auch in den Händen von Mark-E.
10. Wie sehen aus Sicht Ihres Unternehmens die Entscheidungswege aus? Fällt die Grundsatzentscheidung zur Aufgabe des Wasserwerks Hengstey der Enervie-Aufsichtsrat oder muss dies der Hagener Stadtrat tun?
Da es sich um Änderungen bei einem Teil der Trinkwasserbeschaffung handelt, nicht um die Aufgabe der gesamten Trinkwasserversorgung Hagens, sehen wir die Entscheidungsbefugnis – auch gemäß Aktiengesetz – letztlich grundsätzlich beim Aufsichtsrat Enervie/Mark-E. Die Aufsichtsräte sind maßgeblich auch mit Vertretern des Aktionärs Stadt Hagen besetzt. Aber selbstverständlich sehen wir auch die öffentliche Diskussion auf der Basis von Sachargumenten als Teil des Willensbildungsprozesses.
11. Könnte Hagen mit dem Einstieg bei den Wasserwerken Westfalen Gefahr laufen über eine Umlage an möglichen hohen Investitionskosten bei den anderen Wasserwerken beteiligt zu werden, die am Ende höher sein könnten als die anstehenden Kosten im Wasserwerk Hengstey?
Nein, grundsätzlich überwiegen die Chancen einer Kooperation deutlich die Risiken: Die Investitionskosten liegen zukünftig bei den Wasserwerken Westfalen. Neben den Investitionen wird sich eine Konzentration auf weniger Wasserwerkskapazitäten ergeben. Das führt zu einer deutlich höheren Auslastung und damit zu höherer Wirtschaftlichkeit.
12. Enervie wird aus der Stromproduktion aussteigen und plant nun auch, zum allergrößten Teil die eigene Wasserproduktion zu beenden: Birgt dies das Risiko, dass sich das Geschäftsfeld des Unternehmens zu sehr verengt? Könnte bei einer zunehmenden Bedeutung von sauberem Trinkwasser dieses Produkt in Zukunft nicht zu einem sehr lohnenden Geschäftsfeld werden?
Nein, Enervie steigt nicht aus der Wassergewinnung aus, sondern nur aus der eigenen Gewinnung aus der Ruhr. Wir bleiben aber durch die Beteiligung an den Wasserwerken Westfalen als Anteilseigner im Geschäft. Das Geschäftsfeld Trinkwasser bleibt also erhalten, wir passen uns lediglich mit dem Fremdbezug über WWW den veränderten Rahmenbedingungen (demografischer Wandel, rückläufiger Wasserbezug) an. Alle Fakten sprechen dafür, dass die Trinkwassererzeugung über interkommunale Synergien wirtschaftliche Vorteile bringt. Zudem gehen wir – da, wo es wirtschaftlich Sinn macht – weiterhin den Weg, in Zukunftsträchtige Geschäftsfelder wie z.B. Contracting, erneuerbare Energien oder neue Vertriebs- und Handelsaktivitäten zu investieren.