Hagen. . Die Absicht des Hagener Energieunternehmens Enervie, das Wasserwerk Hengstey zu schließen und das Trinkwasser künftig von den Wasserwerken Westfalen zu beziehen, ist in der Politik auf scharfe Kritik gestoßen. Auch Oberbürgermeister Erik O. Schulz reagiert kühl.
Entrüstung und Unverständnis quer durch die Hagener Ratsfraktionen hat der Vorstandssprecher der Enervie-Gruppe, Ivo Grünhagen, ausgelöst. Der Grund sind die Vorstellungen des Unternehmens zur künftigen Wasserversorgung, die auf Anfrage unserer Zeitung öffentlich gemacht wurden: Demnach soll das Wasserwerk Hengstey geschlossen werden, um als künftiger Mitgesellschafter das Grundnahrungsmittel von den Wasserwerken Westfalen in das Hagener Netz einspeisen zu lassen.
„Die Stadt Hagen hat die Haltung des Vorstandssprechers der Enervie AG zur Zukunft der Wasserversorgung in Hagen zur Kenntnis genommen“, ließ Oberbürgermeister Erik O. Schulz gestern betont unterkühlt durch einen Sprecher mitteilen. Zudem stellte er in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, dass Grünhagens überraschende Ankündigung in dieser Zeitung keine Vorwegnahme des Votums der politischen Gremien bedeuten könne.
Enervie-Vorstand soll sich stellen
Schulz legt besonderen Wert darauf, dass die politischen Gremien, möglichst weitgehend in den Prozess der Entscheidungsfindung eingebunden werden. Fragen dieser Tragweite würden, so der OB weiter, erst nach intensiver Beratung der Gesellschafter und politischen Gremien entschieden. Zum jetzigen Zeitpunkt seien weder über die Zukunft des Wasserwerkes Hengstey, noch über die grundsätzliche künftige Ausrichtung der Wasserversorgung in Hagen Entscheidungen gefallen. Um weitere Details des Enervie-Kurses auch der Politik transparent zu machen, wurde der Enervie-Vorstand in die nächste Sitzung des Hagener Rates am kommenden Donnerstag einbestellt. Hier soll er die Gelegenheit bekommen, im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung, seinen Kurs zu erläutern. Doch auch hier werden aus der Politik bereits Stimmen laut, dass die Diskussion – abseits vertraulicher Wirtschaftsdaten – bei einem Thema der Daseinsvorsorge öffentlich im Rat zu führen sei.
„Die Wasserversorgung der Stadt Hagen ist keine Privatangelegenheit des Enervie-Vorstands Ivo Grünhagen. Deshalb ist auch noch keine Entscheidung über das Wasserwerk am Hengsteysee gefallen“, kommentierte CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Röspel die Schließungsbotschaft. „Wenn Herr Grünhagen Vorschläge zur Wasserversorgung zu unterbreiten hat, dann hat er dies zuerst gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu tun. Darüber hinaus dürfte auch Herrn Grünhagen klar sein, dass der Hagener Rat als Verantwortlicher die strategischen Entscheidungen der Wasserversorgung trifft – und nicht das Unternehmen alleine. Ich bin froh darüber, dass Oberbürgermeister Schulz den Mitgliedern des Haupt- und Finanzausschusses in der letzten Sitzung ausdrücklich zugesichert hat, dieses lebenswichtige Thema transparent im Rat zu diskutieren, wenn es auf der Agenda steht.
Grüne: Höchste Brisanz, Hagen Aktiv: Manager fraglich
Als „irgendwo zwischen unsensibel und dreist“, bezeichnete Grünen-Fraktionssprecher Jochen Riechel gestern die Enervie-Informationspolitik. „Ein solches Thema kann man nicht en passant dem größten Anteilseigner zur Kenntnis geben.“ Die Frage, ob Hagen beim Thema Wasser nicht ökonomisch autark bleiben wolle, sei von höchster Brisanz. „Aus Liquiditätsgründen so zu handeln, ist die wirtschaftlich falsche Entscheidung, denn die jetzt erforderlichen Investitionen in Hengstey werden sich angesichts der Entwicklung auf dem Wassermarkt um ein Vielfaches rentieren.“ Riechel warnt Enervie davor, sowohl aus dem Geschäftsfeld Stromerzeugung als auch aus der Wasserproduktion aussteigen zu wollen und schließt eine Entscheidung in der Aufsichtsratssitzung am 22. September kategorisch aus.
Fassungslosigkeit auch bei der Wählergemeinschaft Hagen Aktiv: „Enervie ist als heimischer Energieversorger verpflichtet, die Hagener Bevölkerung mit Wasser und Strom zu bezahlbaren Preisen zu versorgen. Wenn nun die Investitionen in das Wasserwerk als unerschwinglich und die Abschaltung der Kraftwerke als alternativlos bezeichnet werden, stellt sich die Frage, ob die richtigen Manager das Energiegeschäft verantworten“, so Fraktionschef Josef Bücker. Darüber hinaus stelle sich für Hagen Aktiv die Frage, ob die in der Vergangenheit erzielten Gewinne zweckgebunden zurückgelegt worden seien, schließlich würden Investitionen nicht über Nacht erforderlich. Stattdessen habe man auf der Haßleyer Insel einen teuren Prachtbau erstellt. „Wir erwarten“, so Bücker, „vom Enervie-Vorstand eine umfassende, lückenlose und transparente Information über das geplante weitere Vorgehen, und zwar vor Ausführung der angekündigten Pläne“.
Das ist für mich maßgebend – nichts anderes.“
Die CDU-Fraktion beantragt deshalb das Thema „Zukunft der Wasserversorgung Hagens“ in der öffentlichen Ratssitzung zu behandeln: „Das Thema hat zwei Aspekte: Der erste ist die betriebswirtschaftliche Analyse, die nur im nichtöffentlichen Teil beraten werden kann. Doch darüber steht die grundlegende Frage, wie sich der Rat die Zukunft der Wasserversorgung vorstellt, wer die Entscheidungen darüber nach welchen Kriterien trifft und mit wem darüber wann zu kommunizieren ist.“
Mit diesem Kurs rennt die CDU selbst bei den zuletzt eher ungeliebten Sozialdemokraten offene Türen ein. „Das ist unmöglich, was da passiert“, stimmte gestern SPD-Fraktionsgeschäftsführer Andreas Reitmajer in den Chor der Empörten ein. Zudem unterstrich er ausdrücklich, dass die Wasserversorgung einer Stadt für die Genossen kein Thema sei, das im klammheimlichen Austausch von Vorstand und Aufsichtsrat entschieden werden könne. „Hier geht es um Zukunftsfähigkeit und Daseinsvorsorge – das ist eindeutig eine öffentliche Angelegenheit, über die auch jeder Bürger informiert sein muss.“
Schulz will nichts gewusst haben
Gleichzeitig erinnert Reitmajer daran, dass die SPD-Fraktion sich bereits in der jüngsten Ratssitzung nach angeblichen Verkaufs- oder Schließungsplänen für das Wasserwerk in Hengstey erkundigt hatte. Damals gab OB Schulz in seiner Eigenschaft als Enervie-Aufsichtsratsvorsitzender noch zu Protokoll, dass ihm davon nichts bekannt sei. Dabei war bereits in der vorangegangenen Sitzung des Enervie-Beirates von Grünhagen über Schließungspläne für das Wasserwerk berichtet worden. OB Schulz war in dieser Runde im Restaurant Holzrichter in Veserde anwesend.