Hagen. Mit Margarita Kaufmann kehrt mehr Weiblichkeit in die Verwaltungsspitze zurück. Im Rahmen unserer Serie „Unterwegs auf dem Drei-Türme-Weg“ sprachen wir mit der Dezernentin über ihren Start in Hagen, ihre bisherigen Stationen und ihre Ziele.

Wer sich eine Stadt erschließen will, kann auch mal oben anfangen. Margarita Kaufmann ist jemand, der schnell viel über ihre neue Heimat lernen will und lernen muss. Über ihre neue Heimat und darüber, wie die Menschen hier ticken.

Also gehen wir über den Drei-Türme-Weg. Ein außergewöhnlicher Spaziergang, in dem wir beide einiges lernen: übereinander, über Städte wie Hagen, über Länder und über einen Beruf, den wir beide gelernt haben. Ich, der Journalist, und Hagens neue Dezernentin für Umwelt und Soziales, die einst als Kulturredakteurin bei einer Lokalzeitung in Friedrichshafen gearbeitet hat.

In vielen Ländern gelebt

Kaufmann ist anders. Kaufmann blickt nicht nur an diesem Tag von oben auf die Stadt, sondern auch von außen, weil sie in vielen Ländern der Welt gelebt hat und Hagen jetzt nach und nach zu ihrer Heimat wird.

Sie hat sich als Krisenmanagerin bewährt. An der Odenwaldschule, die in den Fokus der Öffentlichkeit geriet, als herauskam, dass Kinder hier missbraucht und gequält wurden. Kaufmann leitete sie Jahre nach diesen Vorfällen und warb für Aufklärung und Transparenz.

Mit Offenheit und Herzlichkeit

Als führende Verwaltungskraft in einer klammen Stadt sind ihre Fähigkeiten zum Management in schwerer Situation auch gefragt. Kaufmann will es angehen – mit Offenheit, mit Herzlichkeit, aber auch mit deutlichen Positionen. Sie blickt auf einen großen Apparat und auf die Politiker, die sich seit Jahren mühen, das Schiff auf Kurs zu halten. „Hätte, könnte, sollte“, sagt Margarita Kaufmann, „diese vielen Konjunktive gehen mir echt auf die Nerven.“

Wir gehen auch. Und zwar zunächst bergauf. Was Frau Kaufmann, die eigens das Schuhwerk gewechselt hat und eine Flasche Wasser trägt, ein wenig schwerer atmen lässt. Trotzdem stoppt ihr Redefluss, aus dem immer wieder Ideen hervorsprudeln, nicht. „Schön hier oben“, sagt sie mit einem schwäbischen Akzent, der „im högschten Maße“ an den des Bundestrainers erinnert. „Über die schönen Ecken reden die Menschen viel zu wenig. Neulich war ich zum Essen auf dem Elbersgelände. Das ist ja so schön da. Ich hab’ erstmal Fotos gemacht und sie meiner Familie geschickt.“

Grüngürtel in Stadt verlängern 

Schön ist es nicht nur unten im Tal. Schön ist die Sicht. Zum Beispiel über eine der Kyrillflächen hinweg, die jetzt den Blick auf die Innenstadt freigibt. „Man sieht von hier aus schon, wie das Grün von oben nach unten nachlässt“, sagt Kaufmann, die auch dem Bereich Umwelt vorsteht, „ich glaube, es wird eine der Aufgaben in den nächsten Jahren sein, den Grüngürtel weiter in die Stadt zu verlängern.“

Der Weg führt weiter bergauf. Margarita Kaufmanns noch kurzer Weg in Hagen, der auf acht Jahre angelegt ist, war zunächst einer, der bergauf und dann bergab geführt hat. Gewählt hat sie der Rat am 12. Dezember. Eine faustdicke Überraschung, die nur möglich war, weil sie auch viele in der SPD für geeigneter hielten als den eigenen Kandidaten.

Maßlos geärgert

Auf artige Gratulation und Blumenstrauß folgten Proteste. Die Fraktionsspitze der SPD beanstandete die Wahl und schaltete sogar den Parteifreund und Innenminister ein. Nicht nur darüber hat sich Kaufmann maßlos geärgert. „Aber ich war immer davon überzeugt, dass ich meinen Job auch antreten werde“, sagt sie. Also erinnert sie sich noch an die Botschaft, die Stefan Keßen, Leiter des Fachbereichs Personal, am 30. April auf ihrem Anrufbeantworter hinterließ: „Duschen, anziehen, nach Hagen fahren – um 15 Uhr werden Sie ernannt.“

Der Weg führt weiter bergauf. Und es ist einer, der einem Mitglied der Familie Kaufmann besonders gefallen würde. Merlin, dem belgischen Schäferhund. Ein gereifter Rüde in besten Hundejahren. Eine treue Seele. „Bei der Eröffnung eines Tierheims haben wir uns in ihn verguckt. Da waren meine Kinder noch klein“, sagt Kaufmann, „vorher hatten wir immer nur Hamster. Aber die dauernden Staatsbegräbnisse sind mir doch an die Nieren gegangen.“

Merlin zieht mit nach Hagen

Ein Hund sei anders: „Ein Hund ist ein Partner, mit dem man sich intensiv auseinandersetzen muss“, sagt Margarita Kaufmann. „Mit ihm geh’ ich immer ganz früh morgens raus. Wenn im Büro dann ein Berg Arbeit wartet, weiß ich, dass ich schon etwas für mich getan habe.“

Merlin zieht mit nach Hagen. In eine Doppelhaushälfte im Fleyerviertel. Ganz in der Nähe von Kämmerer Christoph Gerbersmann. „Ein netter Nachbar und ein netter Kollege“, wie Kaufmann über den CDU-Dezernenten und neuen Ersten Beigeordneten sagt.

Ein neues Zuhause in Hagen 

Über die Immobiliensuche hat Margarita Kaufmann Hagen und seine Viertel in kleinen Teilen kennengelernt. „Ich freue mich darauf, in der Nähe meines Arbeitsplatzes zu wohnen. Ein anderer Ort als Hagen kam für mich nicht in Frage.“

Wer wie Margarita Kaufmann über den Drei-Türme-Weg spaziert, der lernt auch viel über das Engagement der Hagener. Zum Beispiel über den Förderverein der Wildgehege, über jene, die sich um die Sternwarte kümmern oder über die Mountainbiker, die hier zwei Strecken ausgewiesen haben. „Zum Geburtstag“, sagt Margarita Kaufmann, „habe ich eine Radkarte von Hagen und Umgebung bekommen. Das fand ich wirklich nett.“ Eine Dezernentin auf zwei Rädern – noch so eine Art, sich seine neue Heimat auf eine andere Art zu erschließen.

Viele Stationen

Das Wort Heimat hat keinen Plural. Gäbe es einen, dann wäre diese Mehrzahl prädestiniert für die erste Frau seit vielen Jahren im Verwaltungsvorstand. In Reutlingen aufgewachsen. In Freiburg Germanistik studiert. In Friedrichshafen als Journalistin gearbeitet, in Le Mans und auf den Kanaren an einer Schule, in Lateinamerika für die Adenauer-Stiftung, für die UNESCO in Paris, wieder am Bodensee als Beigeordnete, schließlich als Rektorin an der Odenwaldschule und zuletzt in Bonn. „Umwege erweitern die Ortskenntnisse“, sagt sie, „geradlinig ist im Leben wenig. Besonders Lateinamerika hat mich sehr beeindruckt.“

Das mit den Umwegen gilt auch für Kaufmanns Karriereweg. Gejobbt im Supermarkt, in Kneipen, in der Bibliothek. „Aber nach der Schule wusste ich lange nicht, was ich werden wollte“, erzählt Margarita Kaufmann. „Ich wollte auf jeden Fall ans Theater. Das hat mich immer fasziniert. Also wollte ich erst Friseurin und dann Maskenbildnerin werden.“ Die Ausbildung allerdings ist zäh. „Als einzige Abiturientin musste ich Kaffee machen, den Terminkalender führen und den wohlhabenden Damen in Reutlingen in ihre Mäntel helfen“, sagt Margarita Kaufmann. „Das war nichts für mich. Gelernt habe ich nicht viel.“

Erste Schnitte als Friseurin

Immerhin hat das Wissen gereicht, um während des Studiums dazuzuverdienen. „Immer samstags habe ich in einem katholischen Studentenheim den Männern die Haare geschnitten“, sagt Margarita Kaufmann, „für fünf Mark.“ Nach Studium und Referendariat am Bodensee aber steht die angehende Lehrerin auf der Straße. Jobs gab es nicht in einem Staat, der „seine Frauen zwar teuer ausbildet und es sich dann leistet, sie hoch qualifiziert zu Hause sitzen zu lassen.“

Kaufmann aber kann schreiben. Und beginnt, bei einer Zeitung zu arbeiten. Erst als freie Mitarbeiterin, dann als Kulturredakteurin. Aber sie hat ihren eigenen Kopf, schreibt nicht das auf, was ihr der Redaktionsleiter mit auf den Weg gibt. „Da wusste ich, dass das auf Dauer nichts wird.“ Nicht die letzte Station ihrer Karriere: Sie konzipiert ein System der Mülltrennung für eine Umweltagentur und bekommt das Angebot der Konrad-Adenauer-Stiftung, nach Lateinamerika zu gehen...

Auge in Auge mit dem Kontrahenten 

Zeit für ein paar Worte zum Thema Politik: Wo sonst, wenn nicht am Eugen-Richter-Turm, der den Namen eines bedeutenden liberalen Politikers trägt, der von 1874 bis 1906 den Wahlkreis Hagen-Schwelm im Reichstag vertrat. „Nun ja“, sagt Margarita Kaufmann mit Blick auf die Ergebnisse der Kommunalwahl, „diese bedeutende liberale Tradition scheint sich jetzt nicht fortzusetzen. Aber Eugen Richter steht ja hier seinem Kontrahenten Bismarck quasi direkt gegenüber. Das ist ja oft in der Politik der Fall...“

Überhaupt – gewundert hat sich die neue Frau, die ja in der Verwaltung einer Kommune in Baden-Württemberg gearbeitet hat, über die Ausstattung der Fraktionen: „An Fraktionsbüros oder Ähnliches ist da nicht zu denken.“

Politisches Ehrenamt rückt in Hintergrund

„Das Ehrenamtliche steht noch mehr im Vordergrund als hier“, sagt Margarita Kaufmann. „In anderen Ländern gibt es zum Teil auch keine Lohnausfallzahlungen. Daneben noch die Geschäftsführer, Sekretariate, Räume, Nebenkosten, Ausschussvorsitzende und die notwendige Zuarbeit, die sie brauchen, ehrenamtliche Bürgermeister mit Entschädigungen etc. Aber all das ist ein anderes Thema...“

Die ersten Tage in der Stadtverwaltung – sie waren geprägt von positiven Eindrücken. „Die Zeit geht schnell rum“, erzählt Margarita Kaufmann, „aber mein Eindruck ist: Das Feld ist gut bereitet. Ich genieße die Unterstützung einer sehr kundigen Sekretärin. Und es ist gut zu wissen, dass viele Dinge in der Verwaltung in guten Händen sind. Klar tun Impulse von außen gut, aber die Mitarbeiter mit ihrer Erfahrung wissen doch, was geht und was nicht. “

Arbeit ist vertraut 

Die Mitarbeiter will sie kennenlernen. Möglichst schnell. „Im Laufe meiner ersten Wochen will ich in jedes Amt schauen“, sagt Margarita Kaufmann, „aber ich habe auch schnell gemerkt, dass mich der Alltag einholt. Denn ich wandle gerade auf vielen neuen Wegen. Aber die Arbeit als solche ist mir vertraut.“

Wie die Verwaltung tickt, wie sie arbeitet – all das erschließt sich der Neuen nach und nach. „Diese sehr komplizierte Struktur der Töchter zu durchschauen, daran arbeite ich noch“, sagt Margarita Kaufmann, „früher zu meiner Zeit an der Odenwaldschule, da habe ich den Hausmeister gerufen und er ist gekommen. Aber bei der Notwendigkeit zu sparen, gehen einem die Argumente schnell aus. Eigentlich schade.“

Entscheidungen hinterfragen

Die finanziell schwierige Situation ist es, die Margarita Kaufmann von Tag eins einholt. Wenngleich sie auf mehr Kreativität setzt. „Manche Entscheidung hätte ich vermutlich schon hinterfragt“, sagt sie, „gerade was Schulstandorte angeht.“

Am Wildschweingehege zeigen sich die Säue von ihrer besten Seite. Dem Förderverein, der sich hier engagiert, stand ihr Vorgänger Dr. Christian Schmidt vor. „Auch mit ihm habe ich Gespräche geführt“, sagt Margarita Kaufmann, „aber am Ende möchte ich den neuen Job auf meine Art machen.“